Eröffnung des Schillergymnasiums

Ein Stück Kunst gerettet

Freitag
07.10.2022, 08:53 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Gestern wurde die offizielle Übergabe des Schiller-Gymnasiums in Bleicherode groß gefeiert. Mit dabei war auch Kunstexpertin Heidelore Kneffel und die freute vor allem, dass man im neuen Bau auch etwas Altes erhalten konnte...

Nach der umfänglichen Rekonstruktion zeigt sich das Schulgebäude im schmucken Gewand, dass man dann bei einem Rundgang entdecken kann.

Dabei durchläuft man im ersten Obergeschoß einen Flur, der mit einem Wandgemälde in den Maßen ca. 11 m breit und 1,5 m hoch aufwartet und um 1955 als Auftragswerk für die Schule gemalt wurde. „Es ist ein schönes Gefühl, ein Bild zu ‚entdecken‘, ein Motiv zu finden, zu komponieren!“ Der solches formulierte, war der Künstler Otto Knöpfer, der diese Kunst am Bau schuf im Auftrag des Verbandes Bildender Künstler des Bezirkes Erfurt. Verfolgen wir Hauptetappen seines Lebens bis zur Entstehungszeit des Bildwerkes.

Er wurde 1911 in Arnstadt geboren, sein Vater war Dekorationsmaler, wuchs in Holzhausen in der Nähe der Wachsenburg auf. Nach einer Malerlehre wurde er von 1931 bis 1935 an der Kunstgewerbeschule in Erfurt vor allem in der Tafel- und Wandmalerei ausgebildet. Er hatte das Glück, bei Franz Markau (1881-1968) zu studieren, der ein intensiver Forscher auf dem Gebiet der Farblehre war und diese Erkenntnisse in seiner eigenen Malerei anwandte.

So sah die Wandmalerei Otto Knöpfers anno 1999 aus (Foto: Heidelore Kneffel) So sah die Wandmalerei Otto Knöpfers anno 1999 aus (Foto: Heidelore Kneffel)


1937 zog es Knöpfer nach Italien, ein Jahr später noch einmal, nachdem er ein Studium an den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin Charlottenburg abgebrochen hatte. Von 1940 bis 45 absolvierte er den Kriegsdienst als Kartenzeichner in Italien und Südfrankreich. 1951 übersiedelte er mit seiner Frau Erna nach Erfurt, wo er bis 1955 als Leiter der Abteilung Dekorative Malerei an der Landes- bzw. Fachschule für angewandte Kunst tätig war, die dann aufgelöst wurde. Damals lief in Weimar die Bezirksausstellung „Leben atme die bildende Kunst.“ Seit dieser Zeit war er freischaffender Künstler, der sich gern der Landschaftsmalerei und dem Still-Leben widmete, auch der Menschendarstellung.

In dieser Phase seines Lebens war er wie andere Kunstschaffende auch angewiesen auf staatliche Aufträge. In der DDR war es damals üblich bei Neubauten zwei Prozent der jeweiligen Bausumme für Kunst am Bau auszugeben. So bekamen auch viele neue Schulen im Inneren oder an den Außenwänden Bildwerke. Von 1946 bis Ende 1959 galt das Gesetz zur Demokratisierung der Schulen in der sowjetischen Besatzungszone, dann DDR, so auch in Bleicherode. Um 1955 bekam Knöpfer den Auftrag, für einen der Flure im 1. OG im mittleren Gebäudeteil einen Wandfries über den Türen zu malen. Er wählte die Seccomalerei, eine besondere Technik der Wandmalerei. „al secco“ bedeutet, auf das Trockene malen. Im Gegensatz zur Frescomalerei wird dabei die Farbe nicht auf den feuchten Putz aufgetragen, sondern auf einen bereits Trockenen. Auf den Zementputz trug er eine weiße Grundierung auf, die er mit Leimfarbe bemalte. Das berühmteste Beispiel für diese Art ist „Das letzte Abendmahl“ von Leonardo da Vinci in einer Mailänder Kirche.

Knöpfer entschied sich für sechs Schülergruppen, die aus je drei Kindern bestehen. Die Zahl Drei erzeugt mehr Handlungsspielraum unter den Personen, er kann dadurch etwas Perspektive erzeugen. Den damals geforderten Kunststil nannte man „Sozialistischen Realismus“, der in der Sowjetunion „erfunden“ und auf die DDR übertragen worden war. Es gab darüber das Rätselraten unter den Funktionären, die ja in der Regel nicht künstlerisch ausgebildet waren, aber vor allem unter den Kunstschaffenden, die, wie am Beispiel Knöpfers dargestellt, vorwiegend in „moderner Klassik“ ausgebildet worden waren - ein weites Feld! Die Schüler und Schülerinnen, die bei der Bildentstehung teilweise der Pionierorganisation angehörten, sollten eine optimistische Haltung zeigen, tatkräftig lernen, Zuversicht ausstrahlen, ernsthaft sein können und fröhlich. Viel Spielraum blieb Knöpfer nicht, denn die Arbeit sollte bedingt durch die Schmalheit des Bildgrundes über den Türen im dekorativen Rahmen dargestellt werden.

Abgenommen, aufgefrischt und aufgetragen - am Bleicheröder Schillergymnasium konnten die Wandbilder erhalten bleiben (Foto: agl) Abgenommen, aufgefrischt und aufgetragen - am Bleicheröder Schillergymnasium konnten die Wandbilder erhalten bleiben (Foto: agl)


Die Bilderleiste soll von links nach rechts gelesen werden und fängt mit der Einschulung an. Der Maler zeigt zwei Jungen, die ein Mädchen in ihre Mitte genommen haben. Der etwas vorn stehende Schüler trägt die Schiefertafel unterm rechten Arm, ein hölzernen Griffelkasten wurde davor geklemmt, in dem die Schieferstifte liegen, ein Schwämmchen und ein Läppchen sind an der Tafel befestigt. Der zweite Junge trägt den Schulranzen auf dem Rücken und zeigt mit ausgestreckter rechter Hand den beiden einen roten Stern. Neben dieser Gruppe gestalten drei größere Kinder eine Wandzeitung. Die vorletzte Gruppe zeigt, dass die Kinder handwerklich ausgebildet werden, eine Jungpionierin trägt einen Gliedermaßstab, der Junge neben ihr eine Wasserwaage, sein Nachbar ein Lot. Den Abschluss bilden ein Junge und zwei Mädchen. Der Junge hält einen Speer, das Mädchen mit einem Bubikopf trägt zwischen den Händen einen Gymnastikball, eine Bezopfte spielt Gitarre. Neben der Gruppe liegt ein großer lederner Medizinball.

Im Landratsamt Nordhausen als Eigentümer/Rechtsträger und im Kollegium des staatlichen Friedrich-Schiller-Gymnasiums entschied man sich, die Wandmalerei zu erhalten und bezog Suzy Hesse, die Diplomrestauratorin für Wandmalerei und Architekturoberflächen aus Nordhausen hinzu, denn die Raumsituation um das Bild sollte sich in Teilen ändern. Man musste sich deshalb entschließen, zwei Bildteile von der Wand zu entnehmen und als Tafelbilder extra aufzuhängen. Über diesen Prozess gibt es von Frau Hesse eine ausführliche Dokumentation. Diese Herausforderung wurde von ihr gemeistert, das Ergebnis kann man am 6. Oktober in der Schule betrachten.