Kontroverse Dispute und einhellige Zustimmung im Stadtrat

Doppelhaushalt und Städtepartnerschaft beschlossen

Freitag
15.09.2023, 11:30 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Zwanzig Punkte umfasste die Tagesordnung der gestrigen Stadtratssitzung im Kultur- und Kongresszentrum zu Bad Langensalza. Spannend war vor allem Punkt 10: „Einbringung und Beschlussfassung zur Haushaltssatzung und zum Haushaltsplan 2023/24“ …

Hier herrschte noch Harmonie: Patrick Kosiol (Mitte) wird als neuer Stadtrat vereidigt (Foto: oas) Hier herrschte noch Harmonie: Patrick Kosiol (Mitte) wird als neuer Stadtrat vereidigt (Foto: oas)

Am Beginn der Sitzung stand jedoch die Vereidigung eines neuen Stadtrates. Patrick Kosiol aus der Fraktionsgruppe BLU wird ab sofort den bisherigen Stadtrat Steffen Eke ablösen, der sein Mandat niedergelegt hat. Auf diese Personalien kommen wir später noch zurück.

Die 24 anwesenden Räte sahen sich in der Haushaltsdebatte mit einem Antrag von LINKE/SPD/GRÜNE und BLU konfrontiert, der eine Aufspaltung des geplanten Doppelhaushaltes in zwei Einzelhaushalte forderte und ebenso wie bereits im letzten Hauptausschuss keine Mehrheit fand. Neun Abgeordnete stimmten für den Antrag, fünfzehn dagegen.

Monika Ortmann, Fraktionsvorsitzende der LINKE begründete ihren Wunsch mit einer undeutlichen Datenlage und einer Unschärfe in den Schätzungen für zu erwartende Einnahmen und Ausgaben. Außerdem seien die erforderlichen Daten zu spät an die Fraktionen übermittelt worden und bereits heute einen notwendigen Nachtragshaushalt anzukündigen, sei Beweis für ihre Argumentationen. Das Hauptargument für den Doppelhaushalt, der Wahlkampf im nächsten Jahr, sei damit jetzt schon ad absurdum geführt.

In seiner Rede zum Haushalt erinnerte Bürgermeister Matthias Reinz daran, dass die letzten Jahre geprägt waren von den Einschränkungen und Folgen der Corona-Pandemie sowie dem Krieg zwischen der Ukraine und Russland, der eine beispiellose Entwicklung der Energiepreise und eine beispiellose Inflation zur Folge hatte und hat. „Es scheint, als würde man aus dem Krisenmodus der letzten Jahre gar nicht mehr herauskommen und diese globalen Herausforderungen tangieren unmittelbar auch uns in Bad Langensalza“, sagte er.

Sparen bedeute Verzicht und dies auch auszusprechen und dabei zu verinnerlichen, dass nicht jeder Wunsch erfüllt werden kann, sei Aufgabe der Stadtverwaltung. Als die Mittelanmeldungen der Fachämter für das Jahr 2023 vorlagen, ergab eine erste Zusammenstellung, dass dem Verwaltungshaushalt ca. eine Million Euro zum Ausgleich fehlten und im Vermögenshaushalt ca. 4,6 Millionen Euro Finanzmittel benötigt wären, um einen Ausgleich zu erreichen.

Die Rücklagen der Stadt hätten über Gebühr angegriffen werden müssen und sind ohnehin schon durch das Corona-Regiment stark abgeschmolzen. Es musste überall gekürzt werden, weshalb der Haushalt nicht früher verabschiedet werden konnte. Im Frühjahr kamen optimistische Steuerschätzung ins Haus. Der Doppelhaushalt ermögliche es nun, geplante Förderprojekte umzusetzen, die sonst nicht verwirklicht werden könnten.

Das Haushaltsvolumen beläuft sich für das Jahr 2023 auf 41,8 Millionen Euro und für das Jahr 2024 auf 41,7 Millionen Euro. Allein der Verwaltungshaushalt steigt in den Jahren 2023 und 2024 gegenüber dem letzten Jahr um über drei Millionen Euro. Diese Entwicklung resultiert hauptsächlich aus den Tarifanpassungen bei den Beschäftigten und der allgemeinen Inflation. Dennoch sei von einer Erhöhung beispielsweise der Grundsteuer abgesehen worden, um die Bürger nicht noch weiter zu belasten. Die Gewerbesteuereinnahmen steigen im Planansatz von 9,5 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 10,5 Millionen Euro im Jahr 2023. Für 2024 werden 10 Millionen Euro veranschlagt.

Als eine der prägendsten Ausgabeposition im Verwaltungshaushalt bezeichnet der Bürgermeister die deutlich gestiegenen Personalkosten. Aufgrund der Tarifanpassungen stehen 2023 ganze 700.000 Euro und nochmal 900.000 Euro im nächsten Jahr zu Buche. Stark beanspruchen auch die Kreis- und Schulumlage in Höhe von 9,6 Millionen im Jahr 2023 und 9,4 Millionen im Jahr 2024 den Haushalt. Die komplette Rede des Bürgermeisters haben wir Ihnen zum Nachlesen am Ende des Artikels als. pdf-Datei angehängt.

Durch den Cyberangriff auf die Verwaltung sei es zu Stillstand bei der Bearbeitung gekommen, die Stadträte hatten nur sechs Wochen Zeit zur Prüfung. In den Ausschüssen seien Änderungen eingebracht und verarbeitet worden und Reinz gab zum Protokoll, er erwarte bis Ende des Jahres keine gravierend anderen Zahlen als jetzt schon bekannt seien. Aus jetziger Sicht, so schätzte der Bürgermeister ein, scheint die Talsohle durchschritten und Chancen für neue Investitionen gegeben. Hier nannte er technische Verbesserungen bei der Feuerwehr und die angestrebte Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED-Technik.

Es müsse sich auf die wesentlichen Dinge konzentriert werden. Ein Umdenken angesichts der allgemeinen Lage sei nötig. Er sehe seine Pflicht darin, dass die Stadt handlungsfähig bleibt. Der oft angesprochene Stellenplan in der Verwaltung wird momentan reduziert durch Stundenkürzungen bei den Mitarbeitern und Reinz rechnete vor, dass in den nächsten Jahren 29 Verwaltungsmitarbeiter in den Ruhestand gehen würden und 21 aus dem Gartenamt, was noch zu ganz anderen Herausforderungen führen werde.

Ingo Winterberg, CDU-Fraktionschef will diesen aufgezeigten Weg mittragen, obwohl er sich gewünscht hätte, Radwege neu- und auszubauen, Gewerbegebiete voranzutreiben und neue Parkplätze am Bahnhof zu schaffen. Immerhin seien im Haushalt Gelder für Planungsverfahren eingestellt worden. Etwas mehr als die veranschlagten 75.000 Euro für Straßenerneuerung hatte sich die CDU erhofft und mehr Geld für die Digitalisierung, aber die Haushaltsmittel gäben nicht mehr her. Man beschließe aber hier keine Steuererhöhungen und die CDU wird dem Haushalt zustimmen.

Uwe Domni von der Fraktion WIR richtete seinen Dank an die Kämmerei für die Unterstützung bei Anträgen und war auch der Meinung, das Aufdröseln des Doppelhaushaltes hätte mehr Schaden verursacht als genützt. Leider sei es nicht gelungen, in den letzten Jahren die Einnahmesituation zu verbessern. Das Geld geht aus, die Personalkosten steigen, die Inflation galoppiert. Seine Fraktion hatte sich mehr Stelleneinsparungen gewünscht, stimmt dem Hauhalt aber zu.

Monika Ortmann (LINKE) bemängelte in ihrer Rede, dass sich die Stadträte vor vier Monaten das letzte Mal gesehen haben und eigentlich der 2023er Haushalt längst hätte stehen müssen. Sie habe rechtzeitig gefordert, die steigenden Energie- und Kraftstoffpreise einzuplanen. Den Griff in die Rücklagen der Stadt belegte sie mit Zahlen. Waren es im Jahre 2019 noch 11,26 Millionen Euro an Rücklagen, so schmolzen die 2020 auf 6,25 Millionen ab, 2021 auf 5,23 Millionen und im Jahre 2022 gar auf nur noch 1,78 Millionen Euro. Für 2024 würde die Rücklage dann nur noch 724.000 Euro betragen. Das finde sie skandalös. Die Fördermillionen habe Reinz gern genommen in der Coronazeit, aber dann auf Demos gegen Bundesregierung und Landesregierung gewettert.

Eine Strategie fehle insgesamt, besonders aber für kur- und tourismusrelevante Bereiche. Das Gießkannenprinzip der letzten Jahre gehe weiter und es gäbe keine Transparenz im Rathaus, kritisierte die Politikerin. Für zwei Haushaltsjahre gab es nur drei Sitzungen und die Unterlagen kamen zu spät. Bei so einer Finanzlage erstelle man keinen Doppelhaushalt, denn es gibt keine Sicherheit für Investitionen.

Dagmar Kleemann von derSPD/GRÜNE-Fraktion sagte, sie könnte die gleiche Rede wie im letzten Jahr halten. Der Doppelhaushalt ist Unsinn. Ohne die Zuschüsse der Landesregierung wäre es gar nicht weitergegangen. Der Haushalt müsste ein Jahr vorher beschlossen werden. Die Änderungen des Haushalts sind bei ihr noch nicht angekommen, eine Investitionsstrategie fehle. „Hoffen wir, dass die „verhasste Landesregierung“ hilft. Wir sind am Rande der Handlungsfähigkeit angekommen. Dem Haushalt können wir nicht zustimmen“, zog sie ein negatives Fazit.

Alexander Ernst von der FDP regte an, den Stellenplan zu diskutieren angesichts der vielen Abgänge und der hohen Gehaltssteigerungen. Es müssten positive Rahmenbedingungen für höhere Steuereinnahmen durch Unternehmen geschaffen werden, forderte er. Die FDP hätte sich mehr Investitionen und weniger Verwaltungshaushalt gewünscht. „Ohne Haushalt würden wir aber in die Haushaltssicherung abrutschen und wären handlungsunfähig“, begründete Ernst seine Zustimmung.

Als letzter Redner trat der frisch gebackene Stadtrat Patrick Kosiol für die Bürgerbewegung BLU ans Mikrofon und ging sofort zum Generalangriff auf Bürgermeister Reinz über. Die Tatsache, dass jetzt erst über den Haushalt gesprochen wird, sage vieles aus. Kosiol bezeichnete es als schlechten Stil, damit zu argumentieren, dass es bei einer Auftrennen des Haushaltes keine Förderanträge gäbe. Schon allein das Pochen auf einen Doppelhaushalt sollte stutzig machen. Er wies darauf hin, dass die Rücklagen der Stadt von 11,2 Millionen Euro auf 724.000 in einer Amtszeit zurückgegangen seien. „Wir wollen das Bestmögliche herausholen, Sie tun das Gegenteil“, warf er dem Bürgermeister vor. Es seien keine Maßnahmen geplant und es brauche mehr Investitionen in Bad Langensalza, damit die Menschen ihre Zukunft hier sehen und nicht woanders. Einnahmen durch erfolgreiche Unternehmen machten die Hälfte der Gesamteinnahmen aus. Kosiol machte den Bürgermeister ausdrücklich persönlich verantwortlich und nicht die Verwaltung.

Der Verwaltungschef lud Patrick Kosiol in seiner Erwiderung herzlich ein, sich in Ausschüssen mit seinen Vorschlägen einzubringen und verwies darauf, dass er von seinem Amtsvorgänger auch viele finanzielle Verpflichtungen übernommen habe. Das damals Entstandene müsse gepflegt und unterhalten werden. Den Fraktionsführerinnen des politisch linken Lagers warf er Desinteresse und mangelnde Mitarbeit an stadtentwickelnden Prozessen vor. Die Berliner Regierung mit ihrer Politik machte Matthias Reinz verantwortlich für die Verschärfung der Lage nach Corona. Seine Verwaltung habe alles gegeben für einen reellen Haushalt, von der Opposition seien keine konstruktiven Diskussionen in den Ausschüssen vorgebracht worden.

Die anschließende Abstimmung zum Haushalt verlief erwartungsgemäß wie jene beim Antrag der Aufsplittung. Dem Haushalt stimmten 15 Stadträte zu, neun stimmten mit nein. Das gleiche Ergebnis ergab die Abstimmung zum Finanzplan mit Investitionsprogramm bis zum Jahr 2027

Einig waren sich dann aber alle 24 Stadträte, die Vorbereitung einer Städtepartnerschaft der Stadt Bad Langensalza mit der Stadt Ukmerge in Litauen voranzutreiben. Alle stimmten dem Vorschlag zu. Es gibt also noch Themen, die alle Politiker vereint. Doch je näher die vielen im nächsten Jahr anstehenden Wahlen auf kommunaler und Landesebene rücken, desto seltener dürfte dieser Zustand von Harmonie erreicht werden.
Olaf Schulze