Herder-Gymnasiasten im ältesten Literaturarchiv Deutschlands

Schreiben und Siegeln wie vor zweihundert Jahren

Dienstag
16.01.2024, 09:23 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Die Vorstellungen, die die meisten Teilnehmer im Vorfeld von einem Archiv, gerade bezüglich der Lage, des Baus und der Innenausstattung hatten, standen im deutlichen Kontrast zu dem, was sich den Gymnasiasten schon auf den ersten Blick bot...

Die Klassen 10.2 und 10.5 im Foyer des Literaturarchivs (Foto: Heike Roeder) Die Klassen 10.2 und 10.5 im Foyer des Literaturarchivs (Foto: Heike Roeder)

Ein imposanter, vornehmer Massivbau im Renaissancestil der Goethezeit, an das kleine Trianonschloss in Versailles erinnernd, das sich über der Stadt sowie dem Residenzschloss erhebt und von dem der Besucher einen imposanten Blick auf Weimar freigibt. Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach ließ dieses 1889 eigens für die Aufnahme der wertvollen Handschriften von Goethe und Schiller errichten. Heute verwahrt das Archiv mehr als 130 Nachlässe von Schriftstellern, Gelehrten, Philosophen, Komponisten und bildenden Künstlern, 14 Archive von Verlagen, Vereinen und literarischen Gesellschaften und würdigt damit das Kulturgut.

Während der Fachexkursion erfuhren die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 10 und 12 Wissenswertes über das Gebäude, die Nutzung und die Sammlungen. Die Ausstellung „Mit fremder Feder“ bot einen Einblick in Fälschungen diverser Handschriften Friedrich Schillers im 19. Jahrhundert. Dabei wurde den Teilnehmern und Teilnehmerinnen bewusst, welchen Wert die Handschriften/Briefe als Ausdrucks- und Verständigungsmittel bis heute besitzen.
Besonderes Interesse galt den Schriften des Namensgebers der Schule, Johann Gottfried Herder.

Kinderbriefe, Glückwünsche, Urkunden, Notizen, Mitteilungen an Goethe und originale Zeichnungen wurden mit Hilfe der bis Mitte des 20. Jahrhunderts gängigen Verkehrsschrift im deutschsprachigen Gebiet entschlüsselt. Dazu wendeten sich die Gymnasiasten dem Alphabet der Kurrentschrift zu, lasen die Texte und fertigten selbst Neujahrsgrüße an. Das entstandene Schmuckblatt wurde entsprechend historischer Vorgaben gefaltet und das Schriftpaket abschließend mit Wachs versiegelt. Anhand verschiedener Siegel Die praktische Arbeit bereitete viel Freude In dem Workshop lernten die Schülerinnen und Schüler die Briefkultur sowie das Briefzerimoniell des 18. und 19. Jahrhunderts kennen.



Die Briefkultur des 18. und 19. Jahrhunderts scheint auf den ersten Blick Welten entfernt von der digitalen Kommunikation in den Social Media der Gegenwart. Historische Korrespondenzen, die über Einzelbriefwechsel hinausreichen und das korrespondierende Umfeld mit einbeziehen, weisen, was ihre Funktionen betrifft, jedoch deutliche Parallelen mit den digitalen Kommunikationsmöglichkeiten und den Social Networks der Gegenwart auf. So stehen Korrespondenzen und soziale Medien damals wie heute im Dienst von Gruppen- und Gemeinschaftsbildung.
Heike Roeder