Literatur & Musik im Schloss Heringen

„Und die Rosen, und die Myrthe und die Zuckererbsen …"

Dienstag
01.11.2022, 15:06 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Die Schriftstellerin Brigitte Reimann steht in einem literarischen Programm mit Auszügen aus ihrem Briefwechsel mit Christa Wolf sowie Gedichten von Sarah Kirsch im Mittelpunkt. Zu erleben ist der Abend Mitte November im Heringer Schloss...


„Und die Rosen, und die Myrthe und die Zuckererbsen. …"
Die Schriftstellerin Brigitte Reimann
mit Auszügen aus dem Briefwechsel mit Christa Wolf
Gedichte von Sarah Kirsch

Samstag, 19. November, 14.30 Uhr
im Schloss Heringen

Rezitation: Christine Stauch
Musik: Udo Hemmann


Im Anschluss an die Veranstaltung wird zu Kaffee und Kuchen eingeladen!


Am Samstag, 19. November um14.30 Uhr lädt der Förderverein der Dichterstätte Sarah Kirsch aus Limlingerode zu einer musikalischen Lesung in das Schloss Heringen ein. An diesem Nachmittag erinnert Kulturmanagerin Christine Stauch an die Schriftstellerin Brigitte Reimann. Es werden Auszüge aus ihren Tagebüchern und aus ihrem Roman „Franziska Linkerhand“ vorgestellt, sowie Ausschnitte aus ihrem Briefwechsel mit der Schriftstellerin Christa Wolf. Dieses literarische Programm wird mit Gedichten von Sarah Kirsch lyrisch vollendet. Der Musiker Udo Hemmann wird mit Klängen einen akustischen Bogen erzeugen.

Zum literarischen Programm
Das literarische Programm ist dem Werk und dem Leben der Schriftstellerin Brigitte Reimann (1933 – 1973) gewidmet. Der Roman „Franziska Linkerhand“, der erstmalig und durch Zensur gekürzt posthum 1974 in der DDR erschien (ungekürzt 1998 im Aufbau Verlag, Berlin), zählt zu ihren bekanntesten Werken. 1966 notiert sie dazu in ihr Tagebuch:
„Hoy, 17. 1., … Ich habe mir vorgenommen, ohne Selbstzensur zu schreiben, ohne an die Folgen zu denken – einfach so, nach meiner Wahrheit…“/*2

Die Auszüge aus ihrem Roman und aus den Tagebüchern (1955 bis 1970), die umfassend in zwei Bänden 1997 und 1998 im Aufbau Verlag, Berlin erschienen sind, stellen ein ergreifendes Zeitdokument einer Epoche deutscher - DDR - Geschichte dar. Insbesondere besitzen ihre Erlebnisse im entstehenden VEB Kombinat „Schwarze Pumpe“, im Lausitzer Braunkohlerevier zeithistorische Relevanz (VEB – Volkseigener Betrieb).

„…Und die Rosen und die Myrthe und die Zuckererbsen. Doch. Genau das. Den Menschen Schuhe an die Füße. Das ist das Nächste, das Erste, dafür schreibe ich. Ich laß mir nicht Angst machen vor mir selber.“, schreibt sie am 18. Februar 1963 in ihr Tagebuch./*1

Der Einblick in den Briefwechsel mit Christa Wolf (1929 – 2011), der unter dem Titel „Sei gegrüßt und lebe“, erstmalig 1993 im Aufbau Verlag, Berlin erschien, bezeugt eine sehr vertraute Beziehung zwischen diesen Schriftstellerinnen in den letzten Lebensjahren der Autorin. Er zeigt, wie wichtig beiden Autorinnen dieser offene geistige Austausch war.

Steht die Lyrik in diesem Nachmittag zwar nicht im Mittelpunkt, so wird mit den Gedichten von Sarah Kirsch (1935 – 2013), aus dem Gedichtband „Musik auf dem Wasser“, eine poetische Vollendung des literarischen Programms spürbar. Die Dichterin Elke Erb hat diesen Gedichtband 1989 im Verlag Philipp Reclam jun. in Leipzig, noch in der DDR, herausgegeben, eine Auswahl von Gedichten aus zuvor veröffentlichten Gedichtbänden von Gedichten Sarah Kirsch, die 1977 die DDR verlassen hatte.

Im Oktober erschien gerade im Hanser Verlag, München das Buch von Carolin Würfel: „Drei Frauen träumten vom Sozialismus / Maxie Wander - Brigitte Reimann – Christa Wolf“.

Zur Autorin Brigitte Reimann
Brigitte Reimann, die 1933 in Burg bei Magdeburg geboren ist, erlebt in ihrer Kindheit das von der nationalsozialistischen Ideologie geprägte Deutschland, später als Jugendliche, mit Ende des 2. Weltkrieges, den Einmarsch der sowjetischen Armee. Mit ihrem feinsinnigen und wachen Gespür, welches von einem geborgenen bürgerlichen Elternhaus behütet war, wünschte sie sich aus diesen Erfahrungen heraus nichts mehr als mitgestaltend in eine neue Zeit zu wirken, die Frieden und Wohlstand für alle Menschen versprach.

Bereits 1953, im Alter von 20 Jahren, entschloss sie sich als freie Schriftstellerin tätig zu sein, den Aufbau des „Neuen Deutschlands“ auf diesem Weg zu unterstützen. Trotz ihrer Wahrnehmung systemimmanenter Widersprüche und erster Zweifel – sie hat sie in ihren Texten nicht verschwiegen, sich kritisch dazu geäußert – glaubte sie an eine Veränderung der Gesellschaft und daran, dass die sozialistische Entwicklung in der DDR die Verwirklichung ihres humanistischen Weltbildes entsprach.

Ihre ersten Veröffentlichungen fanden öffentliches Interesse, wurden von der politischen Elite gefördert und eröffneten ihr Möglichkeiten auch an Hörfunk- und Fernsehproduktionen mitwirken zu können. Fast enthusiastisch zog es sie, den 1959 vom Staatsratsvorsitzenden der DDR, Walter Ulbricht, verkündeten „Bitterfelder Weges“ folgend, als junge Schriftstellerin 1960 in die neu aufgebaute Stadt Hoyerswerda, um in einem neu erbauten Plattenbau unmittelbar neben ArbeiterInnen zu leben, im Gaskombinat „Schwarze Pumpe“ zu arbeiten, um mit ihrem späteren Ehemann, dem Schriftsteller Siegfried Pietschmann (1930 – 2002) einen „Zirkel schreibender Arbeiter“ zu gründen. Sie begab sich an einen politischen und wirtschaftlichen Brennpunkt, denn dieser VEB – also dieser volkseigene Betrieb: - das Kombinat „Schwarze Pumpe“ - wurde in dieser Zeit als größter Braunkohleveredlungsbetrieb der DDR aufgebaut, mit zentraler Bedeutung für die energiewirtschaftliche Versorgung des Landes. Nebenbei erwähnt sei, dass es 1968 Ingenieuren des Kombinates erstmalig gelang aus Braunkohle Gas zu erzeugen, das sogenannte Stadtgas, weshalb dann auch das Kombinat in VEB Gaskombinat Schwarze Pumpe umbenannt wurde.

Doch ihre Wünsche und Vorstellungen wurden von ihren Erfahrungen der gesellschaftlichen Realität sukzessive erdrückt. Neben ihren Enttäuschungen, insbesondere von der restriktiven Kulturpolitik, mußte sie auch persönlich von ihrer Vorstellung, einem freien und selbstbestimmten Leben als Frau, Abschied nehmen. Resignierend vermerkt sie 1968 in ihrem Tagebuch: „Schwarze Pumpe, 9.8.68 …. Alles schmeckt nach Abschied …“/*2

Noch im gleichen Jahr erfährt sie von ihrer Krebserkrankung. Auch der Umzug nach Neubrandenburg 1968 führt nicht zu dem von ihr erhofften Neuanfang. Trotz aller Resignation und zunehmender gesundheitlichen Einschränkungen bleibt sie bis zuletzt eine wache und aufmerksame politische Beobachterin, bewahrt sie sich ihre Lebensfreude. So schreibt sie in einen Brief an Christa Wolf: „Neubrandenburg, am 25.2.70, Liebe Christa, …und im Frühling bin ich wieder fit. Herrje, ich bin richtig frühlingssüchtig und beschreibe seitenlang einen taufeuchten Garten und einen Junihimmel und derlei Köstlichkeiten. ., sei selbst ganz herzlich gegrüßt von Deiner Brigitte“/*3

Brigitte Reimann stirbt 1973 in Berlin, kurz vor ihrem 40. Geburtstag.

Zu ihrem langjährigen Freundeskreis gehörten u.a. die Schriftstellerin Irmgard Weinhofen und Christa Wolf sowie die polnische Schriftstellerin Sonja Marchlewska, die Schriftsteller Reiner Kunze und Günther de Bruyn, der Verleger Gerhard Wolf und der Architekt Hermann Henselmann.

Zu ihren bekanntesten Werken gehören die Erzählungen: „Die Frau am Pranger“, 1956 und „Die Geschwister“, 1963, das Hörbuch „Ein Mann steht vor der Tür“, 1960, sowie „Franziska Linkerhand“, 1974, ihr letztes Werk, ein Roman, an dem sie über 10 Jahre, bis zu ihrem Tod, gearbeitet hat.

1965 erhielt sie für ihre Erzählung „Geschwister“ den Heinrich Mann Preis, ein Literaturpreis, der von der Akademie der Künste der DDR verliehen wurde.

*1 Band 1 der Tagebücher, „Ich bedaure nichts“, Aufbau Verlag, Berlin, 1998, S. 296
*2 Band 2 der Tagebücher, „Alles schmeckt nach Abschied“, Aufbau Verlag, Berlin, 1998, S. 180
*3 “Sei gegrüßt und lebe / Brigitte Reimann - Christa Wolf – Eine Freundschaft in Briefen“, S. 70