Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik Nordthüringen

"Microsoft ruft nicht bei Ihnen an"

Mittwoch
19.04.2023, 06:04 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Die zweitälteste Polizeiinspektion seitdem es Thüringen wieder gibt stellte heute die „Polizeiliche Kriminalstatistik“ für das letzte Kalenderjahr vor. Glücklicherweise ohne besonders spektakuläre Vorfälle, wie Behördenleiter Matthias Bollenbach bei der Pressepräsentation betonte …

Der Leiter der Landespolizeiinspektion Matthias Bollennbach und der leitende Krnimanlbeamte Detlef Grabs stellten die Kriminalitätsstaistik vor (Foto: oas) Der Leiter der Landespolizeiinspektion Matthias Bollennbach und der leitende Krnimanlbeamte Detlef Grabs stellten die Kriminalitätsstaistik vor (Foto: oas)

Die Aufklärungsquote der erfassten Straftaten lag mit 63,4 Prozent weiterhin sehr hoch und über dem Landesdurchschnitt, freute sich Matthias Bollenbach und machte dafür den engagierten Einsatz seiner Bediensteten verantwortlich. Die Zahl der erfassten Straftaten insgesamt verringerte sich im Jahr 2022 von 20.685 Straftaten im Jahr 2021 kaum spürbar auf 20.630 im Jahr 2022.

Die für alle vier Nordthüringer Kreise zuständige Landespolizeiinspektion (LPI) weist damit das zweithöchste Fallaufkommen thüringenweit aus. Von den insgesamt 8.182 Tatverdächtigen in diesem Zeitraum waren 1.194 nichtdeutscher Herkunft.

Zugenommen haben besonders die Betrugsfälle, wobei hier vor allem die Gaunereien mit Trick- und Schockanrufen eine große Rolle spielen und die Handgreiflichkeiten, sprich Körperverletzungen, mit 313 mehr angezeigten Fällen als noch 2021. Ganze 2.397 Körperverletzungen wurden registriert, das sind im Durchschnitt pro Tag 190 Fälle zwischen Nordhausen und Bad Langensalza, zwischen Heiligenstadt und Bad Frankenhausen gewesen. Bei Rauschgiftdelikten, die in der Statistik leicht rückläufig sind, geht die Polizei davon aus, dass es eine große Dunkelziffer gibt. Wie auch bei den Anzeigen von sexueller Gewalt und Telefonbetrügereien davon auszugehen ist, dass vieles im Verborgenen bleibt. Insgesamt führte die Nordthüringer Polizei in den Kreisen Nordhausen, Unstrut-Hainich, Kyffhäuser und Eichsfeld 4.399 Ermittlungen durch. Auch hier belegte die LPI den zweiten Platz in Thüringen. „Generell müssen wir aber feststellen, dass wir in Nordthüringen in einem relativ sicheren Gebiet und in Thüringen überhaupt in einem sicheren Bundesland leben“, erläuterte Bollenbach und resümierte: „Die Gefahr Opfer einer Straftat zu werden ist in Thüringen immer nicht relativ gering im Bundesvergleich.“

Die Kriminalitätsdelikte verschieben sich von den klassischen Diebstählen und Einbrüchen hin in den Bereich der Vermögenskriminalität, wozu Internetbetrug und Telefontricks zählen, die im letzten Jahr im Bearbeitungsgebiet über 300.000 Euro Schaden angerichtet haben. Wohlgemerkt nur von den angezeigten Fällen, wusste der Kripo-Chef Detlef Grabs zu berichten. „Die Betrüger agieren international und können inzwischen auch falsche Telefonnummern generieren, die den Opfern angezeigt werden. Die Beuteerwartung ist groß, das Risiko relativ gering.“ Ein Riesenheer von einsatzbereiten Trickbetrügern stünde diesen Kriminellen zur Verfügung, die jederzeit und überall zuschlagen könnten. Hier rechnet die Polizei in den nächsten Jahren mit weiterhin steigenden Fallzahlen. Detlef Grabs gab den Journalisten auch gleich praktische Tipps an die Hand: „Microsoft ruft nicht bei Ihnen zu Hause an“, warnte er die Anwesenden. Wohl auch nicht andere Computerhersteller. Die Betrüger gingen aber so weit, dass sie sich als Rechtsanwälte ausgäben, die vor der Polizei warnten oder als Polizisten, die wegen erhöhter Einbruchsgefahr vorsorglich den Schmuck einer alten Dame einsammeln wollten. Sogar der Aufforderung, ihren Schmuck in einem Beutel über den Gartenzaun zu hängen seien einige Opfer gefolgt, bedauerte er.

Andere schwer zu bekämpfende Verbrechen sind Sexualstraftaten im Internet. Zweihundert solcher (aufgedeckten) Fälle gab es im letzten Jahr in Nordthüringen. Oft, so erzählte Detlef Grabs kämen die Hinweise vom FBI, das die amerikanischen Provider zwingt mit Bots und Künstlicher Intelligenz das Internet auf Sexualstraftaten zu durchforsten. Von der amerikanischen Bundespolizei werden die Informationen ans Bundeskriminalamt geliefert, das es an die zuständigen Landeskriminalämter verteilt. Vor allem der Bereich der Kinderpornografie ist hier relevant, bei dem nicht nur die Herstellung von Filmen, sondern auch deren Verbreitung unter Strafe steht. Die Polizei habe es technisch sehr schwer mit den Kriminellen mitzuhalten, die stets die beste Technik nutzten, sagte Grabs. Auch sei die psychische Belastung für die Beamten enorm hoch, die sich mit diesen widerlichen Produkten beschäftigen müssen. Dafür gäbe es inzwischen ein Kriseninterventionsteam bei der Polizei, das bei auftretenden psychischen Problemen hilft.

Am meisten geklaut in Nordthüringen wird im Unstrut-Hainich Kreis (Foto: oas) Am meisten geklaut in Nordthüringen wird im Unstrut-Hainich Kreis (Foto: oas)

Im Falle der Geldautomatensprengungen seien wir in Thüringen noch gut dran, erzählte der Kriminalist. In Bundesländern wie Rheinland-Pfalz, Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen würden mitunter sieben Automaten pro Nacht gesprengt. Die meisten dieser gut organisierten Gangster zögen sich mit ihrer Beute schnell nach Holland zurück, ist inzwischen bekannt. Aber auch Banden aus Polen und Rumänien seien aktiv im Geschäft, für das es nur wenig Prävention von Seiten der Polizei gäbe. Hier sind in Zukunft die Geldhäuser gefragt, ihr Geld bei Sprengungen von Automaten unbrauchbar zu machen.

Bekannt ist wohl inzwischen auch der Feuerteufel aus den Engelsdörfern im Kyffhäuserkreis, der in den letzten Monaten die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzte. Hier stünde die Polizei kurz vor Abschluss der Ermittlungen und es könne in Kürze mit einer Pressemeldung der Staatsanwaltschaft gerechnet werden, wenn der Täter endgültig überführt sei.

Die Pressemappe mit der ausführlichen und detaillierten polizeilichen Kriminalstatistik 2022 haben wir Ihnen hier als pdf-Datei abgehängt.
Olaf Schulze