Rede von Matthias Reinz auf der Kundgebung am Montag

"Bleiben wir uns treu!"

Donnerstag
20.10.2022, 15:45 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Wie angekündigt wollen wir Ihnen hier den genauen Wortlaut des Redebeitrages präsentieren, den Matthias Reinz als Anmelder der Versammlung am letzten Montag auf dem Bad Langensalzaer Neumarkt besteuerte...

Matthias Reinz am vergangenen Montag auf der Kundgebung in Bad Langensalza  (Foto: oas) Matthias Reinz am vergangenen Montag auf der Kundgebung in Bad Langensalza (Foto: oas)

"Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger aus Bad Langensalza, verehrte Gäste,

wieder einmal versammeln wir uns gemeinsam auf dem Neumarkt unserer Stadt. Wieder einmal stehen wir gemeinsam hier, um unsere Stimme zu erheben. Wieder einmal hoffen wir darauf, Gehör zu finden.

„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, egal wie es geht.“ Das wusste schon der tschechische Schriftsteller, Menschenrechtler und Präsident Václav Havel.

Seit unserer letzten Versammlung vor einigen Wochen ist auf der einen Seite so viel passiert, aber hat sich auf der anderen Seite doch so wenig bewegt. Der Krieg in der Ukraine geht weiter, das Leid auf allen Seiten konnte nicht beendet werden. Die Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine werden fortgesetzt. Bisher wurde nichts unternommen den Konflikt mit Diplomatie in den Griff zu bekommen. Die Energiekrise geht weiter. Die Stabilität unserer Infrastruktur wird durch Anschläge erschüttert. Die Lage wird immer dramatischer. Viele Dinge, Konsequenzen und Folgen, die wir auf unserer letzten Kundgebung angesprochen haben, sind eingetreten oder haben eingesetzt. Doch die Antworten aus Berlin bleiben weiterhin aus.

Dennoch stehe ich hier heute nicht als erster Bürger der Stadt, sondern als Bürger. Nicht als Bürgermeister, sondern als Matthias Reinz vor ihnen. Dies macht für mich, für uns und unser gemeinsames Anliegen keinen Unterschied. Wohl aber für das Thüringer Innenministerium. Das hat sich im Nachgang der vergangenen Kundgebung an die Stadtverwaltung gewandt. Man möge jetzt vielleicht denken, um Antworten auf die dort gestellten Fragen und Forderungen, oder um Hilfestellungen für die Kommunen in diesen prekären Zeiten zu geben.

Dies war mitnichten so. Vielmehr wies man darauf hin,dass man als Bürgermeister oder Landrat eine solche Veranstaltung besser zu unterlassen habe und diese unter Umständen rechtswidrig sei. Offensichtlich hat die Regierung immer noch nicht verstanden, worum es geht, was uns bewegt und wo die Probleme liegen. Und offensichtlich scheint ihnen der offene Protest und das Hinweisen auf Missstände in der Bevölkerung und Probleme der Bürgerinnen und Bürger ein Dorn im Auge zu sein.

Aber nur, weil man etwas nicht aussprechen darf, sind die Probleme nicht auf einmal verschwunden. Obwohl man Redeverbote erlässt, bleiben die Probleme die gleichen. Gerade wenn aus Erfurt und Berlin keine Lösungen kommen.

Und genau deshalb stehen wir heute wieder gemeinsam hier. Und ich verstehe dies auch als Zeichen der Solidarität. Ein Zeichen der Unterstützung des Engagements, auch wenn man mir die Stimme als Bürgermeister verbieten will. Ich danke Ihnen umso mehr für Kommen und Ihre Unterstützung. Dies bedeutet mir viel.

Doch lange nicht alle, haben diesen Mut bisher gefunden, gemeinsam ein Zeichen mit uns zu setzen. Einige können dies schlichtweg nicht offen tun, aus Furcht vor Konsequenzen. Dennoch erreichten mich in den vergangenen Wochen zahlreiche Nachrichten und Anrufe. Unzählige Menschen traten persönlich an mich heran. Darunter waren auch Nachrichten von Bürgermeistern aus ganz Deutschland, von Geschäftsführern, Verbandsvorsitzenden, von Bürgerinnen und Bürgern. Darunter ein ranghoher Offizier der Bundeswehr. Er gratulierte mir zu meinem Mut und meinen ehrlichen Worten. Er schrieb mir „Ich finde es absolut stark, dass Sie in Ihrer Rede ehrlich und aufrichtig waren. Ich glaube, dass die Menschen genau das in dieser Zeit brauchen.“

Ein anderer hochrangiger Bundeswehroffizier forderte in der vergangenen Woche in der deutschlandweiten Presse dazu auf, die Bürgerinnen und Bürger sollten sich mit Batterien und Taschenlampen ausrüsten und sich auf eine eventuell bevorstehende Krise in weiten Teilen der Infrastruktur vorbereiten.

Die Regierung dementierte sofort, die Lage sei nicht im Ansatz so dramatisch. Ich bitte sie alle, ganz genau daran zu denken, wenn bei uns im Winter das Licht und die Heizung ausgehen.

Aus diesem Grund hat der Bürgermeister der Stadt Bad Langensalza in dieser Woche zu einem Krisengespräch ins Rathaus geladen, indem er sich mit Vertretern der Polizei, der Feuerwehr, der Ordnungsbehörde der Stadtverwaltung sowie Vertretern des Verbandswasserwerkes, des Abwasserzweckverbandes, der Stadtwerke, des Hufelanklinikums und der Wohnungsbaugesellschaft austauschen möchte, um gemeinsam über bestehende Notfallpläne zu beraten bzw. sie anzupassen.
Was so leicht daher gesagt ist, sich einen zweiten Pullover anzuziehen, wenn einem kalt ist, kann sich ganz schnell zu einem ernsthaften Problem entwickeln. Der Winter steht uns unmittelbar bevor und keiner kann sagen, ob es ein milder oder im ungünstigsten Fall ein strenger Winter wird, ob wir mit großflächigen Stromausfällen rechnen müssen oder nicht.

Natürlich werden sich jetzt die Kritiker zu Wort melden und sagen, er schürt mit seinen Worten Panik und spielt mit den Ängsten der Menschen. Diesen Kritikern sei aber gesagt: bitte setzen Sie endlich ihre rosarote Brille ab, denn es wäre grob fahrlässig sich zurückzulehnen und darauf zu warten was passiert. Denn hier kann es im schlimmsten Fall um Menschenleben gehen, die der Bürgermeister nicht verantworten kann und will. Deshalb will er lösungsorientiert und verantwortungsbewusst denken und handeln.

Die Lage ist dramatisch. Noch dramatischer als vor vier Wochen. Doch es gibt noch immer keine Lösungen. Stattdessen Anschläge auf unsere Infrastruktur, mit denen unsere Sicherheitsbehörden überfordert scheinen. Und wir schlittern offen in eine Rezession. Ich habe beim letzten Mal bereits darauf hingewiesen. Ich sagte damals, es seit fünf vor zwölf. Heute ist es fünf nach zwölf.

Aus diesem Grund musste für die Stadt Bad Langensalza eine Haushaltssperre erlassen werden. Die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt steht nun offen in Frage. Das heißt ganz konkret, dass die geplanten Vorhaben und Investitionen, die im Haushaltsplan getroffen wurden, nicht mehr umgesetzt werden können. Durch die Belastung der heimischen Betriebe sind nunmehr weniger Steuereinnahmen zu erwarten, im Gegenzug steigen die Ausgaben. Dadurch gerät der Haushalt in Schieflage. Dies alles ist eine Spirale nach unten, bei der kein Boden abzusehen ist.

Auch die Wirtschaftspläne der städtischen Unternehmen und Gesellschaften sind betroffen. Hart trifft es dabei unsere Stadtwerke und Wohnungsbaugesellschaft.

Zugegeben: Die Bundesregierung plant Entlastungspakete. Aber diese werden nicht annähernd ausreichen, die gestiegenen Kosten zu kompensieren. Und jeder weiß doch, dass das Geld irgendwo herkommen muss. Jetzt wird über 200 Milliarden geredet.
Gleiches gilt für mich im Übrigen auch für das in der vergangenen Woche im Thüringer Landtag verhandelte Hilfspaket in Höhe von 400 Millionen Euro. Laut MDR sollen 300 Millionen Euro für private und kommunale Unternehmen zur Verfügung stehen und rund 100 Millionen sollen an Vereine und Privatpersonen ausgezahlt werden. Geht man von den 100 Millionen Euro für Privatleute in Thüringen aus, macht das durchschnittlich etwa 50 Euro pro Person aus.

Ob 200 Milliarden oder 400 Millionen: Wer bezahlt die Zeche denn am Schluss? Letztendlich sind es unsere Kinder. Dies kann nicht die Lösung sein. Es werden nur die Symptome bekämpft, aber nicht die Ursachen.

Die Preise und Steuern müssen runter und zwar sofort.

Und dies ist nicht mit Entlastungspaketen zu erreichen, sondern nur mit einer vernünftigen Energie- und Friedenspolitik.

Nordstream 1 und 2 müssen schnellst möglich wieder geöffnet werden,

sichere Atomkraftwerke müssen ans Netz und das nicht nur im Notbetrieb und
es müssen neue sichere AKW´s gebaut werden. Unsere Nachbarn in Europa machen es uns doch vor, wie es geht.

Das Entlastungspaket über 200 Milliarden Euro wird von Bundeskanzler Scholz mit den Worten „Doppel-Wumms“ verkauft. Damit will er sich wohl der Sprache anbiedern, die, so meint er, der normale, durchschnittliche Bürger spricht. Die Menschen wollen aber keine Veralberung, sie wollen Lösungen. Wann wird endlich erkannt, dass die Menschen dringenst Hilfe benötigen?

Neben den Entlastungen bzw. Preisbremsen für Endverbraucher fehlt dringend ein Schutzschirm für Stadtwerke. Diese Liquiditätshilfen sind erforderlich, um den Mittelbedarf zur Vorfinanzierung der gestiegenen Beschaffungskosten zu schultern und geforderte Sicherheiten an Vorlieferanten stellen zu können. Die Städte stoßen bei ihren Hilfsbestrebungen an die Grenzen der Kommunalordnung, so dass das Land Thüringen und der Bund gefragt sind. Wenn hier keine Hilfestellung erfolgt, sind viele kommunale Verbünde in Gefahr.

Die Schieflage am Energiemarkt führt außerdem dazu, dass teilweise Grundversorger ihr Geschäftsfeld aufgeben oder Lieferanten ihre Kunden aus laufenden Verträgen kündigen. Einige Kunden erhalten keine Angebote mehr und auch die Stadtwerke können vermehrt nur noch auf wenige Lieferanten zurückgreifen. Unter diesen schwierigen Randbedingungen ein stabiles Umfeld für alle Beteiligten zu erhalten, ist eine schwierige Aufgabe.

Die hohen Energiepreise treiben maßgeblich die Inflation in Deutschland voran, so dass die Lebenshaltungskosten der Bevölkerung steigen und immer weniger Geld zur freien Verfügung steht. Gleichzeitig steigen dadurch auch die Baupreise, zusätzlich beschleunigt durch gestörte Lieferketten und Materialengpässe durch verringerte Produktionskapazitäten infolge der Energiepreise. Dies alles wird sich letztendlich auch in höheren Mietpreisen widerspiegeln, die den stark erhöhten Baupreisen und Instandhaltungskosten Rechnung tragen.
Extremen Einfluss haben die hohen Energiekosten auf die Gesamtmiete, also die Nettokaltmiete mit Betriebskosten.
Die Mieter in Fernwärmewohnungen müssen mit mindestens einer Verdopplung Ihrer Ausgaben für Heizung und Warmwasser rechnen. Ähnlich sieht es für Mieter mit Gastherme oder Gaszentralheizung aus. Die allgemeinen Erhöhungen führen insgesamt zu einer drastischen Mehrbelastung der Mieter, aber haben auch erhebliche negative Auswirkungen für die Liquidität und das wirtschaftliche Ergebnis der Wohnungsunternehmen.

Die Bürger sind müde und mürbe von den ganzen Krisen, die uns jetzt schon über ein Jahrzehnt begleiten und die sie bewältigen und verkraften müssen. Griechenland, Banken, Flüchtlinge, Corona und jetzt Ukraine. Viele sind weichgekocht und können einfach nicht mehr. Sowohl finanziell als auch mental und psychologisch. Dies zehrt alles an den Kräften jedes Einzelnen. Und was am schlimmsten ist, ist die Ungewissheit was noch kommt. Dennoch werden wir gemeinsam nicht müde zu sagen, wo die Probleme liegen, was falsch läuft und wo wir Hilfe brauchen.

Bevor ich nun an unsere beiden Gastredner übergeben darf, denen ich bereits jetzt für ihren Mut und Ihr Engagement danken möchte und in deren Zeichen die heutige Versammlung stehen soll, möchte ich noch eines direkt nach Erfurt und ganz besonders in das Thüringer Innenministerium rufen:

Der Amtseid eines Bürgermeisters in Thüringen lautet: Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Freistaats Thüringen sowie alle in der Bundesrepublik geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft und unparteiisch zu erfüllen. Und hier schließt sich der Kreis.

Artikel 28 Absatz 2 des Grundgesetzes lautet wie folgt:
Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Und die Thüringer Verfassung führt das Gleiche aus.

Ich appelliere deshalb an die Bundes- und Landesregierung. Lasst uns unsere Aufgaben erfüllen. Wir sind hier vor Ort für die Bürger die Ansprechpartner und hören jeden Tag ihre Sorgen und Nöte.
Lasst uns arbeiten und für die Menschen da sein und stellt uns nicht jedes Jahr vor neue, nicht zu bewältigende Aufgaben.

Abschließend möchte ich auch heute wieder klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass ich hier nicht stehe, um gegen unsere Demokratie zu rebellieren. Aber ich fordere, dass nicht jeder, der seine Meinung frei äußert unter Generalverdacht gestellt wird.

Ich wünsche mir, dass auf Landes- und Bundesebene unsere Ängste und Sorgen endlich richtig und ernsthaft wahrgenommen werden und darauf reagiert wird, denn wie sagte einst Jacques Tati:
„Wer sich zu groß fühlt, um kleine Aufgaben zu erfüllen, ist zu klein, um mit großen Aufgaben betraut zu werden“.

Bleiben wir uns treu! Vielen Dank!
Matthias Reinz