Wahlkampf 2023

Der Außenseiter

Sonnabend
02.09.2023, 12:54 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Die Nordhäuserinnen und Nordhäuser haben am 10. September die Chance, die Karten im Rathaus neu zu mischen. Zur Oberbürgermeisterwahl stehen sechs Kandidaten zur Auswahl, die nnz hat sie um Rede und Antwort gebeten. Für die Grünen geht Carsten Meyer aus Weimar als Außenseiter ins Rennen...

Wenn Sie zum Oberbürgermeister gewählt werden, welche drei Aufgaben halten Sie für die wichtigsten in Ihrer Legislaturperiode?

Nordhausen hat wirtschaftliche und kulturelle Stärken, die wir nutzen können, um die Stadt als Zentrum zu entwickeln. Dazu werde ich verlässliche und offene Bürgerbeteiligungen einführen, auch um das Vertrauen in unsere Demokratie wieder zu festigen.

Das Verhältnis zwischen Stadt und Landkreis möchte ich auf eine neue sachliche Basis stellen, denn wir sind voneinander abhängig und können gemeinsam sehr viel erreichen.

Nordhausen muss sich dem Klimawandel stellen und dafür an vielen Stellen gleichzeitig neues versuchen. Dafür sind schon viele Grundlagen vorhanden, auf denen wir aufbauen können.

Die Stadt Nordhausen kämpft um den Status eines Oberzentrums. Wie möchten Sie dieses Ziel erreichen?

Nordhausen ist das Zentrum zwischen Erfurt und Magdeburg, das muss durch die Landesregierung stärker beachtet werden. Die Einstufung als Oberzentrum wäre aber nur eine Begriffsänderung. Ebenso wie Altenburg, Weimar oder auch Gotha kämpft Nordhausen besser um konkretere Dinge. Beispielsweise um die Ansiedlung von Landeseinrichtungen, die Stärkung der Hochschule oder eine überregionale Bahnverbindung.

Carsten Meyer geht für die Grünen ins Rennen (Foto: C. Meyer) Carsten Meyer geht für die Grünen ins Rennen (Foto: C. Meyer)


Welchen Stellenwert nehmen in Ihren strategischen Planungen die Ortsteile ein?

Die Ortsteile sind jeweils individuell zu betrachten, wobei die Grundversorgung mit ordentlicher Grünpflege oder einer Radwegeanbindung für alle gut sein muss. Einige Ortsteile wie Bielen oder Sundhausen brauchen ein besonderes Augenmerk, weil sie Entwicklungschancen für die ganze Stadt bieten, andererseits aber auch ihren Charakter behalten sollen.

Wie stellen Sie sich die Zukunft des Verkehrs in Nordhausen vor, dürfen z.B. Dieselfahrzeuge dann noch in die Stadt fahren?

Welche Fahrzeuge in Nordhausen fahren dürfen, wird durch ein Bundesgesetz geregelt. Ein Fahrverbot für Verbrennermotoren wird es absehbar sicher nicht geben. Etwas anderes ist es mit meiner Hoffnung, dass es bald möglich ist, für Nordhausen flächendeckend Tempo 30 zur Regel zu machen und nur auf den großen Durchfahrtsstraßen höhere Geschwindigkeiten zu ermöglichen.

Was für Ideen und Strategien schweben Ihnen vor, um den ÖPNV zwischen der Stadt Nordhausen als etwaiges Oberzentrum, dem Harz und anderen Teilen von Nordthüringen, wie etwa dem Eichsfeld, attraktiver zu machen?

Dies wird sicher vorrangig an den finanziellen Mitteln hängen, also an der Bereitschaft von Bund und Ländern, mehr zu unterstützen. Wenn das Deutschlandticket für Berufspendler*innen erhalten bleibt, sind die nächsten Schritte für alle anderen Nutzer*innen ein einheitlicher Tarif und Fahrplan zwischen Erfurt, Halle und Göttingen, also ausdrücklich über Ländergrenzen hinweg. Die Bahn sollte weitere Haltepunkte planen, z.B. in Bielen.

Welche konkreten Maßnahmen schlagen Sie vor, um den Einzelhandel und damit die Innenstadt Nordhausens zu retten? Was halten Sie von der Einrichtung einer innerstädtischen Kernzone?

Dies ist und bleibt sicher noch lange Zeit ein Problem fast aller deutschen Innenstädte. Eine ehrliche Antwort darauf ist auch eine ungemütliche: Damit das Zentrum funktioniert, dürfen keine Einkaufsmärkte in den Nachbargemeinden gebaut oder erweitert werden, denn bei sinkender Einwohnerzahl in der Region verkümmert sonst die Innenstadt. Und ähnliches gilt natürlich auch für das Stadtgebiet von Nordhausen. Eine Kernzone ausweisen ist das eine, dann muss eine Mehrheit im Stadtrat dies auch standhaft gegen Einzelinteressen verteidigen. Dabei würde ich gerne mithelfen.

Welche Angebote für Jugendliche im Stadtgebiet halten Sie für nötig?

Bei diesem Thema denke ich etwas umfassender. Zunächst gehört dazu das Motto „Alle verlassen die Regelschulen mit einem Abschluss“, hier ist die Stadt auch bei der Schulsozialarbeit gefragt. Dann gilt natürlich „für alle Abgänger*innen unserer Schulen werden passende Ausbildungs- oder Studienplätze gefunden“, in Kooperation mit Arbeitsagentur, den Kammern und Hochschulen.

Und schließlich muss die Stadt neben den bestehenden Freizeiteinrichtungen für mehr Projekte und selbstorganisierte Angebote bereit sein.

Werden Sie das Vereinshaus „Thomas Mann“ wiederbeleben?

So gestellt ist die Frage schwer zu beantworten. Ist zunächst eine geeignete Nutzung des Hauses das Problem oder die Bedürfnisse von Vereinen, die Räume suchen? Auf jeden Fall geht diese Frage vorrangig an alle gewählten Vertreter*innen, also auch an den Stadtrat. Bekommt das Haus Priorität vor anderen wichtigen Dingen? Als Oberbürgermeister würde ich die Frage deshalb doppelt beantworten: Jede Immobilie mit historischem Wert in Nordhausen muss schnell eine gute Nutzung bekommen, Leerstand ist teuer und vernichtet zudem Stadtgeschichte. Und für das sehr vielfältige Ehrenamt hat die Stadt die Pflicht, für gute Rahmenbedingungen zu sorgen, wo immer möglich.

Wie sollen die Museen der Stadt künftig strukturiert werden, welche Ideen haben Sie, um die Museen interessanter zu gestalten?

Ich bin kein Kunsthistoriker oder Museumspädagoge, aber mir scheint, dass es eine so einfache wie schwierige Lösung gibt: mehr hauptberufliches Personal für Kunsthaus, Flohburg und Tabakspeicher, auch, um dort gute Bedingungen für das Ehrenamt zu erhalten. Und daneben muss die Stadt eine Haltung zur Zukunft von IFA-Museum und Park Hohenrode entwickeln.

Wie wollen Sie die Parkanlagen in Nordhausen zukünftig attraktiver gestalten?

Auch hier eine ehrliche, aber eher unschöne Antwort: Wir sollten uns darauf konzentrieren, die Qualität der Grünanlagen, etwa auf dem Petersberg oder im Park Hohenrode, zu pflegen und zu erhalten. Gerade der Klimawandel wird uns dafür noch viel abverlangen, etwa beim Ersatz von Bäumen durch hitzeverträglichere Arten.

Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um Nordhausen für junge Familien attraktiver zu machen und einen proaktiven Zuzug zu generieren?

Nordhausen und die Wohnungsunternehmen müssen genau schauen, welche Bedürfnisse junge Familien heute haben. Vielleicht ist es nicht mehr vorrangig der Traum des Eigenheims mit Garten, sondern die Sicherheit einer nahen Anbindung an Kindergärten, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten. Da sind die noch vorhandenen Brachflächen in der Kernstadt möglicherweise attraktiver als in der Vergangenheit, zumal bei den hohen Baupreisen. Und das Bildungsangebot muss vielfältig sein, etwa auch durch Einrichtung einer Gemeinschaftsschule.

Sollte es ein Straßensanierungsprogramm für die Stadt geben?

Ja, im Sinn einer Prioritätenliste, um die sich im Stadtrat gerne gestritten werden darf, solange sie anschließend auch verbindlich wird. Nicht vergessen werden darf dabei die Herstellung von barrierefreien Überwegen und von guten Fahrradwegen.

Welche Ideen haben Sie, den August-Bebel-Platz zukünftig weiter zu entwickeln?

Der Bebelplatz muss für große Veranstaltungen nutzbar bleiben, inklusive einer guten Versorgung mit Strom und Wasser. Er kann eine klare Abgrenzung von Parkplätzen vertragen und sicher auch den einen oder anderen Spielpunkt und mehr Bäume. All dies sollte durch Fachplaner nach einer breiten Diskussion mit den Bürger*innen bearbeitet werden.

Ergänzen Sie bitte den Satz:

Als erste Amtshandlung werde ich … eine Versammlung aller Leitungskräfte der Stadt einladen und mich allen vorstellen. Ich erlebe Nordhausen als eine lebendige Stadt und das tatsächliche Zentrum zwischen Erfurt und Magdeburg. Dieses Selbstbewusstsein zu unterstützen, dafür würde ich sehr gerne meine Person und meine Arbeitskraft einbringen.