Ein Antrag mit Zündstoff im Wahlkampf

Dicke Luft im Hauptausschuss

Freitag
01.09.2023, 12:40 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Während sich auf dem Neumarkt bei strahlendem Sonnenschein die THC-Fans mit ihren Lieblingen fröhlich auf die neue Bundesligasaison einstimmten, zogen sich im daneben stehenden Rathaus der Kurstadt eher dunkle Wolken um die Stirnen der Lokalpolitiker zusammen. Es ging um den Haushalt …

Auf die freundlichen Grußworte für die Handballerinnen folgten für Bürgermeister Reinz gestern Abend sehr ernste Haushaltsdebatten (Foto: oas) Auf die freundlichen Grußworte für die Handballerinnen folgten für Bürgermeister Reinz gestern Abend sehr ernste Haushaltsdebatten (Foto: oas)

Genauer gesagt, um den Doppelhaushalt 2023/24, der seit Monaten zur Debatte steht und in den letzten Wochen von den Stadtratsfraktionen begutachtet werden konnte. Doch anstatt die Änderungswünsche vorzutragen, die noch eingepflegt werden sollen, stellten drei Fraktionen am Vorabend der gestrigen Ausschusssitzung den Antrag, das Paket doch wieder aufzuschnüren und die Haushalte 2023 und 2024 einzeln zu bearbeiten. Sehr zum Unmut des Bürgermeisters Matthias Reinz, der die Fraktionen der SPD/Grüne, DIE LINKE und BLU deswegen scharf angriff. „Wenn dieser Antrag durchgeht, dann muss ich am 14. September den Stadtrat abbrechen und alle laufenden Fördermaßnahmen, die bis Ende September eingereicht werden müssen, müssten ebenso gestoppt werden, wie die für 2024 vorgesehenen. Dann wären die Projekte Sportlerheim in Henningsleben und Gewerbegebiet Nord sofort hinfällig.“ Er fügte hinzu, dass kurz vor der anstehenden Kommunalwahl im Frühjahr dann der Jahresabschluss für 2023 gemacht werden müsse und unterstellte den Antragstellern Wahlkampfkalkül.

Seine Frage an die anwesenden Politiker nach dem Zweck dieser Aktion beantwortete der Verwaltungschef gleich selbst: „Sie wollen das Aufdröseln der Haushalte für Versprechungen ihrer Parteien im Wahlkampf benutzen. Ich werfe den Antragstellern bewusste Polemik vor. Spätestens im März wird dann von Ihnen eine Brandmauer gegen die im Wahlkampf zu erwartenden Mitbewerber aufgebaut und der Haushalt dauerhaft blockiert. Ich werde mich daran nicht beteiligen und für mich wird es auch keine Brandmauer geben. Ich werde mit allen gewählten Fraktionen im Stadtrat zusammenarbeiten. Und für 2024 haben wir dann wenigstens schon einen Haushalt. Sechs Wochen lang hat sich niemand zum ausliegenden Haushalt gemeldet und einen Tag vor der abschließenden Beratung kommt dieser Antrag“, ereiferte sich Reinz.

Die Fraktionsvorsitzenden der LINKEN, Monika Ortmann, und der SPD/Grüne, Dagmar Kleemann, reagierten schmallippig und verwiesen darauf, dass es ihr gutes Recht sei, Anträge zu stellen und es in der momentanen Situation zu viele finanzielle „Unschärfen“ gebe, um einen ordentlichen Doppelhaushalt aufstellen zu können.

Dem widersprach die CDU-Fraktion, für deren Chef Ingo Winterberg die Vorteile eines Doppelhaushaltes deutlich überwiegen. Er erwarte bis zum Ende des Jahres keine großartig anderen Zahlen, als die jetzt schon vorliegenden. Der Beigeordnete Volker Pöhler schloss sich dieser Argumentation an und ergänzte: „Bei Doppelhaushalten ist man immer von den Landeshaushalten abhängig, die keiner vorher kennen kann und es muss notfalls ein Nachtragshaushalt beschlossen werden.“ Das sei in der Vergangenheit schon oft passiert und völlig normal.

Schließlich wurde der Antrag, den Haushalt wieder zu trennen, mit fünf gegen zwei Stimmen der im Hauptausschuss stimmberechtigten Parteien abgelehnt, so dass es Mitte September zur Verabschiedung eines Doppelhaushaltes im Stadtrat kommen könnte.

Die Stadtkämmerin Sabina Reinhardt erläuterte Nachmeldungen für den Haushalt, die sich aus dem Cyberangriff auf die Verwaltung ergäben hätten und erklärte mit Blick auf einen ausgeglichen Haushalt, dass die Baumaßnahmen in der Schulstraße in Ufhoven um ein halbes Jahr verschoben werden müssen. Der Ortsteilbürgermeister Uwe Domni kann damit leben und es seinen Leuten erklären, sagte er. Er sei froh, dass endlich etwas passiere. Die Baumaßnahmen könnten trotzdem jetzt schon beginnen, ergänzte Bürgermeister Reinz. Die 26.400 benötigten Euro an Mehrkosten beim Straßenbau in Nägelstedt können aus Rücklagen finanziert werden, rechnete Sabina Reinhardt vor.

Monika Ortmann kritisierte, dass bei einer vorherigen ordentlichen Planung „solche Bocksprünge nicht nötig“ gewesen wären.

Die CDU begann dann mit den Wüschen der einzelnen Fraktionen und schlug eine Kreditaufnahme für die anstehende Schuldentilgung vor, um 500.000 Euro frei zu haben für neue Projekte in der Stadtentwicklung. Die Aufnahme eines solchen Darlehens will die Verwaltung schnell prüfen. Außerdem schlug die Fraktion einen Stellenabbau in der Verwaltung zur Gegenfinanzierung vor. Das sei rechtlich nicht möglich, erläuterte der Bürgermeister, zumal von den beiden verhandelten Jahren, schon acht Monate verstrichen wären. Es existiere ein Stellenplan, an den sich die Verwaltung als Arbeitgeber halten müsse und der nicht innerhalb eines Jahres willkürlich geändert werden könne.

Nachdem die CDU-Fraktion diese Erklärung hingenommen hatte, beantragte die Fraktion WIR die Streichung von fünf Stellen in der Verwaltung im laufenden und vier weitere Streichungen im nächsten Jahr, um zusätzliche Mittel für städtebauliche Projekte frei zu bekommen. An dieser Stelle äußerte der anwesende Stadtbrandmeister Steven Dierbach angesichts der angespannten personellen Situation in vielen Bereichen sein Unverständnis über eine solche Forderung. Die Begründung es müsse die Digitalisierung schneller vorangetrieben werden konterte Reinz mit einer Erläuterung darüber, wie eine angestrebte Digitalisierung mit landesweiten Vernetzungen zu tun habe, die nicht von heute auf morgen erreichbar wären. Die Personaleinsparungen sollten natürlich nicht im technischen Bereich sein, beeilten sich die WIR-Politiker zu versichern. Es müssten eben mehr Fördermittel von Seiten der Verwaltung akquiriert werden.

Das war der Zeitpunkt, an dem Matthias Reinz das zweite Mal so richtig „on fire“ war an diesem Abend und vehement seine Mitarbeiter verteidigte. Er verwahre sich dagegen, sie hier als faul und unfähig zu schmähen. Mehr Fördergelder bedeuteten im Umkehrschluss auch immer mehr Eigenmittel, sagte Reinz. Die seien aber aufgrund der enormen Preissteigerungen in allen Bereichen und der zu erwartenden Lohnerhöhungen für die annähernd 160 Mitarbeiter in der Verwaltung nicht verfügbar. Und im übrigen würden alle laufenden Maßnahmen mit beantragten Fördermitteln flankiert, anders wären sie gar nicht realisierbar.

Nach diesen emotional vorgetragenen Worten des Bürgermeisters war die Ausschusssitzung schnell zu Ende. Alle Fraktionen haben nun die Möglichkeit noch einmal in Klausur zu gehen, ehe es am 14. September zur Verabschiedung eines Doppelhaushaltes 2023/24 für die Stadt Bad Langensalza kommt. Oder auch nicht! Der Wahlkampf für das Superwahljahr 2024 in Bad Langensalza (Europaparlament, Stadtrat, Bürgermeister, Kreistag, Landrat und Landtag) ist spätestens seit gestern Abend nicht nur eröffnet, sondern bereits in vollem Gange.
Olaf Schulze