Kreistagssitzung in Nordhausen

„Klimapolitik mit Brachialgewalt stößt auf Widerstand“

Dienstag
07.03.2023, 19:45 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
In der heutigen Kreistagssitzung ging es um Schulsozialarbeit, utopische Heizungspläne des Bundeswirtschaftsministers, Anpassungen zum 49-Euro-Ticket und die Entlastung der Verwaltungsspitze für das Jahr 2021. Wie die 37 stimmberechtigten Abgeordneten sich verhielten und ob alle mit den Gegebenheiten der elektronischen Abstimmungsmodalitäten klar kamen, haben wir für Sie beobachtet …

Das Landratsamt in Nordhausen (Foto: nnz-Archiv) Das Landratsamt in Nordhausen (Foto: nnz-Archiv)

Zu Beginn möchte DIE LINKE noch einen Tagesordnungspunkt aufnehmen: die Fortführung der Schulsozialarbeit an zwei Schulen (Herder Gymnasium und Grundschule Nohra) bis Ende 2023. Der Landrat sieht die Dringlichkeit für den Antrag nicht gegeben, weil die Arbeit noch bis Mitte des Jahres aus Landesmitteln abgesichert ist. Mehrheitlich wird aber dafür gestimmt, sich noch heute des Problems anzunehmen.

Zur Einwohnerfragestunde ist niemand erschienen und so startet der Landrat seinen Lagebericht mit dem Thema Migration. 1.708 Ukrainer sind bis heute im Kreis untergebracht, 180 Abmeldungen gab es bis Ende des letzten Jahres von angemeldeten Flüchtlingen aus dem osteuropäischen Land, die nicht mehr vor Ort waren. Jendricke stellte klar, dass auch für 2023 gilt: gezahlt wird nur an Menschen, die sich im Landkreis aufhalten. Alle anderen werden abgemeldet. Die Unterbringungskosten bleiben weiter strittig mit der Landesregierung, weshalb auch bis heute kein Haushaltsentwurf des Kreises vorliegt. Die finanziellen Herausforderungen seien schwierig, sagte Jendricke, auch mit anderen Kostensteigerungen wie dem Personalbereich etwa oder bauliche Maßnahmen, bei denen Kostensteigerung von bis zu 25 Prozent zu Buche schlagen. Die Fördermittel dafür werden allerdings nicht erhöht. Insgesamt erwartet der Landrat Ausgleichszahlungen von 2 Millionen Euro vom Freistaat, die aber noch nicht zugesagt sind. Wegen beabsichtigter Bedarfszuweisung wird noch abgewartet und vorerst der Haushalt in den Kommunen des Kreises besprochen. Jendricke begrüßt das 49-Euro-Ticket und nennt es „völlig angemessen“. Er vergleicht es mit der Monatskarte der Nordhäuser Straßenbahn, die jetzt auch schon 47,50 Euro kostet. Alle vorherigen Absprachen verschiedener Verkehrsträger untereinander zur Anpassung von Preisen hätten sich dadurch erledigt.

Die Heizungsdiskussion des Bundeswirtschaftsministers beunruhigt ihn allerdings. Hier, sagt der Landrat, muss energisch dagegen gehalten werden. „Klimapolitik mit Brachialgewalt wird bei der Bevölkerung auf Ablehnung stoßen“. Er nimmt dabei Bezug auf die Schulen im Landkreis, wo keine anderen Lösungen derzeit möglich sind. 50 Heizungsanlagen zählte er, wovon 30 gefährdet sind, einer Erneuerung zu unterliegen. „Bei neuen Gebäuden stellen wir uns den Herausforderungen“, so Jendricke, aber bei den bestehenden Verhältnissen seien die Forderungen Habecks nicht umsetzbar.

Eine Anfrage der AfD zur „besorgniserregenden Situation um den Haushalt“ stellte deren Fraktionschef Jörg Prophet. „Wie können wir Sie unterstützen, um die Tätigen in Land und Bund darauf aufmerksam zu machen“ Ist es möglich, den Ministerpäsidenten einzuladen und eine Diskussion zu führen, ob die nächste Pandemie vielleicht von Experten im Südharz Klinikum gemanagt werden könne? Und ob man nicht mit dem Ministerpräsidenten die Nordhäuser Tafel besuchen könne, um hautnah zu erleben, was da los ist? Weiterhin will Prophet wissen, wie viel Stunden Schulausfall es gab, in welchen Fächern gehäuft, wie viele Schüler ohne Abschluss aus der Schule abgehen im Kreis. Dazu und auch zur Frage, wann die Belastungsgrenze bei der Unterbringung von Flüchtlingen erreicht sei, will der Landrat schriftlich antworten.

Frank Rostek (CDU) fragt an, wie die Schule in Wolkramshausen weiter entwickelt werden soll. Auch hier wurde eine schriftliche Antwort versprochen. Carola Böck (CDU) freut sich, dass es nun eine Anlaufstelle für junge Erwachsene gibt, die den Jugendbetreuungsmaßnahmen entwachsen sind.

Bei der Wahl der Vertrauenspersonen und deren Stellvertreter des Wahlausschusses zur Wahl der Schöffen und Jugendschöffen beim Amtsgericht Nordhausen sollten sieben Ausschussmitglieder und sieben Stellvertreter bestimmt werden. Bis auf den siebten Stellvertreter klappte das auch. Hier brachte die Stichwahl keine nötige Zweidrittelmehrheit für einen der Kandidaten, weshalb diese Wahl in der nächsten Sitzung wiederholt werden muss.

In der Stellungnahme des Landkreises Nordhausen zum 1. Entwurf zur Änderung des Landesentwicklungsprogramms Thüringen ist die Frage der zentralen Orte fraglich, Harztor als Grundzentrum ist definiert, weil alle Gemeinden über 6.000 Einwohner vom Land als solche bestimmt werden. Nordhausen sollte aber Oberzentrum sein mit der Bedeutung der Stadt für die Umgebung. Ein solcher Textvorschlag wurde von allen Kreistagsmitgliedern befürwortet und der Entwurf einstimmig angenommen.

Für das regionale Entwicklungskonzept des Landkreises Nordhausen gab es Fördermittel, referierte Matthias Jendricke und hob die Radwege hervor, die dabei konzeptionell bearbeitet wurden. Frank Rostek monierte, dass Bleicherode nicht im Kartenmaterial vorkommt, weshalb die CDU beantragt, den Entwurf als erste Lesung zu betrachten und eine Entscheidung zu vertagen. Diesem Antrag wurde mit überwältigender Mehrheit zugestimmt und der Entwurf in die Ausschüsse zurück verwiesen.

Der Entlastung des Landrates und der hauptamtlichen Beigeordneten zur Jahresrechnung 2021 stimmten die Abgeordneten zu. Einer Änderung des Öffentlichen Dierenstleistungsauftrages und der Zusammenarbeitsvereinbarung 2018 - 2032 zur Einführung des Deutschlandtickets für 49 Euro stimmten die Kreistagsmitglieder ebenfalls zu wie auch der Änderungssatzung der Satzung zur Schülerbeförderung und der Änderungssatzung zur Gebührensatzung.

Für das Verbundprojekt und länderübergreifenden Naturschutz, in diesem Falle Kranichschutz in der Goldenen Aue, will der Landkreis laut Beschluss auch weiterhin einen Eigenanteil zahlen.

Der Wirtschaftsplan 2023 der Harzer Schmalspurbahnen GmbH wurde vom Kreistag bestätigt. Kosten für den Landkreis entstehen daraus von rund 300.000 Euro.

Eine Konkretisierung der Planung für das Multifunktionsgebäude des Humboldt Gymnasiums in der Münzgasse im Zuge der Sanierung des Staatlichen Humboldt-Gymnasiums ist erforderlich und die Service Gesellschaft des Landkreises Nordhausne soll beauftragt werden. Die Kreistagsmitglieder entscheiden sich heute für diese Planungsleistungen.

Abschließend im öffentlichen Teil war wieder Alexander Scharff (DIE LINKE) an der Reihe mit dem zeitlichen Problem der oben beschriebenen Schulsozialarbeit. Er hielt ein eindrucksvolles Plädoyer für die Verlängerung des Programms, denn bisher wurde es durch den Corona-Ausgleich finanziert. Die Rede ist davon, die Kosten von rund 50.000 Euro für die zweite Jahreshälfte als Kreis zu übernehmen, falls es keine andere Finanzierung geben wird. Ob es überhaupt eine Anschlussfinanzierung durch das Land geben wird, ist derzeit völlig offen, weshalb der Landrat auch dagegen stimmen wolle. „Es wird nicht besser, wenn wir fünf Monate überbrücken und es läuft am Jahresende doch aus“, sagte Jendricke und verwies darauf, dass viele Schulen keine Schulsozialarbeit haben und der Kreis das auch nicht finanzieren könnte.

Mit 24 Ja-Stimmen wird der Antrag der Fraktion DIE LINKE angenommen. Eine davon auch vom Landrat, der sich bei der elektronischen Abstimmung vertippt hatte.
Olaf Schulze