Jubiläumskorn im Sondershäuser Schacht eingelagert

Korn unter Tage

Freitag
30.06.2023, 17:41 Uhr
Autor:
red
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Zwischen Südharz und Kyffhäuser gibt es zwei große Traditionslinien: die Kornbrennerei und den Bergbau. Tief unter Sondershausen wurde heute beides miteinander vereint: in rund 640 Metern Tiefe lagern zwei Fässer feinster Korn, die man zu zwei besonderen Anlässen wieder ans Tageslicht holen will…

Glückauf und Prost: v.l. GSES Chef Johann-Christian Schmiereck, Bürgermeister Steffen Grimm und Museumsleiter Thomas Müller  (Foto: agl) Glückauf und Prost: v.l. GSES Chef Johann-Christian Schmiereck, Bürgermeister Steffen Grimm und Museumsleiter Thomas Müller (Foto: agl)


Die Kornbrennerei hat die Stadt Nordhausen schon ein paar Jahrhunderte geprägt, unter dem Namen „Nordbrand“ passiert das aber erst seit 75 Jahren. Etwas älter ist der Bergbau am Schacht „Glückauf“, vor 130 Jahren wurde hier das erste Salz aus der Tiefe geholt. Sondershausen war da schon lange da, bald wird man den 900. Geburtstag feiern können.

„75, 130 und 900, macht zusammen 1105 Jahre Jubiläum. Das schreit förmlich nach Schnaps“, fasst Johann-Christian Schmiereck zusammen. Zwei Fässer hat der Herr des Sonderhäuser Untergrundes vor knapp zwei Wochen aus Nordhausen entgegen genommen und in den Stollen der „Glückauf Sondershausen Entwicklungs- und Sicherungsgesellschaft“ (GSES) einlagern lassen. Die initiale Idee dazu liefert der technische Betriebsleiter bei Nordbrand, Christian Schmidt, der selber einst im Bergbau tätig war. Vorgesehen war ein einzelnes Fass, für das Sondershäuser Jubiläum. Schmiereck fand die Idee so gut, dass er sich für seine Belegschaft ein eigenes Fass erbat, denn auch die Kumpel haben bald etwas zu feiern.

Destillateur René Müller legt noch ein letztes Mal Hand an (Foto: agl) Destillateur René Müller legt noch ein letztes Mal Hand an (Foto: agl)


Die offizielle Übergabe erfolgte heute im Beisein der Brennherren Thomas Müller und René Müller aus der Nachbarstadt und im Beisein des Sondershäuser Bürgermeisters Steffen Grimm. Im kleineren der beiden Eichenfässer lagern 100,5 Liter Roggenkorn, im großen Behältnis sind es 301 Liter, erläuterte Thomas Müller, Leiter der Echten Nordhäuser Traditionsbrennerei. Warum man es so genau nimmt, erklärt Namensvetter René Müller, seines Zeichens gelernter „Destillateur“ und Fassmanager bei Nordbrand. „Für uns ist das auch ein Experiment, so tief unter Tage haben wir unsere Destillate noch nie gelagert. Die Umgebungsfaktoren wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind hier weitestgehend konstant, hinzu kommt die salzhaltige Atmosphäre. Das wird sich auf das Aroma auswirken.“, erklärt der Spirituosenexperte.

Die Lagerung des Roggenkorns ist eine Wissenschaft für sich. Um eine Vergleichbarkeit mit den Erfahrungswerten aus dem Brennalltag herstellen zu können, hat man deswegen auf frische Eichenfässer gesetzt. „Bei Nordbrand wird traditionell mit deutscher Eiche gearbeitet, da haben wir die meiste Erfahrung mit. Wenn wir in der Traditionsbrennerei unsere Premiumspirituosen auflegen kommen auch andere Holzsorten und Fässer zum Einsatz, die mitunter auch schon einmal belegt waren. Liegt der Korn zum Beispiel in einem Cherry-Fass wird das Ergebnis ein ganz anderes sein.“, weiß Thomas Müller zu berichten.



Ob das Ergebnis tauglich ist, muss in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Anders als im Nordhäuser Museum kann man in der Sondershäuser Lagerstätte aber nicht mal eben in den Keller gehen. Für die „sensorische Überprüfung“, also durch riechen und schmecken, muss man hier mit vier Metern pro Sekunde drei Minuten lang in die Tiefe hinabfahren. Hier unten herrscht inzwischen wieder reger Betrieb, im Erlebnisbergwerk begrüßt man regelmäßig neugierige Besuchergruppen. Über 600 Meter unter der Erde werden auch Konzerte gespielt und Filme gedreht. Vor knapp zwei Wochen ist Schauspielerin Tilda Swinton unter Sondershausen ihrem Handwerk nachgegangen, erzählt Bürgermeister Grimm. Der kennt den Schacht noch unter Volllast, hat bis 1989 hier seine Lehrzeit absolviert.

Danach war Schicht im Schacht, mit der Wende wurde der Betrieb eingestellt und den Niedergang des Kali-Bergbaus hat auch die Sondershäuser schwer getroffen. Das man die alten Stollen nicht einfach sich selbst überlassen konnte sollte sich bald zeigen, gute 40 Zentimeter sackte der Boden in der Musik- und Bergbaustadt an manchen Stellen ab. Hier beginnt die Geschichte der GSES. Ab Mitte der 90er beginnt man, die alten Schächte mit als Untertagedeponie zu nutzen und die Hohlräume mit „Versatz“ zu füllen. Inzwischen sind die alten Stollen fast voll und die Absenkung der Böden ist in vertretbare Bahnen zurückgekehrt. Und da man seit 2008 aber auch wieder im ordentlichen Bergbau Salz fördern kann, droht der Platz nicht allzu bald auszugehen.

Insgesamt man am Brügmanschacht auf 130 Jahre Bergbautradition zurück und die will man in diesem Jahr gebührend feiern. Das kleinere der beiden Fässer wird denn auch nicht lange unter Tage liegen, schon in einem halben Jahr, pünktlich zum Barbaratag am 4. Dezember, wieder das Tageslicht erblicken. Den Inhalt werden dann die Kumpel ausgiebigst verköstigen können. Damit knüpft man auch an ein Stück Tradition an, das heute so nicht zu praktizieren ist: den „Grubenschnaps“. Der gehörte als Deputat zum festen Bestandteil des Bergmannsalltags und manch Kumpel in Sondershausen trauert dem bis heute hinterher, berichten die Bergleute.

Das große Fass darf noch etwas länger unter der Erde liegen bleiben. Wenn die Stadt Sondershausen ihren 900. Geburtstag feiert, wird der feine Korn heraufgeholt. Im Rathaus hat sich Bürgermeister Grimm sehr gefreut, dass die Brenner und Bergleute gemeinsam auf diese besondere Idee gekommen sind.

Im Jubiläumsjahr wird man den besonderen Korn dann in Sondershausen und über die Traditionsbrennerei in Nordhausen erwerben können. Hier führt man für den Fall der Fälle auch schon eine Warteliste. Bis man sich „Glückauf und Prost“ wünschen kann, werden aber noch zwei Jahre ins Land gehen.
Angelo Glashagel