SPD-Podiumsdiskussion zur Gründerstadt Nordhausen 2030

Vom Gründen und vom Existieren

Donnerstag
24.08.2023, 11:00 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
In Nordhausen finden anlässlich der Oberbürgermeisterwahl gerade SPD-Tage statt und so machte gestern Abend auch der Thüringer Wirtschaftsminister seine Aufwartung, um in einer Podiumsdiskussion über Existenzgründungen zu sprechen. Oder doch ein bisschen über Politik, die Welt und warum es keine AfD braucht? …

Matthias Kurras (Maximator Hydrogen), Alexandra Rieger (Bürgermeisterin), Lutz Liebscher (SPD-Landtagsabgeordneter) und Wirtschaftsminister Wolfang Tiefensee (ganz rechts) lauschen den Ausführungen des Studenten und Existenzgründers Jacob Janssen (Foto: oas) Matthias Kurras (Maximator Hydrogen), Alexandra Rieger (Bürgermeisterin), Lutz Liebscher (SPD-Landtagsabgeordneter) und Wirtschaftsminister Wolfang Tiefensee (ganz rechts) lauschen den Ausführungen des Studenten und Existenzgründers Jacob Janssen (Foto: oas)

Der Jenaer Landtagsabgeordnete Lutz Liebscher moderierte die SPD-Veranstaltung zum Thema „Gründerstadt Nordhausen 2030“, zu der im Podium neben der Oberbürgermeisterkandidatin seiner Partei, Alexandra Rieger, auch der CEO des erfolgreichen Nordhäuser Unternehmens Maximator Hydrogen, Matthias Kurras sowie der Student und Existenzgründer Jacob Janssen und besagter Minister Tiefensee Platz genommen hatten. Der Veranstaltungsraum in der Traditionsbrennerei war gut gefüllt, hauptsächlich mit Parteigenossen, Vertretern der Nordhäuser Hochschule, aber auch einigen interessierten Nordhäuser Bürgern.

Wolfgang Tiefensee nutzte seinen ersten Redebeitrag, um nicht auf die gestellte Frage einzugehen, das täte er nämlich nie, sondern lobte die Kandidatin Rieger, die er für genau die Richtige hält, die Amtskette der Stadt in den nächsten Jahren zu tragen. Er kennt und schätzt sie schon lange. „Sie ist jemand, die nicht intrigiert, sondern integriert“, betonte der Wirtschaftsminister und plauderte aus der Zeit als er noch Oberbürgermeister einer größeren Stadt gewesen sei, die allerdings im Gegensatz zu Nordhausen nichts zu bieten hatte. Jedenfalls landschaftlich; dort sei alles platt und flach. Er habe damals als OB mit allen geredet und mit allen politischen Kräften sehr gut zusammengearbeitet. Das habe den Erfolg ausgemacht. Merken Sie sich diese Aussage, liebe Leser, ich komme noch einmal darauf zurück.

Jetzt sei „die Lage kritisch und wir müssen aufpassen, dass wir nicht zurückfallen“, äußerte er angesichts der angespannten weltpolitischen, aber auch spezifisch deutschen Situation. Neben dem Energiemangel hätten wir auch einen Arbeitskräftemangel. Er empfahl: „Wir sollten uns nicht weiter belasten. Wenn das Klima nun eben das Wichtigste ist, dann müssen andere Sachen zurückstehen.“

Anschließend ging es dann doch um Gründungen und Matthias Kurras, der CEO (der Chief Executive Officer) von Maximator Hydrogen berichtete, dass die Ausgründung aus der Maximator GmbH schwierig verlief, man auf viele bürokratische Hindernisse gestoßen sei und schließlich in einer Garage begonnen habe, die Wasserstofftechnik und die Produktion von Wasserstofftankstellen voranzutreiben. Immer geschützt und unterstützt vom Mutterunternehmen Maximator. Gelungen ist die Gründung auch dank der Nordhäuser Hochschule, aus der Absolventen bei ihm angefangen hätten zu arbeiten und weil engagierte junge Leute gefunden wurden. Von den anfänglich 90 Mitarbeitern Anfang 2022 ist die Zahl der Beschäftigten auf heute knapp 200 gestiegen. Kurras’ Kurzfazit lautete: „Wir konnten gut gründen in Nordhausen und auf ein gutes Netzwerk zurückgreifen.“

Diesen Faden nahm Alexandra Rieger auf und stellte auch gute Netzwerke, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und verständliche Kommunikation in den Fokus. „Die Stadt will unterstützen“, beteuerte sie. Der junge Existenzgrüner Jacob Janssen ist wegen der interessanten Möglichkeiten und ansprechenden Studiengänge wie „Digitales Produktmanagement“ an die Hochschule gekommen. Mit zwei Kompagnons hat er eine Plattform entwickelt, die in drei Wochen getestet werden soll. In Nordhausen gibt es für solche Existenzgründungsversuche den Hochschulinkubator für Entrepeneurship (HIKE), der gezielt solche Projekte fördert und begleitet. Hier hakte wieder der Minister ein und präzisierte, was er von einer Thüringer Hochschule erwarte. Erstens eine Top-Lehre, zweitens Forschung und drittens den Transfer der Ergebnisse. Sein Ministerium halte einen ganzen Werkzeugkasten an Fördermöglichkeiten bereit, die es abzurufen gelte. Er fände es auch toll, wenn sich mehr Gründer für die direkte Produktion und Technologien interessierten. Die Gegebenheiten sind dafür hervorragend und vielleicht könne sich ja der Maschinenbau wieder in Nordhausen etablieren.

Wie sie die gut ausgebildeten Leute in der Region halten wolle, wurde Alexandra Rieger gefragt und die Bürgermeisterin zählte die Vorteile Nordhausens auf: Vorhandene Kita-Plätze, bezahlbarer Wohnraum und dort zu leben, wo andere Urlaub machen möchten. Und natürlich dürfe die Stadt nicht „blau“ werden; dann sieht sie gute Chancen für die Zukunft.

Auf eine Frage aus dem Publikum, was denn nun mit dem Industriegebiet in der Goldenen Aue werde, antwortete der kompetente Minister Tiefensee, dass die Bedingungen geschaffen seien und nun überlegt werden müsse, wie die Fläche belegt werden soll. Viele Logistikunternehmen hätten sich beworben, aber die wolle man dort nicht. Die Gespräche mit einem Großinvestor auf dem Gebiet Recycling, Kreislaufwirtschaft und Ersatzwerkstoffe seien auf einem guten Weg. Besonders ressourcenschonendes Bauen sei in Zukunft wichtig, Beton und Gips aber weiterhin nötig und da sei die Nordhäuser Hochschule in der Forschung vorbildlich. Man könne stolz sein in Nordhausen und müsse Positives herausstreichen. Schließlich stehe ein Bevölkerungsrückgang von 14,8 Prozent bis zum Jahre 2040 zu befürchten, wenn nicht gerade auch mit Existenzgründungen gegengesteuert würde.

Die Gründungen seien in den letzten Jahren zurückgegangen berichtete Professor Lutz Göcke von der Hochschule und die Stadt habe die Bildungseinrichtung seit 2018 zu wenig unterstützt. Es sei auch zu wenig Geld da für Gründerunterstützung.

Dieses Stichwort nahm der Moderator auf und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, mit einer deutlichen Mehrheit bei der nächsten Landtagswahl die Hochschule weiter fördern zu können. Eine Mitarbeiterin von Thex Enterprise, einer eigens zur Begleitung von Gründungen geschaffenen Einrichtung, sprach die Befürchtung aus, dass bei einer Mittelkürzung von ihren jetzt 2,5 zur Verfügung stehenden Stellen nur 0,5 übrig bleiben könnten.

Daraufhin meldete sich der Nordhäuser Unternehmer Axel Heck zu Wort, der den hier verbreiteten Optimismus nicht teilen konnte. Alle seine Projekte steckten aufgrund der wirtschaftlichen Krise fest und er bekäme als Unternehmer von Kollegen und Firmen nur gespiegelt, was alles nicht funktioniert. Seiner Meinung nach müsse sich die Politik den Sorgen und Themen der Bevölkerung stellen, das könne er aber nicht erkennen, beobachte ganz im Gegenteil eine Ignoranz der Politiker. Angesichts der hohen Energiepreise und der ungelösten Migrationsfrage müsse man sich endlich diesen Themen stellen, wenn nicht noch mehr Wähler sich der AfD zuwenden sollen.

Darauf antwortete der Landesminister Tiefensee, dass die SPD versucht, Probleme zu lösen. Es brauche für die Lösung der Fragen keine AfD. Die hätte keine Antworten und würde nur Stammtischparolen dreschen. Der AfD-Wähler, so der Minister wörtlich: „will eine totale Abschottung und keine Energiewende.“ In einem fünfzehnminütigen Vortrag, der einen weiten Bogen spannte und jedem Parteilehrjahr zur Ehre gereicht hätte, warnte Wolfgang Tiefensee vor einem Abrücken von der derzeitigen Politik und beteuerte, wie sehr wir jeden einzigen Migranten in der Arbeitswelt brauchten.

Im Publikum regte sich dagegen Widerspruch, den ein älterer, weißhaariger Mann ausformulieren wollte, aber da fiel es dem Moderator wieder ein, dass ja heute über Gründung gesprochen werden sollte.

Ein Schlusswort hatte dann Professor Piontek von der Hochschule, der noch einmal herausstrich, welch gute Bedingungen es in Nordhausen für Gründungen gebe und dass momentan der Wille zu Existenzgründungen bei den ausländischen Studenten ausgeprägter sei, als bei den deutschen. Verbunden mit der Bitte an den Minister, sich weiter einzusetzen für die Finanzierung der Forschungen und Gründungen.

Ein anderes Schlusswort blieb dem erfolgreichen Gründer Matthais Kurras vorbehalten, der sehr salomonisch verkündete: "Es darf kein Weiter-So geben. Wir brauchen Veränderungen."

Alexandra Rieger resümierte zum Schluss: „Wir müssen mehr miteinander reden. Das erfahre ich gerade im Straßenwahlkampf an der Basis."
Olaf Schulze