NABU Sachsen-Anhalt lehnt Windkraft im Wald strikt ab

Windkraft im Wald schadet Lebensraum und dem Klima

Freitag
27.10.2023, 13:11 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Der schnelle Ausbau der regenerativen Energien ist notwendig, um den Klimawandel zu stoppen und Abhängigkeiten von Kohle, Öl und Gas zu beenden. Das ist gesamtgesellschaftlicher Konsens und wird auch vom NABU seit langem gefordert...

Grafik zur Planung der Windkraftanlage am Auerberg (Foto: NABU) Grafik zur Planung der Windkraftanlage am Auerberg (Foto: NABU)

Zum Wie und Wo der Ausbau der Regenerativen erfolgen sollen, bestehen jedoch große Meinungsverschiedenheiten. Nun soll eine große Anlage im Harz an der Grenze zum Landkreis Nordhausen entstehen.

Der NABU Sachsen-Anhalt stellt mit großer Sorge fest, dass ein natur- verträglicher Ausbau aktuell von großen Interessenverbänden und der Politik torpediert wird. Abstriche an den Untersuchungen zur Umwelt- und Artenschutzverträglichkeit (Planungsbeschleunigung) und die Öffnung sensibler Naturräume und Schutzgebiete sieht der NABU äußerst kritisch.

Aktuelle Diskussionen und Forderungen der großen Waldbesitzer bringen das jahrelang bestehende Verbot des Ausbaus der Windkraft in unseren Wäldern ins Wanken. Neue Einnahmequellen, wie Windkraftanlagen im Wald, sollen genutzt werden, um die jahrzehntelang geförderten monotonen – und nun zusammenbrechenden – Wirtschaftswälder zu sanieren und den Wert der Besitztümer damit zu wahren. Es geht also vor allem ums Geld.

Doch der Wald ist ein Gemeingut und sollte für alle erhalten und dem- entsprechend verantwortungsvoll behandelt werden. Die Sanierung lange vernachlässigter, krankheitsanfälliger Altersklassenwälder darf nicht mit einem Verlust von Waldfläche und einer irreversiblen Schädigung seiner vielfältigen Funktionen einhergehen. Den Wald als Windkraftstandort zu nutzen, stünde im Widerspruch zum aktuellen Koalitionsvertrag und internationalen Abkommen, die den Klimaschutz (Wald als Kohlenstoff- Senke) und den Stopp des Artensterbens (Wald als Lebensraum) zum Ziel haben.

Für den NABU ist der Wald deshalb als Windkraftstandort tabu. Windkraft im Wald zerstört den Lebensraum.

Der Ausbau der Windkraft im Wald hat zahlreiche Negativfolgen und ist letztlich unwirtschaftlich. Negative Faktoren sind:
• für den Bau und die Unterhaltung der Anlagen müssen Waldflächen gerodet werden und stehen für Wiederaufforstung und natürliche Wald- entwicklung dauerhaft nicht mehr zur Verfügung,
• Windkraftausbau führt zu massiver Bodenverdichtung, zerstört das Wald- innenklima, schädigt die Klimaschutz- und Wasserspeicherfunktion,
• Windkraftanlagen mitten im Wald beschleunigen den Waldauflösungs- prozess,
• sensible Insekten-, Vogel- und Säugetierarten werden ihres Lebensraums beraubt und kollidieren mit Windanlagen oder werden – wie im Fall von Lurchen und Kriechtieren – auf Bau- und Unterhaltungswegen gestört und überfahren,
• der Schutzzweck von Natura 2000 Gebieten, Naturschutzgebieten, Natur- parks, Biosphärenreservaten sowie Landschaftsschutzgebieten wird in Frage gestellt.

KEIN Ausbau im Wald - es gibt Alternativen!
Der Wald zählt gerade im waldarmen Sachsen-Anhalt infolge der Dürrejahre, der allgemeinen Niederschlagsarmut und des hohen Anteils von Fichten- und Kiefernmonokulturen zu den stark gefährdeten Lebens- räumen. Viele Wälder weisen einen hohen Anteil geschädigter Bäume auf oder sind gänzlich dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen.

Den Wald oder die Waldschadensflächen einem zusätzlichen Stressfaktor auszusetzen, ist nicht im Sinne der Regeneration.

Aber der Windkraftausbau im Wald ist auch gar nicht nötig, um die Ausbauziele zu erreichen. Der NABU zeigt auf, warum:
• bereits heute erreicht Sachsen-Anhalt mehr als die Hälfte des Endausbauziels von 2,2 Prozent der Landesfläche,
• fehlende Kontingente sind über einen naturverträglichen Ausbau auf Flächen abseits von Schutzgebieten, wertvollen Zugvogelrastflächen und Wäldern leistbar,
• über Repowering, Ausbau vorhandener, konfliktarmer Windparks und Neubau an vorbelasteten Standorten (Verkehrs- und Leitungstrassen, Industriegebiete) lassen sich günstige und naturverträgliche Varianten für den Ausbau finden,
• ein Ausbau im Wald ist ineffektiv (einzelne bis wenige Anlagen), würde zeitaufwändige Planungen und teure Infrastrukturmaßnahmen nach sich ziehen,
• Flächen, auf denen bislang eine ineffektive Nutzung zur Biogas- und Biodiesel-Erzeugung erfolgte, sollten bevorzugt für die Windenergienutzung und den Photovoltaikausbau genutzt werden, auch um wertvolle Schwarz- erdeböden wieder für eine nachhaltige Produktion von Lebensmitteln nutzen zu können.
Waldschutz ist das Gebot der Stunde - die Politik ist gefordert
Wald hat viele Funktionen, was schon Kindern im Grundschulalter vermittelt wird. Er ist Erholungsort, Lebensraum, Sauerstoffproduzent, Lärm- und Staubreduzierer und nicht zuletzt Lieferant für den bedeutsamen Rohstoff Holz. Und gerade in jüngster Zeit werden die Funktionen als Kohlenstoff- und Wasserspeicher immer wichtiger.
Wie können also die Voraussetzungen für Walderhalt und -mehrung geschaffen werden?

Der NABU Sachsen-Anhalt fordert daher:
• in naturnahen, klimaresilienten Laub- und Mischwäldern und solchen, die einem Schutzstatus unterliegen, sind die Klima-, Naturschutz- und Erholungsfunktionen in den Vordergrund zu rücken; wirtschaftliche Aspekte sind hintenan zu stellen,
• eine (weitere) Zerschneidung und Auflichtung der Wälder durch Bau- vorhaben, inkl. Wind- und Solarparks, ist zu verhindern oder zu stoppen,
• der Anteil ungenutzter Wälder (z.B. Kernzonen und Prozessschutzflächen in NSG, NP, BioRes, FFH- und Vogelschutzgebieten) ist deutlich zu erhöhen; vor allem im Landes- und Bundesforst,
• die Wiederbewaldung der Waldschadensflächen ist vorzugsweise kosten- neutral durch Naturverjüngung zu realisieren; auf teure Aufforstungen kann weitgehend verzichtet werden,
• Waldbesitzer sollten Förderprogramme zur Wiederaufforstung und dem Umbau von Waldschadensflächen und Nadelholzmonokulturen und zur Umwandlung der Wirtschaftswälder in Prozessschutzflächen nutzen können; der NABU fordert die Politik auf, die Nutzung von CO2-Zertifikaten auf Bundes- und Europaebene dafür zu ermöglichen,
• das Land mit den zuständigen Ministerien von Umwelt und Forstwirt- schaft muss seiner Rolle als Bewahrer der natürlichen Lebensgrundlagen durch Waldschutz gerecht werden; der vorgesehene Ausbau der regenera- tiven Energien im Wald ist schnell wieder ad acta zu legen.
Der NABU fordert das Land und die Politik auf, den naturschutzgerechten Ausbau der Regenerativen durch die Festlegung von Tabuflächen und der Kriterien für potenzielle Eignungsflächen (Typ, Größe, Lage, Abstände) sowie die Festlegung von hohen Standards bei der Untersuchung der Umweltverträglichkeit der Standorte zu sichern und steht mit seiner Expertise für Beratungen und Diskussionen zur Verfügung.