Jesidische Gemeinde gedenkt dem Völkermord von 2014

Auf Worte müssen Taten folgen

Donnerstag
03.08.2023, 18:18 Uhr
Autor:
red
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An der Stele vor dem Rathaus wurde heute dem Völkermord gedacht. Diesmal ging es allerdings nicht um Verbrechen, die von deutschem Boden ausging, sondern um Taten grenzenloser Barbarei, die sich 2014 im Irak ereigneten…

"Der Völkermord geht weiter" - auf dem Rathausplatz kam heute die jesidische Gemeinschaft zusammen um an das Schicksal ihrer Glaubensgemeinschaft zu erinnern (Foto: agl) "Der Völkermord geht weiter" - auf dem Rathausplatz kam heute die jesidische Gemeinschaft zusammen um an das Schicksal ihrer Glaubensgemeinschaft zu erinnern (Foto: agl)


Vor gerade einmal neun Jahren dominierten der Vormarsch und die Gräueltaten des „Islamischen Staats“ die Schlagzeilen, heute hört und ließt man im deutschen Blätterwald kaum noch etwas aus dem Irak. Der IS gilt als besiegt, die Aufmerksamkeit liegt auf anderen Konfliktherden.

Für die knapp 200 Jesiden, die es damals nach ihrer Flucht aus ihrer Heimat nach Nordhausen verschlagen hat, sind Mord und Totschlag an ihren Familien so präsent wie eh und je. Die kleine Religionsgemeinschaft umfasst weltweit eine knappe Million Mitglieder und kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, die bis weit vor Mohammed oder Jesus reicht und bis nach Sumer und Babylon führt. Vor Hass und Zorn hat sie das nicht bewahrt. Verraten und verloren mussten im August 2014 tausende ihr Leben lassen, als die Islamisten des IS ihre Heimat mit Terror überzogen. Auch heute berichteten die Überlebenden von Folter, Entführung, Vergewaltigung, Sklaverei, Mord und Akten brutalster Barbarei.

Murad Murad ist der Vorsitzende der Nordhäuser Gemeinde (Foto: agl) Murad Murad ist der Vorsitzende der Nordhäuser Gemeinde (Foto: agl) Für die Jesiden hat das Leid bis heute kein Ende, rund 2.500 verschleppten Frauen und Kinder werden immer noch vermisst, berichtet Murad Murad, der Vorsitzende der jesidischen Gemeinde in Nordhausen. Von den kurdischen Peschmerga sei man verraten worden, nicht ein Schuss sei gefallen, die Jesiden wurden dem IS regelrecht ausgeliefert, sagt er. Seitdem ist die Lage nicht viel besser geworden. „Der IS wurde in der Theorie besiegt. In der Praxis sind immer noch dieselben Leute an der Macht, es herrscht der gleiche Hass. Wir wissen wo einige unserer Leute gefangen gehalten werden, aber nur wenige kommen frei, man lässt sie nicht gehen.“, erzählt Murad weiter.

Es müssen Taten folgen
Dass an den Jesiden ein Völkermord begangen wurde, dass die Islamisten darauf aus waren, die Glaubensgemeinschaft auszurotten, das wird seit Januar auch von der Bundesregierung offiziell anerkannt. In einem entsprechenden Beschluss heißt es, dass für die Jesiden das Asylrecht anzuwenden sei und man sie als Teil der deutschen Gesellschaft betrachte. Dies bekräftigte heute in Nordhausen auch Manfred Grund, Bundestagsabgeordneter der CDU. In Deutschland habe die Gemeinde Heimat und Sicherheit gefunden und die weltweit größte Diaspora gegründet, sagte Grund und auch wenn man von Deutschland aus nicht alles Unrecht auf der Welt lösen könne, so bemühe man sich doch, das Schicksal der Betroffenen zu lindern.

Rund 200 Jesiden leben in Nordhausen, im Alltag werden sie meist für Araber oder Kurden gehalten (Foto: agl) Rund 200 Jesiden leben in Nordhausen, im Alltag werden sie meist für Araber oder Kurden gehalten (Foto: agl)


Die Anwesenheit des CDU-Abgeordneten begrüßte auch Katharina König-Preuss, die für die Linken im Thüringer Landtag tätig ist. Der Beschluss der Bundesregierung sei ohne Frage gut und richtig gewesen, gehe aber nicht weit genug. Den Worten müssten Taten folgen, der Resolution müsse um die Zusicherung des Bleiberechts für diejenigen, die bereits hier sind, ergänzt werden. Angesichts von Folter, Sklaverei und Ausrottung sei das keine Frage von Nationalität, sondern von Menschlichkeit. Das Asylrecht allein bedeute für die Jesiden Unsicherheit und Angst, da man weiter fürchten müsse, doch abgeschoben zu werden.

2024 jährt sich der Völkermord an den Jesiden zum 10. mal. Bis dahin hofft man, die Lage der kleinen Religionsgemeinschaft stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, mit mehr Menschen auf den Plätzen der Republik zusammenzukommen und die Berliner Politik zum handeln zu bewegen.
Angelo Glashagel