Mobile Drogenprävention macht Halt in Nordhausen

In den richtigen Zug gestiegen

Montag
03.06.2024, 15:45 Uhr
Autor:
red
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Eine Zigarette unter Freunde, ein Bierchen hier, ein Schnaps da, ein bisschen kiffen und dann weiter zu Crystal, Koks und Heroin - viele „Drogenkarrieren“ haben klein angefangen. Wohin einen die Sucht führen kann, wird diese Woche am Nordhäuser Bahnhof auf ungewöhnliche Art gezeigt…

Das mobile Drogenpräventionsprojekt "Revolution Train" spart nicht mit drastischen Szenen (Foto: agl) Das mobile Drogenpräventionsprojekt "Revolution Train" spart nicht mit drastischen Szenen (Foto: agl)


Silber metallisch lackiert und schwer gepanzert ist das Gefährt, mit dem Pavel Tuma seit 2016 seine ganz persönliche Mission begann. Nach 10 Jahren Vorbereitung rollte der „Revolution Train“ zum ersten Mal durch sein Heimatland Tschechien, um die Jugend landauf, landab vor den Gefahren der Drogensucht zu warnen.

Begonnen hatte die Reise tragisch, schon im Jahr 2000, ein Freund Tumas hatte sich einen „Goldenen Schuss“ gesetzt und starb an einer Überdosis. Der Verlust sollte ein drastischer Schnitt für den jungen Mann werden und entsprechend drastisch fällt auch seine Lösung aus - die im „Revolution Train“ gezeigten Szenen und die eindeutige Symbolik halten sich nicht mit Beschönigungen auf.

So hart das Äußere daher kommt, so weich, so organisch, zeigt sich das Innere des umgebauten Zuges. Man will schockieren, will Unwohlsein erzeugen. Abteil um Abteil arbeiten sich die jungen Besucher durch die Lebensgeschichte einer Gruppe von Jugendlichen, getrennt durch episodische Kurzfilme und die passenden Kulissen. Die reichen von der heimeligen Kneipe mit gut bestückter Bar bis zum tragischen Verkehrsunfall, einer Gefängniszelle und abgewrackter Drogenabsteige. Von der Zigaretten unter Freunden geht es auf einer Tour de Force bis zum bitteren Ende. Die kleinen Filme gewinnen sicher keine Schauspielpreise, sind aber nah genug an der Realität, um effektiv zu sein.

„Wir geben keine Befehle, wir wollen einfach zeigen, was passieren kann. In den kritischen Momenten des Lebens steht meist niemand neben einem, der sagt was nun der richtige Weg ist. Die Entscheidungen, in den richtigen Zug zu steigen, muss jeder selber treffen können. Wir wollen den Kindern und Jugendlichen das Rüstzeug an die Hand geben, um in diesem Momenten die Stärke und das Wissen zu haben, „Nein“ sagen zu können.“, erklärt Tumas.

In seinem Heimatland habe er gesehen, dass in der Primärprävention etwas schief laufe, trotz aller Bemühungen stiegen die Zahlen Jahr um Jahr, sagt der Tscheche. Gute 100.000 Euro koste ein Drogenabhängiger das Land pro Jahr, den Fall in die Sucht von vornherein zu verhindern, wäre also gut angelegtes Geld. Um die präventive Arbeit der Behörden zu unterstützen, bietet das Zugprojekt neben der Wissensvermittlung für den Nachwuchs den Verwaltungen auch eine Reihe an Daten an, die anonymisiert über digitale Fragebögen während des Rundgangs von den Gästen erhoben werden.

Pavel Tuma hat den "Revolution Train" über 10 Jahre hinweg aus- und aufgebaut (Foto: agl) Pavel Tuma hat den "Revolution Train" über 10 Jahre hinweg aus- und aufgebaut (Foto: agl)


Davon hofft man auch im Landkreis Nordhausen profitieren zu können, denn wie anderswo auch muss man für Suchtkranke aller Art tief in den kommunalen Geldbeutel greifen. Suchthilfe und -prävention gehören zu den pflichtigen Aufgaben des Kreises, Kostenpunkt: 442.00 Euro im Jahr. Auf den „Revolution Train“ war man im vergangenen Jahr bei den Nachbarn im Eichsfeld aufmerksam geworden, berichtet Landrat Matthias Jendricke und zeigte sich nach dem ersten Rundgang heute morgen beeindruckt von dem ambitionierten Projekt.

Der Nordhäuser Bahnhof ist nur eine von vielen Stationen, der Sonderzug aus Prag ist inzwischen in vier EU-Ländern unterwegs. Bis Freitag bleiben die Wagons in Nordhausen und laden Schulklassen, gerne aber auch Familien zum gemeinsamen Besuch ein. Die Vormittage sind den Schulen vorbehalten, im Nachmittagsbereich sind auch private Besuche möglich, hierfür ist allerdings eine vorherige Anmeldung dringend nötig. Einen Termin bekommt man über das Landratsamt mit ein paar Klicks einfach online.
Angelo Glashagel