Geologische Untersuchungen am Erdfall werden vorgesellt

Welche Gefahren birgt der Nordhäuser Untergrund?

Freitag
10.11.2023, 13:08 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Im Jahr 2016 tat sich am Rande Salza die Erde auf und hinterließ einen Krater von rund 40 Metern Breite, hohe Schäden und viele Fragen. Einige davon hoffen Geologen nun beantworten zu können, ein Zwischenbericht zum Zustand des Nordhäuser Untergrund wird morgen im Ratssaal vorgesellt...

Der Erdfall am Salzagraben im März 2023 (Foto: Andreas Liesegang) Der Erdfall am Salzagraben im März 2023 (Foto: Andreas Liesegang)


Anno domini 1710, ein Apriltag in Nordhausen. Kurz hinter Krimderode passiert ein Fuhrmann samt Gespann gerade die Zorge, als die Erde zu beben anfängt. Vom Schrecken gepackt muss der Mann mit ansehen, wie „sich die Erde an fünf Orten von einander riss, der Erdfall große Stücken verschlang und selbst den Strom verschluckte, welcher auch gegen 1 Stunde ausblieb. Auf der benachbarten Wiese aber, wo eben noch ein Schäfer seine Schafe hütete, stiegen zwei große Wasserstrudel, fast wie ein Haus hoch, in die Höhe, warfen mit großen Brausen einige mit samt den Wurzeln ausgerissene Bäume empor und schleuderten dieselben eine bedeutende Strecke weit fort.

Dieser 300 Jahre alte Augenzeugenbericht hat Eintrag in die Nordhäuser Stadtchronik gefunden und wer sich ein wenig auskennt, der hat vielleicht erkannt dass sich an der hier beschriebene Stelle auch heute die Erde noch mitunter merklich abgesenkt. Auch an andere Stelle berichten Geschichten und Sagen vom unberechenbaren Boden des Südharzes und manche Naturschönheit hat so ihren Anfang genommen, sei es der "Rüsselsee" in Appenrode, die Ellricher „Pontelteiche“, der Tanzteich bei Niedersachswerfen, oder das „Grundlose Loch“ bei Salza.

Die Geschehnisse vom 19. Februar 2016 werden ebenfalls Eingang in die Chroniken finden. Da tat sich am Abend, kurz nach 20 Uhr, am Salzagraben erneut die Erde auf und hinterließ ein 40 Meter großes Loch, welches prompt die Hälfte eines Gebäudes verschluckte. Rund 60.000 Tonnen Gestein verschwanden im Untergrund, leicht löslicher Gips, ausgespült vom Wasser.

Die „Katastrophe beim Katastrophenschutz“ sorgte damals für einige Aufmerksamkeit, von interessierten Studenten der Geologie bis hin zu internationalen Filmteams sah man viele Besucher. Inzwischen aber ist es ruhig geworden, am Rande der Stadt gelegen sind das Loch und die Ruinen nicht eben ein Alltagsanblick. Dass es 2021 zu einem weiteren Nachbrechen der Böschung des Erdfalls kam und auch das zweite Gebäude in Teilen ein Raub der Tiefe wurde, ging mehr oder minder lautlos über die Bühne.

Der Vorfall zeigt aber, dass am Loch und im Untergrund weiter Bewegung ist und im Nordhäuser Rathaus hat man in der Folge beim Thüringer Umweltministerium (TLUBN) um Hilfe gebeten. Denn wie weit die kritischen Gebiete reichen, ist unklar. Problematisch sind die Gipsschichten, die zu den großflächigen Auswaschungen und damit zu plötzlichen Erdfällen führen können. Etwa bis Niedersachswerfen verlaufen diese noch gut sichtbar oberirdisch, fallen danach aber gen Süden in tiefere Erdschichten ab. Um Klarheit zu schaffen, führte das Ministerium eine Kernbohrung bis in 474 Meter Tiefe durch, und führte im Grundgebirge nahe dem Erdfall geophysikalische Messungen mittels Bohrlochseismik durch. Auch die Oberflächenseismik wurde in und um Salza auf 20 Kilometer Länge untersucht. Dafür musste man sich einige Zeit nehmen, die Untersuchungen erfolgten auf Grund ihrer Besonderheit und Komplexität bis in die erste Jahreshälfte 2023, teilt das Ministerium mit.

Die ersten Arbeitsergebnisse werden am morgigen Samstag um 10:00 Uhr im Ratssaal des
Bürgerhauses durch das auf Geologie und Georisiken spezialisierte Team des TLUBN bestehend aus Dr. Christian Dumperth, Frank Hühne und Ina Pustal, öffentlich vorgestellt. Man werde Einblicke in die Strukturerkundung geben und erste Strukturmodelle des Untergrundes vorstellen, heißt es aus dem Ministerium, am abschließenden Ergebnisbericht der auch Gefahrenhinweise enthalten werde, arbeite man weiter mit Hochdruck.

Interessierte Bürger sind herzlich eingeladen an der Veranstaltung teilzunehmen und wer sich geologisch schon mal ein wenig vorbilden möchte, dem sei dieser Beitrag aus dem Jahr 2016 ans Herz gelegt.
Angelo Glashagel