Zum Tod von Gerhard Wolf am 7. Februar 2023

Herr Wolf erwartet Gäste

Donnerstag
23.02.2023, 12:19 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Mit 94 Jahren starb Gerhard Wolf, der Schriftsteller, Lektor, Verleger, der Freund so mancher Literaten und Künstler, in Bad Frankenhausen geboren. Wolfs Essays über Lyriker, Schriftsteller und Künstler sind legendär. An der Dichterstätte Sarah Kirsch erinnert man sich seiner...

Im Jahr 1951 heiratete er Christa Wolf, die 2011 verstorben ist. Als fachkundig und warmherzig wird er beschrieben. Sarah Kirsch hat ihn so in Halle an der Saale in den 1960er Jahren kennengelernt. Nach ihrem Biologiestudium wandte sie sich, nachdem sie den Gedichteschreiber Rainer Kirsch geheiratet hatte, der Literatur zu, insbesondere der Lyrik.

Von großer Einprägsamkeit war Wolfs Art, die zukünftigen Poeten behutsam auf diese besondere Art des Schreibens hinzuweisen. Man traf sich einmal im Monat für zwei Tage. Sie schrieb darüber: „… wenn ich von Anfang an zum Beispiel Germanistik studiert hätte, wäre ich vielleicht zu sehr vorbelastet gewesen … Gerhard Wolf hat uns von den großen philosophischen Themen ferngehalten und uns beigebracht, über die Sachen zu schreiben, die uns umgeben, die wir wirklich kennen, das war der sogenannte ‘kleine Gegenstand‘. Und wir machten Gedichte über ein Frühstück oder über das Aufwaschen, über den Marktplatz von Halle und dergleichen.“ Sarah Kirsch hat viele Jahre mit Christa Wolf im Briefwechsel gestanden, auch Gerhard Wolf war so manches Mal einbezogen, denn sie schätzte seine Hinweise sehr. Sie waren einfühlsam-kritisch. Bereits 1989 gab Wolf, der die Lyrik der Kirsch sehr schätzte, im Aufbau-Verlag eine Sammlung ihrer Gedichte mit dem Titel „Die Flut“ heraus.

Als Ende 2002 in Sarah Kirschs Geburtshaus in Limlingerode für drei Tage ein Fest der Literatur und der Kunst zur Eröffnung stattfand, schrieb sie darüber in einem literarischen Brief nieder „Das ist ein Kulturhaus und basta!“ So hat es der Förderverein „Dichterstätte Sarah Kirsch“ die ganzen Jahre gehalten.
Auch Gerhard Wolf kam vor. Er, der auch ein leidenschaftlicher und begnadeter Koch war, lud gern sich Gäste ein, genau wie wir. Unsere Diskursekuchen, Salatüberraschungen, exklusive Beilagen sind legendär. So sollte eine unserer Veranstaltungen der Kunst des Kochens gewidmet sein. Gerhard Wolf gab seit 1990 eine Kunstbuch-Reihe heraus, die Janus press – Texte und Kunst vereint. Uns nahm das Buch „Herr Wolf erwartet Gäste und bereitet für sie ein Essen vor“ gefangen, geschrieben von Christa Wolf mit einem augenzwinkernden Text, in dem sie die Lust ihres Mannes am Kochen ironisierend darstellte und Stationen gemeinsam gelebter Zeit einarbeitete. Sie baten den befreundeten genialen Zeichner Horst Hussel, 1934 bis 2017, aus Berlin, seine kauzig-skurille Bildsprache hinzuzusetzen.

Da wir eine experimentierfreudige Meisterin der Essenszubereitung, Heinke Richter, in unseren Reihen haben, die in ihrem Bücherschrank auch eine Sammlung von Kochbüchern ihr eigen nennt, die ihr Inspirationsquelle für ihre Kochgenialität sind, beauftragten wir sie, für uns und unsere Gäste eine abwechslungsreiche Kost für Geist und Gaumen zusammenzustellen.

Gaumenergüsse und Eierfreuden (Foto: Dichterstätte Sarah Kirsch) Gaumenergüsse und Eierfreuden (Foto: Dichterstätte Sarah Kirsch)


Christa Wolf beginnt ihren Text so: „Also, sie haben fest zugesagt. / Wann kommen Sie denn? / Nächsten Freitag.“ In Sarah Kirschs Geburtshaus kommt man in der Regel am Samstag um 14.30 Uhr. Im „Salongk Musenbund“ war bereits serviert. Von allem etwas, und das möglichst schmackhaft: Ein harmonischer Eintopf, frische Salate, kleine Beilagen, eine Nachspeise, Getränke, zuletzt Kaffee, Tee und Gebäck. Düfte durchzogen den Raum, es leuchtete von den kleinen und größeren Tellern, aus den Schüsselchen und anderen Gefäßen verlockend – also Geistes- und Gaumenfreuden pur für die Gäste. Dazu die angeregten Gespräche über Gewürze und Aromen. Dieses Zusammenspiel nicht nur im Essen, sondern auch in den zahlreichen Texten, die als Lebens - Elexiere das Kirschgeburtshaus seit Jahren so anziehend machen. Die wirkliche Kunst ist die Vielfalt, das harmonische Mit – (und nicht Durch!)einander der Ingredienzien.

Dem Andenken an Gerhard Wolf sind diese Gedanken gewidmet – in der Gewissheit, dass auch er zusammen mit den vielen weiblichen und männlichen Dichtern und Schriftstellen und Musikern und bildenden Künstlern, deren Geist und Gemüt noch in dem leuchtenden Fachwerkhaus in Limlingerode schweben, lebendig bleibe.
Die Mitglieder des Fördervereins „Dichterstätte Sarah Kirsch“