Ladepark im Krug eröffnet

Aus Innovation wird Alltag

Mittwoch
14.06.2023, 12:58 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Im Jahr 2018 wurde in Nordhausen ein innovatives Projekt vorgestellt, ein Elektro-Ladepark sollte im Krug entstehen, der zweite seiner Art in ganz Deutschland. Das Projekt startete auf der Höhe der Technik, schlingerte erst, stolperte dann, fiel schließlich und blieb liegen. Bis vor ein paar Monaten…

Was lange währt funktioniert endlich - der Ladepark im Krug ging heute morgen in den Betrieb (Foto: agl) Was lange währt funktioniert endlich - der Ladepark im Krug ging heute morgen in den Betrieb (Foto: agl)


Der Schnelllade-Park im Nordhäuser Gewerbegebiet war 2018 noch der Gipfel der Innovation, zumindest regional gesehen. Ein junges Start-Up und ein Windkraft-Riese wollten am Harzrand neue Wege ausprobieren, Elektromobilität alltagstauglich zu machen. Doch bis zuletzt sollte dem Ladepark im Krug kein Glück beschieden sein. Zuerst fiel mit „Intrasol“ das Start-Up als Ideengeber selbstverschuldet vor Ort aus und ist heute nur noch Geschichte. Mit der Firma „Enercon“ war aber immer noch ein Branchenriese im Boot, der hier seine neue Technik, den Modularen „E-Charger“ im Feldtest erproben wollte.

Es sollte anders kommen. Als der Ausbau der Windkraft einbricht, sieht Enercon sein Hauptgeschäftsfeld gefährdet, man konzentriert sich in der Folge auf die Kerntugenden und stellt alle Experimente ein. Die Technik am Ladepark liegt ungenutzt da und die Jahre vergehen.

Von Beginn an war aber noch eine dritte Partei an dem Vorhaben beteiligt, die Stadtwerke, von denen schließlich die Energie für die Stromer kommen sollte. Mit dem Ausstieg Enercons begann man hier Gespräche mit der Thüringer Energie AG zu führen. Viele Verhandlungen und einige bürokratische Hürden später wurde Ende 2022 entschieden, die Sache gemeinsam in die Hand zu nehmen, allerdings mit neuer Technik. „Gute 80 Prozent des Weges waren schon geebnet, auch deswegen sind wir jetzt zügig vorangekommen“, sagt Dennis Schuldig, Geschäftsführer der „TEAG Mobil“ heute beim offiziellen Eröffnungstermin in Nordhausen vor reichlich Publikum. Das sich so viele Interessierte zur Eröffnung eines Ladesparks einfinden, habe man schon länger nicht mehr erlebt, sagt Schuldig, aus der Innovation von damals ist über die Jahre Alltag geworden.

Denis Schuldig, Geschäftsführer der TEAG Mobil (Foto: agl) Denis Schuldig, Geschäftsführer der TEAG Mobil (Foto: agl) Die Technik hat sich seit Projektbeginn rasant entwickelt und die nun aufgestellten neuen „Alpitronic“-Ladesäulen gelten nicht länger als innovative Zukunftsmodelle sondern vielmehr als bewährter Branchenstandard. Die drei „HighPowerCharger“ bieten je zwei Ladepunkte zu 300 kW Ladeleistung, Neufahrzeuge in der Kompakt- und Mittelklasse können hier rund 100 Kilometer Reichweite in fünf Minuten laden, heißt es von Seiten der Betreiber.

Der Enthusiast und der Skeptiker
Wer Tankstelle und Zapfsäule gewohnt ist, für den mag das nach viel klingen, für Dirk Daniel, der inzwischen seit 10 Jahren privat „elektrisch“ unterwegs ist, passt die Zeit gut ins Konzept. „Man fährt irgendwann anders. Ich halte nicht mehr weil ich tanken muss, ich lade wenn ich Pause machen muss. Ein Gang zur Toilette und ein Kaffee und das Auto ist wieder bei 80 Prozent. Nach zwanzig Minuten habe ich meine vier- fünfhundert Kilometer Reichweite wieder“, erzählt der E-Mobilitäts-Enthusiast. Das gilt zumindest für seinen Tesla, das zweite E-Gefährt der Familie, ein kompakter SEAT, braucht etwas länger, räumt er ein. 2013 war das Elektroauto noch der Zweitwagen, seit 2020 ist man im Hause Daniel nur noch mit Strom unterwegs und selbst mit dem kleinen Wagen hat es die Tochter schon bis an die polnische Ostsee geschafft, ohne Notrufe. "Alltagstauglich war das alles schon vor zehn Jahren, wenn auch nicht in dem Umfang wie das heute geht. Das Preis-Leistungsverhältnis hat damals aber nicht gestimmt. In den letzten Jahren hat sich da einiges getan, noch nicht so stark bei den Preisen, aber sehr wohl bei Leistung und Reichweite. Da sind wir heute in ganz anderen Bereichen unterwegs."

Beim großen Nachbar aus der Halleschen Straße, dem Autohaus Peter, blickt man weiter mit gesunder Skepsis auf die Elektromobilität. Zehn Jahre Erfahrung hat man auch hier, alle Marken im Haus haben heute Elektro- und Hybridmodelle im Angebot, der Anteil mache jeweils gute 20 Prozent am Gesamtportfolio aus, berichtet Andreas Peter. Die Nachfrage sei aber immer noch vergleichsweise gering, die Fahrzeuge vielfach zu teuer, gerade wenn die Förderung wegfalle und der Ausbau der nötigen Infrastruktur sei noch lange nicht am Ziel, sagt Peter.

Dass der Ladepark nun endlich im zweiten Anlauf an den Start geht, freut den Händler trotzdem. „Mit der Elektromobilität ist es ein wenig wie mit dem Fahrzeugen selbst: der eine sucht etwas Kompaktes, der andere will einen SUV und der nächste braucht einen Transporter oder hätte gerne ein Cabrio. Der Markt bietet Alternativen für jeden Bedarf und zwischen Benziner, Diesel, Hybrid, Wasserstoff, Gas und reinem Elektroauto gibt es die auch bei den Antrieben. Wir werden nicht bis 2030 alle elektrisch fahren aber das E-Auto wird sich als eine Alternative etablieren.“, so die Einschätzung Peters.

Bezahlt wird mit Kundenkarte oder per Handy-App, die Zahlung per Kreditkarte wird noch nachgerüstet (Foto: agl) Bezahlt wird mit Kundenkarte oder per Handy-App, die Zahlung per Kreditkarte wird noch nachgerüstet (Foto: agl)


39 Cent zum Sommerstart
In Sachen Infrastruktur sucht die TEAG die Versorgungslücken in Thüringen zu schließen. Rund 200 Ladesäulen an 130 Standorten betreibt man zur Zeit, berichtet Schuldig, das macht rund 340 öffentliche Ladepunkte. Bis 2025 soll deren Zahl auf über 1.000 ansteigen. „Wir haben die Standorte sehr genau in Beobachtung und sehen jeden einzelnen Ladevorgang. Manche Punkte sind zügig ausgelastet, an anderer Stelle ist noch Luft nach oben aber generell ist das gerade viel Dynamik drin.“. Um den Ladepark im Krug zu einem guten Start zu verhelfen, wird man einen Einstiegstarif von 39 Cent pro kWh anbieten. Im Moment lägen die Preise andernorts, je nach Standort, eher bei 59 bis 79 Cent. Rechne man mit 20 kWh Verbrauch pro 100 Kilometer, sei man mit den Kosten dann aber immer noch unter dem, was ein klassischer Verbrenner kostet.

Der Strom für die Anlage kommt, wie schon 2018 geplant, von den Stadtwerken und auch abseits des Nordhäuser Energieversorgers sei man darauf bedacht, „grünen“ Strom zu verwenden, erklärt der TEAG Geschäftsführer weiter.

Für Nordhausen soll die Anlage im Krug nicht der letzte Anlaufpunkt für die Elektrischen sein, im Gespräch seien auch neue Schnellladepunkte in Nordhausen Nord, am Marktkauf und am Herkules-Markt in Niedersachswerfen, erzählt Dirk Daniel am Rande der Eröffnung. Man müsse dahin, wo sich die Leute ohnehin für längere Zeit aufhalten, ins Wohngebiet oder an den Supermarkt, dann klappt es auch mit der Alltagstauglichkeit.
Angelo Glashagel