Bürgerliste Südharz will in die Breite

Der Faktor X

Freitag
16.02.2024, 15:16 Uhr
Autor:
red
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Bei der letzten Kommunalwahl hielt mit der „Bürgerliste Südharz“ eine neue Fraktion Einzug in den Kreistag. In diesem Wahljahr blickt man auch auf den Nordhäuser Stadtrat. Ziel müsse es sein, die Prioritäten der Politik neu zu setzen…

Wollen für die Bürgerliste Südharz wieder in den Kreistag,v.l.: Jürgen Vopel, Angela Simmen, Kai Buchmann und Kai Liebig (Foto: agl) Wollen für die Bürgerliste Südharz wieder in den Kreistag,v.l.: Jürgen Vopel, Angela Simmen, Kai Buchmann und Kai Liebig (Foto: agl)


Schwarz auf orangenem Feld prangt der Schriftzug auf Schild und Scheibe in der Bäckerstraße in Nordhausen - die „Bürgerliste Südharz“ hat hier vor kurzem ein eigenes Büro eröffnet. Vor fünf Jahren bot man sich mit 16 Mitgliedern den Nordhäuser Wählerinnen und Wählern im Landkreis an und schaffte den Einzug in den Kreistag.

Mit dem kommenden Urnengang Ende Mai möchte man die Präsenz gerne ausbauen, vor allem im Kreisgremium aber auch darüber hinaus. „1989 wurde die DDR zu Grabe getragen und man hat heute den Eindruck, dass das gleiche mit der sozialen Marktwirtschaft geschieht. Da kippt etwas. „Die da oben“, in der Regierung und den Verwaltungen sind der Meinung das Geld zum Wohle der Menschen besser einsetzen zu können, als wir das selber könnten. Und das geht schon im Kreis los.“, sagt Kai Liebig, der die Liste mitbegründet hat.

Nach fünf Jahren sei die Präsenz im Kreistag wichtiger denn je. Man müsse an den Stellen vertreten sein, wo Entscheidungen getroffen werden und hier daran arbeiten, die Diskussionen zurück in die Öffentlichkeit zu holen. Besonderes Augenmerk legt man dabei auf die finanziellen Spielräume der Kommunen. „Viele Gemeinden haben eigene Pläne, die sie gerne verfolgen würden, aber keine Luft, um sie auch umzusetzen, die Großprojekte im Kreis blockieren da viel“, sagt Liebig. Insbesondere bei den Schulinvestitionen passiere zu wenig, zu oft würden wichtige Vorhaben auf die lange Bank geschoben. In Ilfeld müsse man weiter auf den Neubau der Grundschule warten, an anderer Stelle seien Brandschutzmaßnahmen dem Rotstift zum Opfer gefallen.

Die Schul- und Kreisumlage sind ein weiterer Stachel im Fleisch der Bürgerliste. Zuletzt sank zwar die Schulumlage um den gleichen Satz wie die Kreisumlage stieg, genau dieser Mechanismus trifft aber die größte und wirtschaftsstärkste Kommune der Kreises, die Stadt Nordhausen, da die selber Schulträger ist und von dem Ausgleich nicht profitiert.

Ziel müsse es sein, die Kreisumlage wenn nicht gar zu senken so doch zumindest einen weiteren Anstieg zu vermeiden, unterstreicht auch Angela Simmen, Bürgermeisterin der weiterhin eigenständigen Gemeinde Görsbach. Mit dem Griff ins Gemeindesäckel würden die Spielräume stark eingeschränkt. Gleichzeitig sorgt man sich aber auch über kommende Haushalte, denn Bedarfszuweisungen des Freistaates wird es nach dem Ende der Haushaltssicherung nicht mehr geben.

Der Landkreis müsse in Zukunft in der Lage sein, Projekte auch aus eigener Kraft und eigenen Mitteln zu stemmen und dabei mit „finanzieller Nachhaltigkeit“ auch „Resilienz“ für Widrigkeiten aufbauen, führt Kai Liebig weiter aus. Da der Kreis über keine eigenen Steuereinnahmen verfügt, muss sich die Haushaltsführung auf die Kommunen, also die ungeliebte Kreisumlage stützen, die man in der Runde gerne niedrig halten würde. Im Moment sei es schwer vorstellbar, wie der Kreis einen Haushalt für 2025 aufstellen soll, sagt Kai Buchmann. Der Nordhäuser Oberbürgermeister ist über die Bürgerliste auch Mitglied im Kreistag.

Die Zukunft werde schwere Entscheidungen mit sich bringen, das Ende der Haushaltssicherung eröffne der Verwaltung aber auch neue Spielräume, da nicht jede Maßnahme von übergeordneter Stelle genehmigt werden muss, erklärt Buchmann und spricht aus Erfahrung - der städtische Haushalt ist seit 2019/20 raus aus der Konsolidierung.

Bürgerliste will in den Stadtrat
Die Stadt Nordhausen, in der immerhin die Hälfte der Kreisbewohner lebt, sei im Kreistag unterrepräsentiert, deswegen sei es richtig und wichtig gewesen, 2019 über die Bürgerliste in den Kreistag zu ziehen. Im Stadtrat verfügt Buchmann über keine eigene Fraktion und damit fehlt es ihm hier mitunter an Rückhalt. Das soll sich mit der kommenden Kommunalwahl ändern, die Bürgerliste will dann auch Kandidaten für den Stadtrat ins Rennen schicken und ihrem OB den Rücken stärken. Konkrete Namen mag man aktuell keine nennen, noch will man sich ein wenig Zeit lassen, erklärt Liebig, die ehrenamtliche Arbeit sei aufwendig und man wolle potentielle Kandidaten möglichst nicht doppelt in Anspruch nehmen. Eine Liste werde es geben, versichert man heute in der Bäckerstraße, und zumindest die Aufstellung für den Kreistag wird über die 16 Vorschläge aus 2019 hinausgehen.

Neben dem Nordhäuser Gremium würde man sich auch eine weitere Präsenz in der Breite freuen, allein für einen aktiven Vorstoß fehlt es noch an personeller Kraft. Man sei aber dafür offen, Einzelpersonen bei ihrer Bewerbung für Ortsgremien zu unterstützen. Der Schritt hinaus aus dem Kreistag will man mit der Präsenz im Herzen der Kreisstadt untermauern. Das Büro der Bürgerliste habe man bisher vor allem als Arbeits- und Versammlungsraum für die Fraktion genutzt, berichtet Liebig, in Zukunft will man hier auch eine Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger schaffen. Jeweils Dienstag und Donnerstag wird das Büro von 15 bis 17 Uhr geöffnet und von Jürgen Vopel betreut.

Als Ansprechpartner für die Anliegen der Bürgerschaft will man präsent sein und hofft auch neue Mitstreiter zu finden, die sich gerne politisch engagieren wollen, ohne in eine Partei einzutreten. Als Partei im klassischen Sinne versteht man sich selber nicht, Hierarchien und nach Verdienst vergebene Posten soll es nicht geben, auch der Fraktionszwang falle weg. Die Geschicke des Kreises müssten aus der Mitte der Gesellschaft heraus bestimmt werden, nicht von Parteifunktionären, sagt Liebig. „Die Bürgerliste Südharz will die Prioritäten neu setzen und im Kreistag nicht einfach nur abnicken. Deswegen gehen wir nochmal eine Runde.“, wirbt auch OB Buchmann. Gesucht seien Leute, die mitreden und mitdenken können und Entscheidungen in normalen Menschenverstand treffen.

Wie hoch das Wählerpotential der „Bürgerliste“ ist, lässt sich nur schwer einschätzen, dafür ist die Gemengelage in der großen Welt wie im kleinen Nordhausen in den letzten Jahren zu vielschichtig. Das es Überraschungen geben kann, hat die OB-Wahl im letzten Herbst gezeigt und so ist es nicht Unvorstellbar, dass die Bürgerliste ein „Faktor X“ bei der Kommunalwahl werden kann. Gewählt wird am 26. Mai, die finalen Kandidatenlisten müssen im April stehen, auch die der Bürgerliste.
Angelo Glashagel