Circus Mühle Kelbra lädt zum Kunstfest

So ein Circus

Mittwoch
01.05.2024, 08:30 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Das Herz zeitgenössischer Kunst schlägt in der Regel eher in den urbanen Zentren, die Venenbahnen der Kultur führen mitunter aber auch bis in die Goldene Aue. Und so kommt es, das es seit einiger Zeit im kleinen Kelbra ein Berliner Künstlertrio mit großen Pläne gibt…

Jana Korb und Hoppe Hopinsky haben in der alten Kelbraer Mühle ihre neue Heimstatt gefunden (Foto: agl) Jana Korb und Hoppe Hopinsky haben in der alten Kelbraer Mühle ihre neue Heimstatt gefunden (Foto: agl)


Wenn Jana Korb und Hoppe Hoppinsky träumen, dann sehen sie vor dem geistigen Auge, was aus der alten Kelbraer Mühle einmal werden kann: im Erdgeschoss ein Café, darüber ein „Bettenlager“ wie in einer Alpenvereinshütte, im Seitenflügel Büros und Verwaltung, Wohnraum im alten Speicher, Proberäume, Werkstätten für Licht, Ton, Kostüme und Druck, eine kleine Bibliothek.

Bis dahin ist der Weg noch weit aber die erste Schritte, aus dem Denkmal ein „Residenzzentrum“ zu machen, sind getan. Hohe Fürsten muss man bei der Begrifflichkeit allerdings nicht erwarten, sondern eine Circusschule, wobei auch dieser Terminus nicht das trifft, was Korb, Hoppinsky und Tobias Stiefel, dem Dritten im Bunde, vorschwebt.

Die drei Berliner hat es in die „Provinz“ getrieben, weil die Hauptstadt zwar viele Möglichkeiten bietet, aber nicht in dem Rahmen, in dem die Künstler es bräuchten. „Natürlich kommt in Berlin die Kunstszene zusammen, auch der Circus. Es gibt unheimlich viele Bühnen, unheimlich viele Künstler, was aber fehlt sind Proberäume, gerade für die freie Szene. Für ein paar Stunden oder auch mal einen Tag findet sich etwas, wer aber ganze Stücke aus- und einarbeiten will, der braucht eher Wochen bis Monate.“, erzählt Jana Korb.

Luftartistin Jana Korb führt durch die alte Mühlenhalle, die bereits für diverse Zwecke von den Künstlern genutzt wird (Foto: agl) Luftartistin Jana Korb führt durch die alte Mühlenhalle, die bereits für diverse Zwecke von den Künstlern genutzt wird (Foto: agl)


Die Luftartistin hatte ihre Zukunft Anfang der 2000er Jahre eigentlich in der bildenden Kunst gesehen, musste jedoch bald feststellen, dass Galeriekultur und Kunstmarkt sie eher abstoßen. Die Freiheit anders Kunst zu machen und die Artistik nicht als Sport sondern als Ausdrucksform zu nutzen, fand sie bei Straßentheater und „neuem Circus“. Die Freiheit Kultur zu bieten, die jeder sehen und erleben kann und die nicht nur ein paar Privilegierten zugänglich ist, hat sie letztlich dazu gebracht, dieser Kunstform hauptberuflich zu folgen und das schon seit 2006.

Hoppe ist von Haus aus "Equilibrist", also jemand der sich auf Kunststücke spezialisiert, die vor allem Gleichgewicht erfordern (Foto: agl) Hoppe ist von Haus aus "Equilibrist", also jemand der sich auf Kunststücke spezialisiert, die vor allem Gleichgewicht erfordern (Foto: agl)


Hoppe, der „Equilibrist“ hat die Passion aus Jugendjahren ebenfalls zum Beruf gemacht, auf Einrad, Hochrad oder Stelzen ist er als „walking act“ auf allerlei Feiern und Festen unterwegs. Außer gutem Gleichgewicht braucht es auch ein Gespür für Slapstick, Komik, Schauspiel, Improvisationstalent und eine ordentliche Prise Erlebnispädagogik ist auch nicht verkehrt. Der dritte im Bunde, Stiefel, ist Artist und Grafikdesigner und arbeitet von Berlin aus für das gemeinsame Projekt.

„Ich habe die anderen da mitgezogen und wir haben uns hier einen Traum verwirklicht“, erzählt Korb. Platz hat man hier jetzt genug, die alte Mühlen bietet ausreichend Raum, um gleich mehreren Ensembles Trainingsmöglichkeiten zu bieten. Das Angebot befindet sich noch im Aufbau, im alten Gemäuer bleibt viel zu tun, Arbeit findet sich hier jeden Tag, aber die Existenz der „Circus Mühle“ hat in der Szene schon die Runde gemacht und mehrere Gruppen und Künstler haben die Möglichkeit zur Einkehr Abseits des Großstadttrubels bereits wahrgenommen. Und es sollen perspektivisch mehr werden, denn neben der Kunstförderung des Landes Sachsen Anhalt und den eigenen Touren und Auftritten bildet die Vermietung der Räumlichkeiten und Ferienwohnungen das finanzielle Standbein des Unterfangens.

„Es gibt nicht viele solcher Residenzzentren und wir haben hier den Vorteil sehr zentral zu liegen, die Anbindungen an den Rest des Landes sind gut. Den Ausschlag hat am Ende aber die Natur gegeben.“, sagt Luftartistin Korb. Man hätte auch ins Wendland gehen können, erzählt sie, aber inmitten der Landwirtschaftsbrache habe man nicht leben wollen. Und die sublime Erhabenheit von Baum und Berg haben schon manch Kreativen zum Kuss der Musen verholfen. Außerdem haben die Gäste im nahen Kelbra vom Bäcker bis zum Einkaufsmarkt alles, was sie brauchen und die Fahrräder für einen kurzen Trip in den Ort oder ins Umland gibt es in der Mühle.

Viel Raum für Ideen - das alte Denkmal in Kelbra bietet das, was die Künstler in Berlin und Umgebung nicht finden können (Foto: agl) Viel Raum für Ideen - das alte Denkmal in Kelbra bietet das, was die Künstler in Berlin und Umgebung nicht finden können (Foto: agl)


Noch einen Punkt sollte man nicht unterschätzen: obwohl etwas weiter ab vom Schuss ist man zwischen Südharz und Kyffhäuser nicht allein. In Kelbra hat man Mitstreiter gefunden, die froh sind, dass sich in der alten Mühle wieder etwas tut und man dem Gebäude nicht länger nur beim Verfall zu sehen muss. Und in Nordhausen hat sich der junge Zirkus Zappelini über die Jahren einen Namen gemacht und ist bestens vernetzt. Mit dem Festival „Blue Balloon“ holt man seit acht Jahren regelmäßig zeitgenössische Artistik in die Region. Auch Jana Korb ist bei den Nachbarn dieses Jahr mit von der Partie und zeigt am 14. Mai ihr Programm #ablebodiesandstones. Auf den ersten Blick geht es dabei um Luftartistik mit schweren Steinen, auf den zweiten um die Last der Verletzlichkeit, Risiko, und Vergänglichkeit. Der „neue Circus“ will und kann mehr bieten als beeindruckende Kunststückchen, in abendfüllenden Stücken vermag man auch aktuelle und zentrale Themen theatral zu verarbeiten, mal ernsthaft, mal verstörend, mal entspannt und humoristisch.

Wer sich selber von den Künstlern und ihrer Mühle ein Bild machen will, der hat am kommenden Wochenende die Chance dazu. Am Freitag und Samstag, den 3. und 4. Mai, lädt die Circus Mühle in der Triftsstraße 36 ganz am Rand von Kelbra zum Tag der offenen Tür und dem 2. „KunstFest Kelbra“. Am Freitag geht es um 18.30 Uhr los, das „bandentheater“ zeigt dann „Verglühende Landschaften, Feeling A: eine Herstory der Wende“. Das dokumentarische Zirkustheater verbindet Musik, Humor und Schlagzeugeinlagen und erzählt dabei Nachwendegeschichten. Die nötigen Lebenserfahrungen dafür haben die Künstler nicht nur in Berlin sondern auch in Erfurt gesammelt, eine gute Basis um danach ins Gespräch zu kommen.

Am Samstagnachmittag geht es ab 14 Uhr auf dem Mühlengelände weiter mit Gabriele Schwab Veloso und ihrer Clownerie am Vertikaltuch unter dem Titel „Engel Gabriel“. Danach verrät die Circusschule „Sauresani“ die Geheimnisse des Zirkus, gefolgt von der Schweizer Straßenshow „This Maag“ und Jana Korb selber, die am Trapez zu Gange sein wird. Wer will darf und kann sich beim Mitmachzirkus selber ausprobieren, außerdem freut man sich auf einen Besuch der Nachwuchs-Akrobatikgruppe aus Kelbra. Am Abend warten dann Wein und Live-Musik von den „Sugar Horses“ auf die Gäste. Der Eintritt ist zu all dem frei und das ist den Künstlern in der Mühle wichtig. Freiheit ist das große Stichwort im Straßentheater, die Freiheit zu tun und auch die Freiheit zu sehen. Kultur für alle, unabhängig vom Geldbeutel. Spenden für den Verein und die Mühle sind aber gerne gesehen. Mehr Informationen zum Kunstfest und der Circus Mühle gibt es auch hier.
Angelo Glashagel