Bauern, Mittelständler und Gastronomen standen Seite an Seite

„Wir haben es satt!“

Montag
22.01.2024, 20:30 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Zur Unterstützung der Proteste von Landwirten und Mittelständlern, Transportunternehmen und Gastronomen hatte der Bürgermeister der Kurstadt Bad Langensalza heute zu einer Kundgebung auf dem Neumarkt aufgerufen. Trotz widriger äußerer Bedingungen kamen mehrere hundert Menschen …

Knut Lochmüller sprach für die protestierenden Bauern und kündigte weiter Widerstand an (Foto: oas) Knut Lochmüller sprach für die protestierenden Bauern und kündigte weiter Widerstand an (Foto: oas)

Von einem Tauwetter zwischen Bauern und Bundesregierung kann auch nach der heutigen Kundgebung nicht ausgegangen werden. Insofern passte das Wetter nicht. Mit dem einsetzenden stürmischen Regen demonstrierte der Wettergott andererseits, unter welch unangenehmen Bedingungen die heute vertretenen Landwirte, aber auch die Transportunternehmen mitunter arbeiten müssen. Und ob sie sich nach getaner Arbeit künftig noch in einem Restaurant werden erholen können, wurde auch in Frage gestellt. Doch der Reihe nach.

Bad Langensalzas Bürgermeister Matthias Reinz übernahm es, die knapp dreihundert Teilnehmer der heutigen Kundgebung zu begrüßen und mit seiner Rede auf die Beiträge der Gäste einzustimmen, die nach ihm zu Wort kamen. Reinz forderte von der Bundesregierung ein Umdenken in der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftspolitik und benannte die Auswirkungen, die durch den energiepolitischen Kurs und die finanziellen Mehrbelastungen bis hin in die kleinsten Kommunen spürbar sind. Er rief die Abgeordneten der Region auf, sich für ihre Wahlkreise einzusetzen und für eine Entlastung der steuerzahlenden Bürger zu sorgen. „Schafft Anreize für progressive und kreative Initiativen! Und fördert endlich wieder die Arbeit und nicht die Arbeitslosigkeit!“, rief er unter dem Beifall der Menschen.

Ihm folgten auf der Bühne die Mittelstandsvertreter Matthias Oßwald aus Mühlhausen und Jürgen Werner, Geschäftsführer der Firma Werner GmbH in Aschara. „Einem Land kann es nur gut gehen, wenn es auch seinem Mittelstand gut geht“, war ihre Devise und die sehen sie im Moment hochgradig gefährdet. Die Transportunternehmen im Lande hätten es so schwer wie nie zuvor. Beide zeigten sich jedoch erfreut über die große Zustimmung, die sie für ihre Forderungen aus der Bevölkerung erhielten. Diese sind schnell zusammengefasst: Aussetzen der LKW-Mauterhöhung und der erhöhten CO2-Steuer, die seit Jahresbeginn in Kraft traten.

Auch der Hauptgeschäftsführer der Thüringer DEHOGA, Dirk Ellinger, machte aus seinem Herzen keine Mördergrube und forderte eine Gleichbesteuerung aller Lebensmittel sowie die Rücknahme der Mehrwertsteuererhöhung in der Gastronomie. Gastronomen seien in Thüringen traditionell Leistungsträger und von den einst 6.000 hauptsächlich (zu 87 Prozent) in Familienbetrieb befindlichen Unternehmen, die heute noch etwa 3.000 Einrichtungen ausmachen, drohten jetzt wieder eine ganze Reihe zu verschwinden, weil die hohen Preise nicht mehr an die Restaurantgäste weitergegeben werden könnten. Von der Bundesregierung verlangt er ein schnelles Umdenken, ehe es zu spät ist für die Branche.

Thüringens DEHOGA-Chef Dirk Ellinger und Gordon Keiling benannten die Probleme der Gastronomiebetriebe (Foto: oas) Thüringens DEHOGA-Chef Dirk Ellinger und Gordon Keiling benannten die Probleme der Gastronomiebetriebe (Foto: oas)

In diese Kerbe schlug auch der regionale Unternehmer Gordon Keiling, der erzählte, dass er nicht mehr wisse, wie er kalkulieren solle und sich dafür schäme, derartig hohe Preise verlangen zu müssen. Am Blumenkohl, den er bis voriges Jahr beim regionalen Bauern für einen Euro und heute auf dem Großmarkt für drei bis vier Euro kaufe (ohne zu wissen, wo dieses Gemüse herkäme) machte er das Dilemma an einem konkreten Beispiel fest. Steuergelder flössen wie nie zuvor in Deutschland, monierte Keiling, aber sie würden von der jetzigen Bundesregierung verschleudert. Das mache ihn wütend.

Der Hauptredner der heutigen Veranstaltung, Knut Lochmüller, Geschäftsführer der Pro Land Agrar GmbH Nägelstedt und Vertreter der protestierenden Bauern, kündigte weiteren Widerstand der Landwirte an. „Das Maß ist voll!“, war seine Überschrift, die er nicht nur an den Kürzungen der Agrardieselvergünstigung festmachen wollte. Eine Überregulierung durch EU und das deutsche Landwirtschaftsministerium, eine immer mehr ausufernde Bürokratie und ein einsetzendes Kontrollsystem des Staates, das die Bauern unter den Generalverdacht des Betruges stelle, hätten das Faß zum Überlaufen gebracht. In anderen EU-Ländern hätten die Bauern wesentlich bessere Bedingungen und das verzerre den Wettbewerb, in den man ja europaweit treten solle. „Wir haben es satt“, unterstrich er im Bilde der Ernährung bleibend und betonte, er und seine Kollegen wollten keine Geschenke vom Staat haben, aber ein System, das es ihnen ermögliche, weiter gute Lebensmittel für alle Konsumenten zu erzeugen. Er fühle sich derzeit an das Ende der DDR-Zeit erinnert, sagte Knut Lochmüller, als die Genossen Geld, das nicht mehr erwirtschaftet wurde auch noch falsch verteilten.

Alle Redner erhielten dankbaren Beifall, der am Ende in einen regenüberzogenen Neumarkt schallte. Gemeinsam mit den respekteinflößenden Traktoren ging dann in einer kleinen Runde noch ein Demonstrationszug durch die Innenstadt, ehe die Versammlung sich so friedlich und unkompliziert auflöste wie sie begonnen hatte.
Olaf Schulze