Neue Forschungsergebnisse

Wie die Ur-Thüringer gelebt haben

Sonntag
10.03.2024, 16:02 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Eine Forschungsgruppe aus Thüringen und Sachsen hat neue Erkenntnisse zum Leben der Menschen im deutschen Mittelgebirgsraum während der Bronzezeit. Die Auswertungen geben völlig neue Einblicke in die Gesellschaft dieser Zeit, jubelt man im Thüringer Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie...

Zusammen mit dem Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) Leipzig hat das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) hat in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ Ergebnisse zu Sozialstruktur und Verwandtschaftsgefüge im frühbronzezeitlichen deutschen Mittelgebirgsraum um 2000 v. Chr. veröffentlicht.

Mit Beginn der frühen Bronzezeit in Mitteleuropa (um 2200 v. Chr.) entstand eine stark hierarchische Gesellschaft mit nur wenigen Individuen in Machtpositionen. Diese Anführer oder „Fürsten“ sind anhand ihrer reichen Gräber in großen Grabhügeln, wie dem „Leubinger Fürstenhügel“ zu erkennen. Die soziale Organisation der Bevölkerungsmehrheit der sogenannten nördlichen Aunjetitzer Kultur blieb dagegen bislang weitgehend unklar.

Frühbronzezeitliche Bestattung bei Leubingen  (Foto: TLDA) Frühbronzezeitliche Bestattung bei Leubingen (Foto: TLDA)


Die jetzt erschienene Arbeit ändert dies. Sie verknüpft die genomweiten DNA-Daten von 46 Individuen aus einem nur wenige hundert Meter vom Leubinger Fürstenhügel entfernten frühbronzezeitlichen Gräberfeld und weiteren Gräbern in der Gemarkung Leubingen mit archäologischen, anthropologischen und Strontium-Isotopen-Daten.

Mittels dieses multidisziplinären Ansatzes gelang es unter anderem, fünf Stammbäume zu rekonstruieren, die sich über bis zu vier Generationen verfolgen lassen. Bei den Personen mit enger biologischer Verwandtschaft handelt es sich vor allem um Eltern und deren direkten Nachkommen. Daneben ließen sich Individuen identifizieren, die keinerlei genetische Beziehungen zu den an diesem Ort bestatteten biologischen Verwandtschaftsgruppen haben.

Die Wissenschaftler konnten weiterhin zeigen, dass die Verwandtschaftsbeziehungen der Bestattungsgemeinschaft überwiegend über die väterliche Linie vorliegen: Männliche Nachkommen verblieben größtenteils am Geburtsort, Frauen dagegen zogen bei der Heirat zum Mann. Erwachsene Frauen verließen den Kindheitsort und Frauen von außerhalb kamen in die Gemeinschaft. Wissenschaftlich ausgedrückt wurde in Patrilinearität und Virilokalität bei weiblicher Exogamie gelebt.

Das Gräberfeld diente vermutlich als Bestattungsplatz mehrerer bäuerlicher Hofgemeinschaften mit jeweils einer erweiterten Kernfamilie als Betreiber und wirtschaftlich zugeordneten unverwandten Personen.

Durch eine Analyse der Grabbeigaben in Kombination mit genetischen und Strontium-Isotopen-Daten konnten bei den Toten Unterschiede in der Menge der Grabbeigaben nach genetischem Geschlecht, Sterbealter und lokaler oder äußerer Herkunft festgestellt werden, nicht aber nach der Art der Grabbeigaben, wie Keramikgefäße. Bemerkenswert ist ebenfalls das frühe und regelhafte Auftreten von einfachem Metallschmuck in Frauengräbern.

Der neu erschienene Artikel ist online frei abrufbar:
S. Penske, M. Küßner, A. B. Rohrlach, C. Knipper, J. Novačék, A. Childebayeva, J. Krause, W. Haak: Kinship practices at the early bronze age site of Leubingen in Central Germany. In: Scientific Reports 14, 2024. https://www.nature.com/articles/s41598-024-54462-6