An den Regelschulen wird es eng

Unfug von allen Seiten

Donnerstag
20.10.2022, 06:00 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung, egal woher es kommt. Für viele ukrainische Kinder greift die Schulpflicht inzwischen, was die Schulträger aber vor große Herausforderungen stellt. Im Landkreis, vor allem in der Kreisstadt, werden die Plätze knapp…

Unterricht für Geflüchtete Kinder an der Petersbergschule 2016 (Foto: nnz-Archiv) Unterricht für Geflüchtete Kinder an der Petersbergschule 2016 (Foto: nnz-Archiv)


Rund 29.000 Ukrainerinnen und Ukrainer halten sich zur Zeit in Thüringen auf, rund zwei Drittel sind Frauen und Kinder. Das es schwierig werden würde, für alle schulpflichtigen Schutzsuchenden auch einen Platz zu finden, davor warnen die Schulträger seit Beginn der Ukraine-Krise.

Mit dem Beginn des neuen Schuljahres sind die Probleme akut geworden, die Kapazitäten vor allem im Regelschulbereich kommen an ihre Grenzen.

Im Integrationsbeirat des Landkreises hatte man sich heute fachkundige Gäste eingeladen, darunter auch Franka Hitzing, die sich im Nordthüringer Schulamt mit dem Thema befasst. Und dort klingeln aktuell alle Alarmglocken. Die Grundschulen und Gymnasien treffe die Problematik weniger hart, meint Hitzing, da aber alle neuen Schülerinnen und Schüler ohne Sprachkompetenz in das Regelschul- und Hauptschulsystem kommen, wird es hier zunehmend eng.

Die größte Regelschule des Kreises ist mit einer Raumkapazität von knapp 420 Plätzen die Lessing-Schule in Nordhausen. Für die vierzügige fünfte Klasse sind 96 Plätze vorgesehen, aktuell besetzt sind 92 und zehn Neuzugänge stehen schon vor der Tür. Die Förstemannschule und der Realschulteil der Käthe-Kollwitz-Schule sind bereits voll belegt, die Petersbergschule hat nur noch eine Handvoll Plätze. Auf dem Land sieht es etwas besser aus, während es auch in Niedersachswerfen schon knapp werde, habe man in Ellrich, Bleicherode Heringen und an der Regelschule Hainleite noch Kapazitäten.

Nun steht man vor einer Zwickmühle. Neue Klassen könne man nicht einfach aufmachen, dafür fehle es schon an Räumlichkeiten und existierende Klassen noch größer zu fassen, sei nicht mehr möglich. Die Situation sei „eigentlich furchtbar“ und „absolut nicht zufriedenstellend“ sagt Hitzing im Integrationsbeirat. „Heute und diese Woche ist noch alles gut, nach den Ferien ist diese Situation nicht mehr aktuell“.

Also müssen Alternativen her. Zumindest in der Theorie. Denn viel Spielraum hat man in der Praxis nicht, das Gesetz macht den Ämtern und Schulträgern klare Vorgaben über die sich niemand hinwegsetzen kann. Auf der einen Seite steht die Schulpflicht. Ukrainischen Online-Unterricht gibt es zwar, aber der ersetzt den Besuch einer deutschen Schule vor dem Gesetz nicht und mag somit zwar den Schülern helfen, entlastet aber die Schulen keineswegs. Eine Aufweichung der Schulpflicht stehe von Seiten des Landes nicht im Raum, erklärt Hitzing auf Nachfrage aus dem Beirat, man habe sich in Erfurt für heterogene Klassen entschieden, in denen die ukrainischen Kinder der deutschen Sprache direkter ausgesetzt sind und zügiger lernen können.

Mit dem „Rechtskreiswechsel“, also dem Wechsel der Zuständigkeit für Flüchtlinge aus dem Bereich Asyl hin zum Jobcenter, sind dem Landratsamt zudem weitestgehende die Hände gebunden, wenn es um die Verteilung der Menschen geht. Unter der Asylgesetzgebung können noch Vorgaben gemacht werden, im Bezug des Jobcenters besteht freie Wohnortwahl. Der Nordhäuser Wohnungsmarkt habe sich robuster gezeigt als man erwartet habe, ist Landratsmitarbeiter Marc Hesse zu vernehmen. Das ist zum einen gut, weil man sich nun nicht mehr darauf konzentrieren müsse, mit hohem Aufwand Wohnungen auszustatten sondern stattdessen Ankunftszentren einrichten und die Wohnungssuche dem Einzelnen überlassen könne. Auf der anderen Seite hat man über den Leistungsbezug im Jobcenter ein schwächeres Steuerungselement.

Stadt und Kreis müssen übereinkommen
Der Integrationsbeirat ist vornehmlich beratender Natur, taugt aber auch, um einmal Kritik zu äußern. Das rigide Korsett indem sich Verwaltung und Schulamt bewegten verhindere flexible Lösung ist aus dem Beirat zu hören. Man veranstalte „Unfug im großen Stil“, der keiner Seite gut tue und verhindere pragmatische Lösungen. Den Zuständigen vor Ort sind aber die Hände gebunden und wenn es schon keine pragmatischen Lösungen geben kann, dann sollten es wenigstens praktische sein.

Die könnten zum Beispiel so aussehen, dass die Stadt Nordhausen, in der ein Großteil der Geflüchteten lebt, dort wo es möglich ist, schulpflichtige Nicht-Deutsche an die Realschulen des Landkreises entsendet. Möglichkeit Zwei bestünde in einem sogenannten „Gastschulantrag“ den Eltern stellen können um den Schulort ihres Kindes frei zu wählen. Damit einher geht aber auch, das die Familien dann für die Fahrtkosten aufkommen müssten.

Wahrscheinlicher ist in Anbetracht der Sachlage wohl Lösungsvariante 1, die aber bedingen würde, dass sich Stadt und Kreis als Schulträger zu den Fahrtkosten und der Taktung der Busse verständigen. „Das ist mit Sicherheit ein lösbares Problem aber man muss es ansprechen“, sagt Franka Hitzing und mahnt im gleichen Atemzug das, wenn es so weiter geht, man bald „an ein Ende kommt“.
Angelo Glashagel