Wie und wo gelingt Integration in den Arbeitsmarkt?

Von Zahlen und Menschen

Freitag
28.06.2024, 17:30 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Es bleibt das gleiche Lied, das während der Pressekonferenzen der Agentur für Arbeit jeden Monat gesungen wird: Fachkräftemangel allenthalben, demographische Verwerfungen und daraus resultierend noch größerer Fachkräftemangel. Es gilt, die Flüchtlinge und Asylantragsteller in Arbeit zu bringen. So auch in Ilfelds Hotel „Harzparadies“ …

Mirko und Marisol Jüptner strahlen mit der Sonne um die Wette: In ihrem "Harzparadies" haben sie ihre Bestimmung gefunden (Foto: oas) Mirko und Marisol Jüptner strahlen mit der Sonne um die Wette: In ihrem "Harzparadies" haben sie ihre Bestimmung gefunden (Foto: oas)

Die Zahlen der Bürgergeldempfänger in Nordthüringen gehen zurück. Die Zahl der in Arbeit vermittelte Ausländer ist leicht gestiegen. Etwa ein Achtel der Arbeitslosen in Nordhausen sind Ausländer. Aus welchen Ländern sie kommen, wird dabei nicht erfasst, auch nicht die Zahl der tatsächlich in der Region lebenden Ausländer. Die fluktuiert sicherlich. Die Frage, ob die Menschen zurück in ihre Heimatländer gehen oder in andere Bundesländer, kann nicht beantwortet werden. In Nordhausen gibt es verhältnismäßig mehr arbeitslose Ausländer, weil der Landkreis mehr Flüchtlinge aufgenommen hat als beispielsweise der Eichsfeldkreis.

Nordthüringens Arbeitsagenturchef Karsten Froböse benutzt zur Beschreibung der Gesamtsituation ein Bild aus der energiespendenden Natur: „Wir spüren einen demografischen Gegenwind bei ausbleibendem konjunkturellen Rückenwind“, sagt er. Die Zahl der einheimischen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nimmt ab, die der ausländischen nimmt zu. Im Jahre 2021 waren es 111.592 deutsche Beschäftigte in Nordthüringen und 5.948 ausländische, heute sind nur noch 110.428 Deutsche in Lohn und Brot und inzwischen 9.148 Ausländer. Thüringen liegt mit neun Prozent ausländischer Beschäftigter weit hinten im bundesweiten Vergleich. Weniger migrantische Beschäftigte arbeiten nur in den anderen Ostländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

Die Unternehmer der Region sehen aber noch ein weiteres Problem, warum der Ansturm auf freie Stellen und der Nachwuchs in der Lehrausbildung ausbleibt. „Die Rahmenbedingungen für deutsche Arbeiter stimmen nicht“, beklagt Niels Neu, Chef des Nordthüringer Unternehmerverbandes. Er verweist auf den hohen Mindestlohn, der eine zu geringe Spanne vom Hilfsarbeiter zum gut qualifizierten Facharbeiter aufweist und auf das gestiegene Bürgergeld, das viele Unbeschäftigte an der Sinnhaftigkeit einer Arbeitsaufnahme zweifeln ließe, wenn das Amt doch alles bezahlt.

„Wir sollten nicht mir Macht auf ausländische Fachkräfte bauen, sondern uns fragen, was das hohe Bürgergeld für Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat. Und wir sollten nicht nur, auf die Ausländer bauen, sondern auch die eigenen Jugendlichen und Arbeitslosen qualifizieren.“ Neu, der selbst ukrainische Angestellte in seiner Firma beschäftigt, die sich per Sprach-app auf dem Handy mit ihren Kollegen verständigen, hofft auf mehr Interessenten in der Zukunft. „Die Erfahrung zeigt aber auch, dass es einfacher ist, Menschen aus unserem europäischen Kulturkreis in den Arbeitsprozess zu integrieren.“

Grafik (Foto: AA) Grafik (Foto: AA)
Regionaler Lichtblick
Marisol und Mirko Jüptner sind Inhaberin und Geschäftsführer des Hotels „Harzparadies“ in Ilfeld, wo die heutige Pressekonferenz stattfand. Sie gehören zu den Arbeitgebern, die migrantischen Mitarbeitern Chancen eröffnen und sie beschäftigen zwei Geflüchtete aus der Ukraine im Housekeeping ihres Hotelbetriebs. Arbeitgeber und Arbeitnehmer lernten sich in diesem Fall bei einer Messe im Jobcenter kennen. Die HoGa-Messe im März war eine Aktion in Zusammenarbeit zwischen dem Jobcenter Landkreis Nordhausen, der Arbeitsagentur und dem Nordthüringer Unternehmerverband. Sie stand wie viele weitere Aktionen in den Landkreisen im Zeichen des Job-Turbos, der helfen soll, die Misere zu beenden.

Aber auch Marisol Jüptner ist unzufrieden mit den aktuellen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt. „Für die arbeitenden Menschen ist kein wirklicher Mehrwert gegeben“, schätzt sie ein. Man müsse schon viel Enthusiasmus aufbringen, um für die derzeitigen Löhne abends und an den Wochenenden in der Küche oder im Service zu stehen. Viel mehr zahlen kann sie aber nicht, sonst müsste sie die Preise so erhöhen, dass ihre Gäste die nicht mehr akzeptieren würden und ausblieben. Für Marisol Jüptner ist ihre Branche immer auch verbunden mit einem sozialen Aspekt und sie fühlt sich in Ilfeld gut aufgehoben, weil sie vielfältige Anstrengungen der Bürgerschaft sieht, den Ort attraktiver und zukunftssicher zu machen.

Nur wenn die Bedingung in Beruf und Umfeld stimmen, so die Unternehmerin, gibt es eine Chance Fachkräfte zu halten. In ihrem Hotel sind bereits mehrere ausländische Angestellte beschäftigt und sie kann nur übe positive Erfahrungen berichten, erzählt sie. In Zukunft wollen die Jüptners dank Mirkos Berechtigung dazu als Koch auch selbst ausbilden. Zwei Azubis für die Küche sind schon angeheuert. „Natürlich ist es das Allerbeste, selbst ausgebildete Mitarbeiter im Hotel zu haben“, weiß Marisol Jüptner und will alles dafür tun, dass sich die jungen Leute bei ihr und in Ilfeld so wohlfühlen wie sie selbst.

„Wir mögen es hier und sehen gute Perspektiven für den Ort als Touristenmagnet. „Die Gäste kommen gern zu uns und sie kommen wieder!“ Nachdem die Eheleute das Hotel wieder aktiviert haben, suchen sie für ihr „Harzparadies“ nach weiterem qualifizierten Personal. Sie möchten ihr Mittagsangebot erweitern und noch intensiver für die IIfelder und ihre Besucher präsent sein. Die Vollsperrung der B4 ist für Nordhäuser Gäste augenblicklich sehr hinderlich, aber die Hotelchefin blickt optimistisch in die Zukunft. Für sie und ihren gatten ist ihr Beruf Berufung; die beste Voraussetzung für erfolgreiches Arbeiten und ein glückliches Leben.
Olaf Schulze