Stellungnahme des Suchthilfezentrums

Was wenn Cannabis legal wird?

Mittwoch
14.02.2024, 07:00 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Seit Jahren werden die erhofften Vor- und befürchteten Nachteile der Cannabislegalisierung in Deutschland diskutiert. Nun gibt auch das Nordhäuser Suchthilfezentrum der Diakonie eine eigene Einschätzung zur Legalisierung...

Befürworter argumentieren, dass der Staat durch die Legalisierung von Cannabis zusätzliche Steuereinnahmen gewinnt, welche er dann (zum Teil) für die Prävention und Behandlung von Suchterkrankungen verwenden kann. Darüber hinaus würde der Schwarzmarkt eingeschränkt und die Verfolgungsbehörden entlastet. Der Konsum von Cannabis müsste dann nicht mehr verfolgt werden. Bis jetzt ist auch der Konsum nicht legal, was oft falsch dargestellt wird. Sofern es sich um eine geringe Menge handelt, die nur zum Eigengebrauch bestimmt ist, soll von der Strafverfolgung abgesehen werden.

Grundlage ist Paragraph 31a des Betäubungsmittelgesetztes, in dem die Voraussetzungen für die Einstellung eines Verfahrens genannt werden. Die Annahme, dass jeglicher Besitz geringer Mengen Cannabis legal sei, ist falsch. Ein weiteres Argument bezieht sich auf die staatliche Überwachung der Produktqualität. THC Gehalt und Reinheit der Cannabisprodukte wäre standardisiert und dem potentiellen Käufer bekannt.
Trotz dieser Argumentation stehen wir der geplanten Legalisierung, aufgrund unserer jahrelangen Erfahrung, skeptisch gegenüber.
Schon bei der Einführung des Glücksspielstaatsvertrages wurde behauptet, dass die erwarteten Steuermehreinnahmen aus dem Glücksspiel, auch für die Suchtprävention und Suchthilfe verwendet werden sollen. Bisher haben wir davon nichts gemerkt. Ob der Schwarzmarkt eingedämmt wird bleibt auch dahingestellt. Wir denken, dass der illegale Handel sich anpassen wird.

Cannabis wird dann, wie jetzt schon bei Zigaretten, immer unter dem staatlich festgelegten Verkaufspreis angeboten werden. Cannabis wird evtl. sogar billiger zu haben sein. Auch werden die „Kundenwünsche“ was die Wirkung des Cannabis anbelangt, eher aus dem Schwarzmarkthandel bedient. Wir registrieren seit Jahren, dass der THC Gehalt von Cannabisprodukten steigt. Klienten berichteten uns wiederholt, dass sie irgendwann vom Marihuana auf Haschisch umgestiegen sind und vom Joint Rauchen auf Bong Rauchen, weil die Wirkung mit der Zeit nachließ und sie den anfänglichen Rausch suchten. Durch die Legalisierung werden neue Kundengruppen erschlossen, die jetzt noch, aufgrund der Illegalität, zurückhaltend sind.

Alle Statistiken aus der Suchthilfe zeigen, dass die legalen Drogen Nikotin (120 000 Sterbefälle im Jahr) und Alkohol (50 000 Sterbefälle im Jahr), die höchste Verbreitung haben und die größten gesundheitlichen, wie gesellschaftlichen Folgen mit sich bringen. Wir hoffen nur, dass die Legalisierung einer weiteren Droge, nicht ähnliche Folgen haben wird. Vor allem aber erleben wir jetzt schon in den Gesprächen mit Jugendlichen, dass die Legalisierung zu einer weiteren Verharmlosung von Cannabis führen wird. „Wenn es legal ist, kann es nicht schlimm sein“. Vom Cannabis stirbt man nicht, im Gegensatz zum Alkoholmissbrauch, das stimmt. Cannabis macht nicht aggressiv, auch das stimmt. Die Langzeitwirkungen des Cannabiskonsums, welche uns jeden Tag begegnen, sind aber weniger bekannt.

Die Entwicklung einer Abhängigkeit, kognitiver Leistungsabfall, das erhöhte Risiko einer psychischen Erkrankung, wie Schizophrenie oder psychotisches Erleben und vor allem das „Steckenbleiben“ der eigenen Persönlichkeitsentwicklung macht Sorge. Natürlich wissen wir, dass der Cannabiskonsum unter Jugendlichen fast schon zur Normalität geworden ist. Die staatliche Freigabe würde dies aber weiter fundamentieren. Wir können nur hoffen, dass sich unsere Befürchtungen nicht realisieren. Auch die Bewertung der Erfahrungen aus den Ländern, welche die Legalisierung bereits vorgenommen haben ist sehr unterschiedlich, je nachdem ob man „das Glas halb voll oder halb leer“ sieht.
Dirk Rzepus
Leiter des Suchthilfezentrums der Diakonie in Nordhausen