SPD Sommerfest

An der Basis rumort es

Freitag
02.09.2022, 06:00 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Zwei Tage nach den Christdemokraten luden gestern Abend auch die Sozialdemokraten zum Sommerfest. Gäste aus der ganz hohen Politik gab es keine, man blieb an der Basis, übte sich in Optimismus, musste sich aber auch sehr klare Worte anhören…

Die SPD kam zu ihrem Sommerfest am gestrigen Abend in Werther zusammen (Foto: agl) Die SPD kam zu ihrem Sommerfest am gestrigen Abend in Werther zusammen (Foto: agl)


Die Nordhäuser Sozialdemokraten hatten am gestrigen Abend nach Werther geladen. Vor dem Vereinsheim am Sportplatz konnten die Genossen nach drei Jahren Zwangspause wieder einmal in aller Ruhe die Köpfe zusammenstecken.

Als Gast begrüßte man Katharina Schenk, Staatssekretärin für kommunale Fragen in Erfurt. Der Bundestagsabgeordnete Carsten Schneider ließ sich entschuldigen, man weilt derzeit in Dresden zur Bundesklausur und die ist wichtig, erklärte die Kreisvorsitzende Anika Gruner. Den Reden müssten bald Taten folgen, meinte die. „Die Leute hier draußen haben Fragen und im Moment können wir nur schlecht antworten geben“, so die Vorsitzende, man habe sich im Wahlkampf für Olaf Scholz eingesetzt, stelle nun den Kanzler und müsse den Menschen nun auch etwas anbieten oder man treibe den „Montagsspaziergänger“ noch mehr Publikum in die Arme.

Die einleitenden Worte übernahmen Hans-Georg Müller (links) und Anika Gruner (rechts), Nordhausens Bürgermeisterin Alexandra Rieger wurde für 15 Jahre Engagement in den Reihen der SPD geehrt (Foto: agl) Die einleitenden Worte übernahmen Hans-Georg Müller (links) und Anika Gruner (rechts), Nordhausens Bürgermeisterin Alexandra Rieger wurde für 15 Jahre Engagement in den Reihen der SPD geehrt (Foto: agl)


Wie sich die Welt in den letzten Jahren verändert hat, habe er nicht für möglich gehalten, sekundierte Hans-Georg Müller, Vorsitzender der Stadt-SPD. Man könne und müsse nun etwas leisten, Vorhaben wie die Übergewinnsteuer etwa. Man dürfe den Zugang zur Bevölkerung nicht den Populisten überlassen, die SPD habe immer Realpolitik vertreten und das müsse auch so bleiben.

Eine Chance, verlorenen Boden wieder gut zu machen sieht auch Katharina Schenk, die sich Ende September für den Parteivorsitz in Thüringen bewirbt und bei den Nordhäusern um Unterstützung warb. Sie sei dafür, die Dinge anzupacken, die man auch tatsächlich selber in der Hand habe, sprich vor allem das Kommunale. Nach zweieinhalb Jahren als Staatssekretärin habe sie außerdem gelernt, den „ideologischen Baukasten zu verstauen“ und mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, egal aus welcher Ecke. Solange das Gegenüber auf dem Boden der demokratischen Grundordnung stehe, lohne es sich zu reden, auch wenn man den Ansichten des anderen nicht zu 100 Prozent zustimme. „Zuhören und machen“, frei nach Wolfgang Tiefensee, sei ein Slogan der der SPD gut zustünde. Man müsse sich Fragen, wie man soweit auseinander gekommen sei und wie man wieder zueinander finden könne. Wenn es gelänge die SPD wieder stark zu machen, dann sei es auch möglich, ein progressives Bündnis in Thüringen anzuführen.

Staatssekretärin Katharina Schenk ist sich sicher, dass die SPD ein "progressives Bündnis" im Freistaat anführen könne (Foto: agl) Staatssekretärin Katharina Schenk ist sich sicher, dass die SPD ein "progressives Bündnis" im Freistaat anführen könne (Foto: agl)


Die ersten Töne der Kritik kamen von Nordhausens Bürgermeisterin Alexandra Rieger, die am Rande für 15 Jahre Engagement in den Reihen der Genossen geehrt wurde. „Wir sind froh und dankbar über jeden Laden, jedes Geschäft und jedes Gewerbe aber wir hören auch vermehrt Stimmen die sagen, „bei den Energiepreisen machen wir zu“. Es kommen unverhältnismässige Kosten auf die Leute zu und es ist Zeit ein klares Statement an den „Kleinen Mann“ abzugeben, der den Eindruck hat, es geht immer nur auf seine Kosten. Die Zündschnur ist extrem kurz.“, sagte Rieger. Den Druck der Ereignisse spüre man in der Stadt auch anderweitig, etwa bei der Belegung der Schulen und der Verfügbarkeit von Lehrern und Sprachmittlern. Es sei dringend geboten, sich Gedanken darüber zu machen, wie man den Lebensstandard im Land halten könne.

Ziemlich geladen
Manfred Handke, seit ein paar Monaten Bürgermeister in Werther, war auch das noch zu „nett“. Er sei angetreten, um etwas für die Gemeinde zu bewegen aber was er von den übergeordneten Behörden erlebe, sei nur „Ignoranz und Arroganz“. „Ich fahre mit einem Problem zum Landesverwaltungsamt und dort erklärt man mir, dass wir ein Problem haben.“, die einzige Antwort die man erhalte: „Sie müssen sparen“. Einige kommunale Strukturen im Land seien „lächerlich“ und könnten nicht von sich aus existieren, kritisierte Handke weiter. Geht es weiter wie bisher, werde man sich in Werther im kommenden Haushalt außer den dringlichsten Reparaturen nichts mehr leisten können. Sorgen hat auch der 280 Mitglieder starke Verein, dem Handke vorsteht. Mit den steigenden Energiekosten reiche das Geld vielleicht noch für ein Dreivierteljahr und damit stehe man noch besser da als andere. „Es gibt immer die nächste Hürde. Wir brauchen keine Förderprogramme, die so kompliziert sind, dass sie im Ehrenamt unmöglich zu beantragen sind. Wir brauchen Lösungen.“, Er kenne genug Leute, die nicht wissen, wie sie den kommenden Winter überstehen sollen. „Da gibt es dann mal 300 Euro und dann wird wieder drauf gehauen. Hier braut sich etwas zusammen, darauf können sie sich verlassen“, gab Handke dem Gast aus Erfurt mit auf den Weg. Den Kommunen stehe das Wasser bis zum Hals, Unterstützung sehe man nirgendwo.

Die Tradition kam auch nicht zu kurz: unter den Genossen wurden wieder Spenden für die Nordhäuser Tafel gesammelt (Foto: agl) Die Tradition kam auch nicht zu kurz: unter den Genossen wurden wieder Spenden für die Nordhäuser Tafel gesammelt (Foto: agl)


In den Tenor stimmte auch René Kübler ein, der inzwischen ernsthaft daran zweifelt, ob Olaf Scholz noch sein Kanzler ist. Die Berliner Ebene sei „kaum noch zu verteidigen“, die Landesebene sei zumindest schwierig, nur im Regionalen, da passe es immer noch mit der SPD. Im Wahlkampf einmal vorbeizuschauen reiche heute nicht mehr, man könne den Leuten nicht mit Scholz kommen, der allein sie nicht die SPD. Die bestehe aus Leuten wie Handke und mit denen müsse man im Dialog bleiben.

Es rumort an der Basis, das war gestern Abend deutlich zu spüren und zu hören. Nachdem man sich Luft verschafft hatte, ging man dennoch zum gemütlichen Teil über. Noch ist das möglich.
Angelo Glashagel