Robert, Roberto und Sahra

Von Null auf…?

Montag
05.08.2024, 13:55 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass eine neue politische Kraft in Deutschland und vor allem in Thüringen die Szenerie so aufmischen würde? Sahra Wagenknecht machte wahr, wovon andere Politiker gern träumen. Das nach ihr benannte Bündnis lässt nicht nur in den ostdeutschen Ländern, sondern auch im Bund die Linke “alt” aussehen. Die nnz traf zwei Kandidaten, die im Landkreis Nordhausen in den zu wählenden Landtag einziehen wollen…

Roberto Kobelt (links) und Robert Henning wollen in den Thüringer Landtag (Foto: nnz) Roberto Kobelt (links) und Robert Henning wollen in den Thüringer Landtag (Foto: nnz)
So ganz unerfahren in der Politik sind Roberto Kobelt und Robert Henning nicht. Der in Jena geborene Architekt hat sein Büro in diesem Jahr in Nordhausen eröffnet und arbeitete zuvor 15 Jahre in Weimar. In Weimar saß der heute 48jährige Kobelt zehn Jahre für die Bündnisgrünen im Stadtrat und von 2014 bis 2019 im Landtag. Er konnte in den zurückliegenden Jahren die Umkehr seiner einstigen politischen Heimat von der Friedenspartei hin zu den ultimative Rüstungsbefürwortern nicht mehr mittragen, gibt er zu Protokoll. Damit einhergehend die nahezu ständige Bevormundung der Menschen, wie sie sich zu artikulieren haben oder wie sie heizen sollen.

Etwas bekannter ist da sein BSW-Mitstreiter Robert Henning in der Region. Der 36jährige ist selbständiger Gastronom und führt in Bleicherode die “Rumpelkiste”, eine Ostalgie-Kneipe mit einem gewissen DDR-Charme. Von 2014 bis 2019 saß Henning für die Linke im Bleicheröder Stadtrat und spürte zunehmend eine Entfremdung von der ursprünglichen Pragmatik der Partei hinzu Positionen eines Großstadtmilieus. Auch die Haltung der Parteispitzen in Berlin oder Erfurt zur Corona-Problematik führten in weg von den einstigen Idealen. Wie ein politisches “Auffangbecken” muss für den Bleicheröder da die Gründung des BSW gewirkt haben. Bei Wagenknecht oder Hupach fühlte er wieder sozial und links statt der Forderung nach noch mehr Waffen für die Ukraine oder der gendergerechten Sprache. Und: Robert Henning ist der erste Funktionsträger des BSW in Deutschland überhaupt, denn seit den Kommunalwahlen am 26. Juni ist er der ehrenamtliche Bürgermeister der Stadt Bleicherode.

Das klare Statement des BSW zur Friedenspolitik, Wagenknecht in Berlin und Katja Wolf in Thüringen sind für Roberto Kobelt Gründe, sich wieder politisch zu engagieren. Unter den rund 80 Mitgliedern, die das Bündnis derzeit hat, seien viele Frauen und Männer, die vorher politisch nicht aktiv waren. Diese Mischung mache es so interessant, zum Beispiel das Diskutieren, der Austausch unter einem gemeinsamen Dach, dass da heißt: wir wollen das Leben der Menschen verbessern.

Immer, wenn in Deutschland eine neue Bewegung auf die politische Bühne tritt, werden die angestammten Akteure nervös und das eingeübte Theater wird abgespult. “Verächtlichmachung, Diskiminierung und - seit einigen Jahren eine neue Nuance - das Stellen in eine populistische und/oder extreme Ecke. Kobelt und Henning wollen sich nicht in diese Ecke stellen lassen, sie haben einfach keinen Bock auf das Hufeisen. Sie haben auch keine Lust mit Menschen Politik zu machen, denen das Parteibuch wichtiger als die Kompetenz ist.

Das BSW hat eine klare Haltung zu den Problemen rund um die illegale Migration nach Deutschland. Die beiden Landtagskandidaten wissen, dass die meisten Probleme nicht im Land oder schon gar nicht in der Kommune gelöst werden. Aber man könne als Bundesland entsprechende Bundesratsinitiativen anschieben und die Kommunen entlasten. Veränderungen müsse es auch beim Bürgergeld geben, mehr Sanktionen gegen die, die könnten, aber nicht wollten: nämlich arbeiten.

Auf Prognosen zur Landtagswahl wollen sich die beiden Männer nicht einlassen. Man werde mit allen Parteien im neuen Landtag reden, ausgenommen die AfD. Die sei zwar demokratische gewählt, aber eben keine demokratische Partei. Wie sich die Zusammenarbeit gestaltet, werde sich zeigen. Drei Bedingungen nennt das Duo: Es müsse grundsätzliche Veränderungen in der Landespolitik geben, eine davon sei mehr Bürgerbeteiligung. Zweitens soll keine Minderheitsregierung die Geschicke der Thüringer bestimmen, drittens muss eine aktive Friedenspolitik über den Bundesrat Priorität haben. Der Krieg in der Ukraine muss beendet werden.
Peter-Stefan Greiner