Nur wenige Demonstranten kamen zur Kundgebung

Stiller Protest vorm Landratsamt

Mittwoch
22.11.2023, 17:20 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Nachdem die Absicht der Thüringer Landesregierung bekannt wurde, in Nordhausen und dort mutmaßlich in der ehemaligen Tabakfabrik Asylsuchende unterzubringen, sind zwei Tage vergangen. Für heute Nachmittag war eine erste Kundgebung avisiert. Die nnz war dabei …

Versammlung vor dem Landratsamt heute Nachmittag (Foto: A.Glashagel) Versammlung vor dem Landratsamt heute Nachmittag (Foto: A.Glashagel)

Es ist ein imposantes Backsteingebäude im typischen Industriestil der Gründerjahre und besteht aus Kontor-und Fabrikgebäuden, die von einer Mauer umgeben sind: die alte Tabakfabrik der Firma Kneiff. Die gebrochene Volutengiebel am Hauptgebäude, der nördliche Treppenturm und der aufwändige Fassadenschmuck mit figürlicher Ornamentik zeichnen das Ensemble ebenso aus wie die Segmentbogenfenster, Dreieckgiebel sowie Rundbögen und machen es zu einem Kleinod der Industriegeschichte und -architektur.

Als der erfolgreiche Nordhäuser Fabrikant Kneiff im Jahre 1894 seine neue Produktionsstätte für Tabak eröffnete (nach einer Bauzeit von nicht einmal zwei Jahren!), hätte er sich wohl nicht träumen lassen, dass die Anlage einst als Arbeits- und Finanzamt dienen würde und noch später gar zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebaut werden könnte.

Letzteres haben sich auch viele aktuelle Nordhäuser bis vor kurzem nicht vorstellen können, doch das dröhnende Schweigen der Verantwortlichen in der Thüringer Landesregierung, dem Landratsamt und der Stadtverwaltung geben dem Gerücht weitere Nahrung, die großzügige Anlage soll zu einer möglichen neuen Thüringer Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) umgestaltet werden und zukünftig bis zu 500 Asylantragstellern eine erste Herberge auf deutschem Staatsterrain bieten.

In Nordhausen wurde die Nachricht unterschiedlich aufgenommen. Während ein Teil der Bürgerschaft die Idee sofort ablehnte, konnten einige andere Bürger in den sozialen Netzwerken oder auch in den Kommentarspalten unserer Zeitung die Aufregung über eine mögliche EAE in ihrer Heimatstadt nicht verstehen.

Eine Petition im Internet mit dem Titel: „Verhindern Sie die Errichtung einer EAE - Erstaufnahmeeinrichtung in Nordhausen" wurde binnen zwei Tagen von knapp 6.500 Menschen unterzeichnet. Zur Begründung führt die Initiatorin an: „Die Errichtung einer solchen Einrichtung würde das Leben der Menschen hier grundlegend verändern. Unsere Steuergelder sollten dazu verwendet werden, ein sicheres und geordnetes Deutschland zu gewährleisten, nicht zur Unterstützung von Maßnahmen, die unsere Gemeinschaft bedrohen könnten.“

Gestern Abend fand auch ein Aufruf in den sozialen Netzwerken zu einer ersten Protestkundgebung vor dem Landratsamt den Weg in die nnz-Redaktion. Um 16 Uhr sollte die Versammlung an der Grimmelalle bzw. in der Beringstraße beginnen. Reichlich 80 Personen fanden sich zu dieser Uhrzeit in kleinen Grüppchen ein, bis 17 Uhr gesellten sich noch einige dazu. Dann war im Plenarsaal des Landratsamtes eine öffentliche Sitzung des Integrationsbeirates des Kreises angesetzt, in der es thematisch um einen „Spurwechsel für abgelehnte Asylsuchende“, die Müllentsorgung in der Halleschen Straße und die Situation der unbegleiteten Minderjährigen bei der Familienzusammenführung gehen sollte. Kurz nach fünf teilte das ein Mitarbeiter des Landratsamtes den vor dem Gebäude Wartenden genau so mit und erklärte, es ginge im Ausschuss definitiv nicht um die Einrichtung der EAE. Damit war die erste kleine Demonstration gegen die Umwidmung der Tabakfabrik auch schon beendet.
Olaf Schulze