Batteriepioniere aus Nordhausen setzen auf Recycling

Wir müssen weg vom Wegschmeißen

Mittwoch
06.03.2024, 15:22 Uhr
Autor:
red
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Die Batterietechnik hat dank Lithium-Ionen Technologie in den letzten Jahre enorme Fortschritte gemacht ist aber nicht frei von Problemen. Denen könnte man zum Teil mit besserem Recycling begegnen, bisher passiert das aber kaum. Bei den Batteriepionieren der Firma EAS aus Nordhausen würde man das gerne ändern…

Batterierecycling aus Nordhausen (Foto: EAS Batteries) Batterierecycling aus Nordhausen (Foto: EAS Batteries)

Das Handy in der Tasche, der Laptop auf dem Tisch, die kabellosen Kopfhörer im Ohr, das E-Auto auf dem Parkplatz und mitunter sogar der Schiffsantrieb auf hoher See - Lithium-Ionen Akkus sind heute allgegenwärtig. Hätte es die Batterierevolution nicht gegeben, unser Alltag sähe ganz anders aus.

Die Hochleistungsspeicher im Taschenformat haben vieles möglich gemacht, aber die neue Technik kommt nicht ohne Kontroversen daher. Die Herstellung ist energieintensiv und von Rohstoffen abhängig, die nicht ohne ökologische und mitunter auch ethische Probleme gewonnen werden. Beide Fliegen ließen sich mit einer Klappe schlagen, wenn man die Batterien ordentlich wiederverwerten könnte, aber das passiert aktuell nur in zu vernachlässigenden Größenordnungen.

„Eine moderne Lithium-Ionen Batterie kann, je nach Aufbau und Ladepolitik, 10 bis 25 Jahre halten. Danach kommt sie in den Schredder. Plastik und Metall werden noch getrennt, was übrig bleibt ist „Schwarzmasse“.“, erklärt Michael Deutmeyer, Geschäftsführer von EAS Batteries. Mittels Hydrometallurgie lasse sich daraus noch etwas mehr zurückgewinnen, da bewege man sich im Moment aber nur im einstelligen Prozentbereich. Die Rückgewinnung ist in diesen Größenordnungen wirtschaftlich irrelevant, wäre aber Angesichts der nicht zu leugnenden Probleme und Herausforderungen ökonomisch wie ökologisch dringend geboten.

Die Ingenieure der kleinen Nordhäuser Firma halten deutlich höhere Rückgewinnungsraten für machbar. „Eine Taschenuhr zu bauen ist eine hochkomplexe Aufgabe, sie auseinander zu nehmen ist im Vergleich deutlich leichter. Im Kern gilt das auch für die Batteriespeicher. Wenn es uns gelingt, sie so zu gestalten, dass die Produktionsschritte rückwärts abgewickelt werden können, kann deutlich mehr Material zurückgewonnen und nach Aufbereitung auch wieder verwendet werden“, sagt Deutmeyer. Den Nachweis will man mit einem Forschungsverbund aus neun Partnern jetzt antreten.

Michael Deutmeyer ist seit 2015 "Managing Director" bei EAS Batteries (Foto: agl) Michael Deutmeyer ist seit 2015 "Managing Director" bei EAS Batteries (Foto: agl)

Entscheidend ist zum Einen das Design. Bei EAS hat man sich einen Namen mit „Wickelzellen“ gemacht: zwei etwa 10 Meter lange Elektrodenbänder werden als Pol und Gegenpol - Anode und Kathode - aufgewickelt und im Verbund zusammengeschlossen. Die Nordhäuser haben sich auf Hochvoltsysteme für marine Anwendungen spezialisiert, die EAS Batterien kommen in der kommerziellen Schifffahrt zum Einsatz, vor allem in der Personenbeförderung.

Der Vorteil des Batteriedesigns: die Bänder können bei Bedarf einfach wieder auseinandergezogen werden. Kupfer- und Aluminiumfolien lassen sich so schon zurückgewinnen. Kniffliger ist das „auffrischen“ der Aktivmaterialien, also die Wiederherstellung der Leitfähigkeit von Anode und Kathode. Die Krux der Lithium-Ionen-Batterien ist der Leistungsabfall, der sich nach vielen Ladezyklen unweigerlich einstellt. Durch den Stromfluss entstehen in den Kernmaterialien bei jeder Ladung kristalline Strukturen, die über die Zeit die Leitfähigkeit behindern und damit die Leistung einschränken. Die Wiederaufbereitung dieser Stoffe sei bei dem Material für die Anode bereits gut möglich, bei der Kathode komme es darauf an, welches Material verwendet wurde, erläutert Deutmeyer. Es gebe bereits Firmen, die solche Prozesse erfolgreich anwenden und auch bei EAS finden sich für die Stoffe, die man in der Produktion bereits effektiv zurückgewinnen kann, zahlende Abnehmer.

Die zweite Seite der wirtschaftlichen Medaille ist Masse. Erst mit einem ausreichend großen Rückfluss der Batterien aus dem Alltagsbetrieb rechnet sich auch die Wiederverwertung. Spätestens wenn die erste Generation der E-Automobile in Rente geschickt wird, sollte dieser Punkt in greifbare Nähe rücken. Mit der ubiquitären Verbreitung der modernen Akku-Technologie wird auch der Wiederverwertungsdruck steigen, ist sich EAS Chef Deutmeyer sicher. „Bei den alten Bleibatterien erreicht man heute eine Rückgewinnungsrate von bis zu 95 Prozent. In diese Gefilde würden wir auch gerne kommen aber selbst wenn wir nur 50 Prozent Rückgewinnung erreichen, ist das schon um Größenordnungen besser als das, was heute passiert. Die Lithium-Ionen Batterien sind nicht mehr wegzudenken, der einzige Weg sie ökologisch und rohstofftechnisch vertretbar zu machen, ist das Recycling. Energieaufwand und CO2 Abdruck sind viel niedriger und man kann der Verknappung von Rohstoffen wie Kobalt, Nickel und Lithium entgegen wirken“.

Von der Wiege zur Wiege
Allein, die Realität sieht im Moment noch anders aus. Vom „cradle to cradle“ Gedanken, einer echten Kreislaufwirtschaft - also Produktionszyklen, die von der „Wiege zur Wiege“ und nicht vom Fließband zum Schrottplatz führen - wird zwar viel gesprochen, die Industrie ist in den letzten Jahren aber eher in die entgegengesetzte Richtung marschiert. Einen Handyakku kann man, anders also noch vor 20 Jahren, als Laie heute nicht mehr einfach wechseln. Gibt der Akku den Geist auf, muss ein neues Gerät her, der Hersteller freut sich über den Umsatz, die verbauten Rohstoffe landen erst im Schredder und enden mitunter als beigemischte Asche im Straßenbau. Recycling adé, aber wenn kümmert’s solange der shareholder value steigt.

Auch in modernen Fahrzeugen werden die Batterien allzu oft verklebt, kritisiert Wirtschaftsingenieur Deutmeyer, ein einfacher Tausch oder Umbau ist kaum möglich, von den Problemen, die Verbundmaterialien beim Recycling mit sich bringen, ganz zu schweigen. An anderer Stelle werden bewusst Bauteile mit begrenzter Lebensdauer eingesetzt - „geplante Obsoleszenz“ nennt sich der Ansatz, bekannt und angewandt schon seit den 1930er Jahren.

Für Deutmeyer ein „unethisches Verbrechen an der Volkswirtschaft“, ineffizient und für die Gesellschaft unnötig teuer. „Wir müssen weg vom wegschmeißen und wieder zu einer Kultur der Reparatur zurückfinden“, fordert der Ingenieur und sieht durchaus Licht am Horizont. Auf EU-Ebene habe man die Probleme erkannt, es gebe Bewegung in die richtige Richtung. In Deutschland werde dagegen an vielen Stellen noch zu oft gebremst - von der Solarenergie bis zum Atomstrom und der Speicherfrage. Zu viel gehe im Land dagegen, zu wenig werde pro aktiv investiert, statt pragmatische und in der Sache dienliche Entscheidungen zu treffen, gebe die Politik der Ideologie zu oft den Vorzug.

Vom Pionier zum Testlabor
In der Regel blickt man bei EAS aber ohnehin über den deutschen Tellerrand hinaus. Angefangen hat man 1996 als Pionier für die Herstellung von Batterie-Großzellen, einen kleinen Produktionsstrang betreibt man bis heute. Noch immer ist man Vorreiter und kommt im Gegensatz zu manch anderem Hersteller ohne Nickel und Kobalt aus, Expertise in der Kathodenchemie macht’s möglich. Hinzu kommt die Forschung, mit der Universität Braunschweig arbeitet man zum Beispiel im Projekt „NaNaBatt“ an einer Natrium-Ionen-Batterie.

Für das Alltagsgeschäft ist in diesen Tagen aber die Umsetzung von Entwicklungsprojekten bestimmend. Man hat sich zu einer Art Testlabor der Branche gemausert, wer die eigenen Ideen in kommerzieller Größe und Qualität auf Herz und Nieren testen will, der landet schnell bei den Nordhäusern. Das kleine Team aus rund 40 Köpfen betreut Kunden aus der ganzen Welt, vom amerikanischen Start Up bis zum Elektrorennstall in der „Formel E“.

„Wir haben die passende Technik vor Ort und wir verstehen die Zelle in ihrer Komplexität und Dynamik. Die Gesamtkompetenz, die hier zusammenkommt ist ziemlich einmalig“, berichtet der Geschäftsführer. „Der holistische Blick auf die Dinge macht unseren Leuten auch Spaß, wir sind ganz nah dran am Puls der Entwicklungen“, so Deutmeyer weiter, entsprechend niedrig sei die Fluktuation im Haus.

Auch wenn die meisten Kollegen lange bleiben, ist der Bedarf nach frischen Talenten aber nicht gestillt. Sechs Stellen sind aktuell offen, allesamt mit hochqualifizierten Anforderungen, vom Batteriemanagement bis zur Programmierung. Das man in der weiten Welt aktiv ist, aber in Nordhausen sitzt, ist da eher der Historie geschuldet, wobei man mit der Hochschule durchaus auch abseits internationaler Knotenpunkte Standortvorteile sieht. Man ist inhaltlich nah beieinander und kooperiert da, wo es passt. Studenten die ihre Abschlussarbeiten bei EAS schreiben wollen, sind stets gerne gesehen. Themen gibt es für die Batterietechniker heute allemal genug und das dürfte sich in Zukunft kaum ändern.
Angelo Glashagel