SWG arbeitet an modellhafter Quartierssanierung in Nord

Zweiter Bauabschnitt des Projekts Ossietzky-Hof startet

Mittwoch
02.11.2022, 17:40 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Heute startete mit einer Feierstunde der zweite Bauabschnitt im Rahmen der klimagerechten Sanierung des Ossietzky-Hofes in Nordhausen-Nord. Damit geht das Projekt der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen in die nächste Phase...

Das umrahmende, gebäudeübergreifende Energiekonzept für das Quartier soll zukünftig Betriebskosten sparen, indem dort gewonnene Energie nicht in die Netze fließt, sondern direkt für die Mieter genutzt werden kann.

Die einstigen Rivalen ums Oberbürgermeisteramt kamen heute als Weggefährten für ein zukunftsorientiertes Bauen im Ossietzky-Quartier (Foto: oas) Die einstigen Rivalen ums Oberbürgermeisteramt kamen heute als Weggefährten für ein zukunftsorientiertes Bauen im Ossietzky-Quartier (Foto: oas)

Das gleiche gilt für die Wärmerückgewinnung aus der Lüftung: Die Wärme in der aufgeheizten Abluft geht nicht verloren, sondern wird mit Wärmepumpen für warmes Trinkwasser nutzbar gemacht. „Wir wollen mit dem Energiekonzept auf Quartiersebene nach der Sanierung Betriebskosten sparen. Einmal erzeugte Energie in Form von Strom und Wärme wird dem System wieder zugeführt. Unter den Fundamenten des geplanten klimagerechten Neubaus in der A.-Traeger-Straße soll ein Erdspeicher integriert werden, der überschüssige Energie in Zeiten der Minderabnahme zwischenspeichert und später bei Bedarf im Quartier genutzt werden kann. Dafür sind die Gebäude untereinander vernetzt. Alle Gebäude im Quartier werden darüber hinaus in den wesentlichen Bauteilen energetisch ertüchtigt“, freute sich die Geschäftsführerin Inge Klaan heute vor den goldenen Gästen über den innovativen Ansatz. Gekommen waren ins eigens aufgestellte Zelt neben Oberbürgermeister Buchmann auch Vertreter der bauausführenden Firmen, Architekten, Projektbegleiter und -unterstützer, Mitarbeiter der Stadtwerke, der EVN und auch die Geschäftsführer des Konkurrenzunternehmens WBG Südharz.

Nach den Begrüßungsworten der SWG-Chefin und des Oberbürgermeisters, der nur wenige Meter entfernt aufgewachsen ist und sich freut, dass hier ein so interessantes und zukunftsträchtiges Projekt entsteht. „Es freut mich sehr, dass die Stadt Nordhausen mit diesem zweiten Bauabschnitt einen großen Sprung in Sachen Barrierefreiheit machen wird. Außerdem ist das Energiekonzept dieses Wohnblocks das erste seiner Art in der Stadt Nordhausen. Damit sind wir für die Zukunft in der Stadt auf dem richtigen Weg,“ betonte Kai Buchmann. Er sei auch der Meinung, dass die ausgegebenen Gelder hier bestes eingesetzt sind. Experten vertieften anschließend die Funktionsweise des energiesparenden und - erzeugenden Gebäudes. Dabei wurden Thesen wie „Ganzheitliche Energieoptimierung plus Vernetzung ist gleich Quartiersansatz“ oder „Bezahlbare grüne Energie ist gleich der Motor der Energiewende“ unter dem Beifall der Anwesenden erläutert. Ein Experte erklärte zusätzlich, dass wir zum Erreichen der Klimaneutralität im Jahre 2045 anstatt zehn bis elf Tonnen CO2, die wir heute pro Menschenkopf und Jahr ausstoßen auf lediglich eine Tonne kommen müssen. Zu erreichen sei das auch durch Verzicht auf Fleischessen, denn für nur noch eine Tonne CO2 dürfe dann auch nur noch 100 Gramm Rindfleisch pro Tag zu sich genommen werden.

Die Idee für das energetische Quartierskonzept ist in gemeinsamen Planungsprozessen mit der beauftragten Planungsgruppe ARGE Ossietzky-Hof und Partnern der Energiebranche (EVN und TWS) entstanden und weist bereits jetzt bezogen auf Energieverbrauch und Ressourceneinsatz einen niedrigen ökologischen Fußabdruck auf. Schon mit der 2024 geplanten Fertigstellung des zweiten Bauabschnittes werden die bundesweiten Klimaschutzziele für 2045 erreicht. Mehr noch: Der Energieverbrauch und die Abhängigkeit vom Energiemarkt sinkt.

Ob es jedoch auch zu einem dritten Bauabschnitt (das wäre der Neubau mit integriertem Erdspeicher an der Stelle, wo früher das Schwesternwohnheim stand) kommen wird, sieht Inge Klaan angesichts der derzeitigen Situation mit Inflation, Material- und Energieknappheit skeptisch. Die Rahmenbedingungen dafür seien nicht gegeben. Sie appellierte an die Politik, in diesem Punkt für Sicherheit zu sorgen und Förderprogramme beizubehalten, ohne die es zukünftig unmöglich wird, Projekte wie dieses zu verwirklichen.
Der zweite Bauabschnitt umfasst jetzt die Sanierung des Wohnblocks in der Carl-von-Ossietzky-Straße mit insgesamt vierzig Wohnungen. Das Haus wird entkernt, die alten Balkone werden zurückgebaut und durch größere ersetzt. Versorgungsstränge, Fenster und Haustüren werden komplett erneuert. Neben Fernwärme wird das Gebäude mit erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen ausgestattet.

In diesem leergewohnten Block sollen energieeffiziente, barrierefreie Wohneinheiten entstehen (Foto: oas) In diesem leergewohnten Block sollen energieeffiziente, barrierefreie Wohneinheiten entstehen (Foto: oas)

„Hier sind deutlich größere Eingriffe vorgesehen und auch möglich, als in der Dr.-Robert-Koch-Straße, wo wir im vollvermieteten Zustand begonnen haben. Die größten Eingriffe erfolgen in den Eingängen 3 und 6. Dort werden zwei Aufzüge eingebaut und so wird unser Bestand an barrierefreien Wohnungen erweitert“, erläuterte die SWG-Chefin Inge Klaan. Bis Anfang 2024 soll dieser Wohnblock fertiggestellt sein.

Im Rahmen des ersten Bauabschnitts war der Wohnblock in der Dr.-Robert-Koch-Straße grundhaft saniert worden. Eine neue, großzügige Balkonanlage über die gesamte Fassade bietet nicht nur mehr privaten Platz, sondern im Sommer Sonnenschutz und im Winter durch Schiebelemente einen Klimapuffer. Die Arbeiten begannen im März 2021 und sind fast abgeschlossen. Der Plattenbau wurde nach KfW-Standard 100 energetisch ertüchtigt: Eine bis zu 30 Kilowatt starke Photovoltaikanlage mit 135 Solar-Modulen auf dem neuen Dach des Gebäudes wird beispielsweise für den Betrieb von Hauslüftungs- und Wärmerückgewinnungsanlagen, Wärmepumpen in Ergänzung zur Fernwärme und Ladestationen für Autos und Fahrräder genutzt. Der Außenraum im Hof wird entsiegelt und umfangreich mit Bäumen, Spielplatz, Fahrradhaus und Grünflächen aufgewertet. Im Erdgeschoss entstehen Mietergärten.

Insgesamt will die SWG bis 2025 20 Millionen Euro in das Gesamtkonzept und die Umsetzung des Projekts Ossietzky-Hofs investieren. In dieser Summe inbegriffen sind die Sanierungen der zwei Plattenbauten, der bereits vollzogene Abriss des einstigen Schwesternwohnheims und dessen klimagerechter Ersatzneubau, wie auch die Energieträgerumstellung sowie die Umgestaltung des Innenhofs und des Areals um das Quartier. Das Projekt soll zeigen, wie in einer bestehenden Wohninfrastruktur durch ein Nahwärmenetzwerk und die Nutzung dezentraler erneuerbarer Energien ein sozialverträglicher Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz geleistet werden kann.

Inge Klaan brachte die Wichtigkeit des Projektes noch einmal deutlich zum Ausdruck: „Seit dem Frühjahr letzten Jahres bauen wir um und sanieren. Es ist in der heutigen Zeit eine enorm teure Herausforderung und dennoch wichtig, denn die Klimakrise holt uns alle ein. Wir werden mit diesem Projekt unseren Beitrag zum klimaneutralen sozialen Wohnen leisten!“
Olaf Schulze