Nordhausen und seine künstlerischen Werke (9)

Die Käthe-Kollwitz-Plastik aus Bronze

Sonntag
28.01.2024, 20:30 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Eines der wichtigsten Kunstwerke in Nordhausen ist die lebensgroße Bronzestatue der weltweit anerkannten Künstlerin Käthe Kollwitz, 1867-1945, geschaffen von Anke Besser-Güth. Heidelore Kneffel hat sich sowohl mit dem Werk als auch mit seinem Gegenstand näher befasst...

Vor einiger Zeit erlebte ich die Figur nur mit ihrem Kopf, der aus einer hochgewachsenen Hecke herausragte. Diese wurde gestutzt und die Plastik ist nun wieder vollständig zu sehen. Bei freistehenden Standbildern handelt es sich um dreidimensionale Werke, die man umschreiten sollte.

Kollwitz schaut (Foto: Heidelore Kneffel) Kollwitz schaut (Foto: Heidelore Kneffel)

DER BESONDERE BLICK


Die Mehrzahl ihrer Lebenszeit verbrachte die Kollwitz mit ihrem Mann in Berlin, einem Arzt, der sich insbesondere der Menschen annahm, die sich keine ärztliche Betreuung leisten konnten. Die Künstlerin erfuhr fast täglich, wie es den oft kinderreichen proletarischen Familien erging. So waren es vor allem diese Kinder und ihre Mütter, die sie in ihrer schwarz-weiß-Kunst überzeugend darstellte. Diese Frau ist eine der angesehensten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, die Spannweite ihres Schaffens in der Grafik und Plastik ist umfassend. Neben dem Thema, das ich bereits beschrieb, sind es historische Themen, in denen sich unterdrückte Menschen gegen die Willkür der Herrschenden auflehnen, das Leben an sich, die Liebe, der Tod. Viele Bildnisse zeigen sie selbst und ihre Familie und Freunde.

Wieso taucht in ihrem Leben die Kleinstadt Nordhausen auf? Hier lebte seit 1909 die Arztfamilie des Sozialdemokraten Dr. Karl Schultes, die Kinder wuchsen kulturnah auf und eines von ihnen, Margret, fühlte sich dann zur Kunst hingezogen, war selbst Künstlerin. Als sie erfuhr, dass die von ihr verehrte Kollwitz, deren Mann verstorben war, erkrankt war und unter den Bombardierungen Berlins sehr litt, auch um ihre in der Wohnung aufbewahrten Kunstwerke bangte, lud sie diese brieflich nach Nordhausen ein in das Haus „Am Hagentor 2“.

Das Käthe Kollwitz Haus vor dem Hagen (Foto: Heidelore Kneffel) Das Käthe Kollwitz Haus vor dem Hagen (Foto: Heidelore Kneffel)

„KÄTHE-KOLLWITZ-HAUS“ AN DER STADTMAUER/PROMENADE

Diese zögerte anfangs, ließ sich dann doch überzeugen und kam am 3. August 1943 mit Begleitung in einem überfüllten Zug in der Südharzstadt an. „… ich bin bis Nordhausen geflohen.“, heißt es in einem ihrer zahlreichen Briefe, die sie von hier verschickte. Der erste, der von diesem Aufenthalt in der Zeitung berichtete, war im Januar 1946 der Dichter Rudolf Hagelstange nach seiner Rückkehr aus dem Krieg. Die Kollwitz unterstützte Margret Böning, geb. Schultes, in Nordhausen in ihrem künstlerischen Schaffen, saß ihr z. B. Modell für die Darstellung ihres Kopfes, der anerkannt und ausgestellt wurde.

Käthe Kollwitz in Nordhausen (Foto: Heidelore Kneffel) Käthe Kollwitz in Nordhausen (Foto: Heidelore Kneffel)

FOTOGRAFIE DER KOLLWITZ IN NORDHAUSEN

Vor dem Hagentor erlebte sie am 8. Juli 1944 ihre letzte Geburtstagsfeier. Margret sang ihr frühmorgens am Bett mit ihren zwei kleinen Kindern ein Ständchen, brachte Blumen, es gab selbstgebackenen Kuchen – im Kriegsjahr ein Ereignis. Da die Luftangriffe zunahmen, holte sie der kunstsinnige sächsische Prinz Ernst Heinrich mit Zustimmung des Sohnes der Kollwitz am 22. Juli 1944 nach Moritzburg, wo sie am 22. April 1945 starb.
Nach dem Krieg nannte man in Nordhausen die Promenadenstraße in Käthe-Kollwitz-Straße um. In einem Schreiben vom 22. Dezember 1967 wird auf den Neubau einer zweizügigen polytechnischen Oberschule in Nordhausen, Nebelung- /Köllingstraße, verwiesen, der Käthe-Kollwitz-Schule in der Wilhelm-Nebelung-Str. 44. Sie sollte mit zwei Kunstwerken ausgestattet werden, der „Kunst am Bau“.

Diese künstlerische Gestaltung wurde von der Erfurter Künstlerin Anke Besser-Güth und ihrem Mann Siegfried Besser übernommen. Er schuf aus farbigen Kacheln zwischen den gläsernen Eingangstüren ein Wandbild, sie sollte eine Plastik von der Kollwitz gestalten. Als Vorbild wählte sie eine ihrer grafischen Selbstdarstellungen.

Geboren wurde Anke Güth 1940 in Erfurt, studierte an der Hochschule für Bildende Kunst in Dresden bei dem anerkannten Bildhauer Walter Arnold. Beim Studium lernte sie ihren Mann Siegfried Besser kennen. Sie wurde selbstständig, war in der DDR Mitglied des Verbandes Bildender Künstler. Ihre bildhauerischen Werke waren (sind) in Erfurt, Weimar, Nordhausen Gera, Eisenach, Pöhl und Waren ausgestellt. Die Familie zog 1996 nach Mecklenburg. Sie starb 2019 und ist in Waren/Müritz begraben. Auf ihrer Traueranzeige wird eine Plastik von ihr gezeigt: ein weiblicher Eulenspiegel, auf einem Podest sitzend, über einem Eselskopf, der in ein aufgeschlagenes Buch schaut!

Zurück zu ihrer Kollwitzfigur in Nordhausen. Ursprünglich stand diese vor einer halbrunden Mauer des Eingangsbereiches zum Schulgelände mit der Aufschrift „POS Käthe Kollwitz“, als man der Schule am 2. Oktober 1969 den Namen der Kollwitz verlieh.

Eingangsbereich der Schule, Skizze (Foto: Heidelore Kneffel) Eingangsbereich der Schule, Skizze (Foto: Heidelore Kneffel)

SKIZZE DES EINGANGSBEREICHES DER SCHULE

1971 wurde die Plastik für eine Kunstausstellung abgebaut und nach Gera gebracht. Am 10.10.1973 teilte der damalige Direktor der Schule der Abteilung Volksbildung in Nordhausen mit, dass die Plastik nach 2 Jahren zurückgekehrt wäre. Man hatte von Erfurt von der Abteilung Kultur die Zusage, dass man für den Wiederaufbau sorgen und die Wand mit Natursteinen aufmauern würde.

Kollwitz Plastik auf dem Schulgelände (Foto: Heidelore Kneffel) Kollwitz Plastik auf dem Schulgelände (Foto: Heidelore Kneffel)

KÄTHE-KOLLWITZ-PLASTIK AUF DEM SCHULGELÄNDE

Anke Besser-Güth schlug damals vor, auf die Wand in Metallbuchstaben den von Käthe Kollwitz geliebten Goethespruch „Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden“, aufzutragen. Diese Aussage war sehr wichtig für die Künstlerin, denn im ersten Weltkrieg fiel einer ihrer Söhne und im zweiten ihr Enkel, beide mit dem Namen Peter.

Christa Roland in Weimar wurde mit der Ausführung des Schriftbandes beauftragt. Die Bronzeplastik jedoch wurde nicht mehr vor der Wand platziert, sondern freistehend auf einer Grasfläche in der Nähe der Spruchwand auf einem Sockel aufgestellt, der nun nach den Jahren dem Kunstwerk nicht mehr gerecht wird. Auch die Umpflanzung mit einer Hecke sollte überdacht werden.
Heidelore Kneffel