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Lesen bildet

Sonntag
04.09.2022, 15:23 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Auf Grund des Artikels vom Freitag in der NNZ „Wer lesen kann ist klar im Vorteil“ möchte nnz-Leser Alexander Rathnau versuchen, die letzten Monate im Forum für sich inhaltlich zu erschließen...

Ausgangspunkt war für mich die Scholze „Zeitenwende“. Bei mir hat sich nach 6 Monaten der Gedanke verfestigt, dass ähnlich wie der bekannte Zauberlehrling, Scholz nicht das beschreiben wollte, was nun immer mehr in dem Vordergrund tritt.

Die älteren Leser werden die Zeit noch gut kennen, in der es neben NATO und Warschauer Vertrag die Blockfreien gab. Das nennt sich, heute nachzulesen unipolare Weltordnung. Bereits seit der Wiedervereinigung und der beginnenden Auflösung der UdSSR hat sich daraus etwas Neues entwickelt, eine multipolare Weltordnung. Ausdruck dessen sind die verschiedenen Kriege, welche geführt wurden (Irak, Afghanistan, Syrien, … Ukraine) aber auch neue Vereinigungen wie die BRICS. Wer dazu mehr wissen möchte kann sich bei Brzezinski, Mearsheimer, Kissinger oder auch Chomsky belesen.

Es ließe sich auch auf die bundesdeutsche Politik der vergangenen Jahre schauen, um nachzulesen, dass es keineswegs Werte sind, die die Politik einzelner Staaten ausmacht, sondern Interessen. Was letztendlich bedeutet, dass die sogenannte „regelbasierte internationale Ordnung“ nicht auf westlichen Werten basiert, sondern klaren Interessen derjenigen entspricht, welche glauben militärisch und wirtschaftlich überlegen zu sein und denen zur Aufrechterhaltung dieser Ordnung alle Mittel recht sind, selbst atomare.

Bei Annalena und Robert fällt mir nur Konfuzius ein: „Wer einen Fehler nicht einsieht, begeht einen zweiten.“. Es wäre ein Leichtes die Gasumlage zurückzunehmen und zugleich notleidende Energieunternehmen unter staatliche Aufsicht zu stellen oder zuzugeben und damit zu ändern, dass die Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes nur den Anbietern derselben geholfen hat. Jetzt wissen wir zumindest das die Grundlage für die Ermittlung des Strompreises das Merit-Order-Verfahren ist und somit die teure Stromproduktion aus Gas den Preis bestimmt. Wer hat sich schon vor einigen Jahren dafür interessiert? Jetzt überschlagen sich die Wirtschaftsseiten darin uns dieses Verfahren zu erklären und … wir brauchen es nur zu lesen! Ach so, Nord Stream 2 könnte auch geöffnet werden …

Ein abschließender Gedanke zur militärischen Beurteilung des Krieges in der Ukraine durch den Westen. Es mag so aussehen, als wenn Russland hier nicht vorankommt und die Ukraine gerade eine (Groß)offensive gestartet hat. Und es gibt auch den amerikanischen Wunsch eines „Afghanistan 2.0“, dem sie sich mit jedem Tag näher wähnen. Vielleicht möchte Russland es jedoch genauso wie es gerade ist, denn schon Napoleon sagte: „Nicht unterbrechen, wenn die Feinde einen Fehler machen.“ Und die Fehler häufen sich derzeit militärisch, ökonomisch und auch weltpolitisch. Im zu Ende gegangenen Afghanistankrieg gab es ein geflügeltes Wort: „Der Westen hat Uhren, wir haben Zeit.“. Ich glaube das trifft den Kern dessen was wir momentan in Europa erleben.

Ich halte es wie Karl Kraus: „Kriegsmüde – das ist das dümmste von allen Worten, die die Zeit hat. Kriegsmüde sein, das heißt müde sein des Mordes, müde des
Raubes, müde der Lüge, müde der Dummheit, müde des Hungers, müde der Krankheit, müde des Schmutzes, müde des Chaos. War man je zu all dem frisch und munter? So wäre Kriegsmüdigkeit wahrlich ein Zustand, der keine Rettung verdient. Kriegsmüde hat man immer zu sein, das heißt, nicht nachdem, sondern ehe man den Krieg begonnen hat. Aus Kriegsmüdigkeit werde der Krieg nicht beendet, sondern unterlassen.“.

Ein Gedanke zum Schluss, warum öffnen wir nicht unsere Bibliotheken kostenlos anstatt Turnhallen, um denjenigen einen warmen Ort zu gewähren, welche sich die häusliche Wärme demnächst nicht mehr leisten können werden, auch wenn dies menschliche Wärme nicht ersetzt, aber ganz in dem Sinne Lesen bildet und wärmt manchmal auch.
Alexander Rathnau