Eine nnz-Betrachtung zu einer verstörenden Pressemeldung

"Experte" der SPD rät zum Energiesparen

Sonnabend
23.07.2022, 12:15 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Noch ist es draußen warm, die Leute sind im Urlaub und die Nebenkostenabrechnungen für Strom und Gas liegen noch in einer fernen Zukunft. Doch in der Thüringer SPD sorgt man sich schon jetzt und will „vom bloßen Brainstorming“ wegkommen. Was dabei bisher herauskommt ist so erschreckend wie entlarvend …

Die Angst geht um in Deutschland. In der Bevölkerung vor Verarmung und fehlender Heizung im Winter; in Kreisen der Regierenden vor dem eigenen Wahlvolk, dem eventuell etwas zu viel zugemutet wird. Bundesaußenministerin Baerbock sprach in diesem Zusammenhang zuletzt von zu erwartenden „Volksaufständen“ und Bundesinnenministerin Faeser ordnet die zukünftigen Demonstranten vorsorglich als Reichsbürger, Coronaleugner, Rechte - kurz „Nazis“ ein und warnt alle, die nicht so genannt werden wollen, bei denen mit zu marschieren.

Der energie- und sozialpolitische Sprecher ihrer Partei (SPD) in Thüringen, Denny Möller, gibt inzwischen Presseerklärungen heraus, wie er die drohende Energiekrise im Winter zu meistern gedenkt. „Sparen wo möglich, entlasten wo nötig“, überschreibt der „Experte“ seine Auslassungen, die wir Ihnen hier nicht vorenthalten wollen.

Zuvor ein Wort zu Denny Möller: Er ist Diplom-Sozialarbeiter und Diplom-Sozialpädagoge mit Abschlüssen an einer Fachhochschule, arbeitete zuletzt als Referent für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie, Pflege und Gleichstellung, Kinder und Jugend. Dann ein Jahr als Familienverbandsreferent der NaturFreunde Deutschlands, Landesverband Thüringen. Seit 2020 ist er Mitglied des Landtags (als Nachrücker für Innenminister Maier) und hier Sachbearbeiter im Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen.

„Fast täglich werden neuen Ideen zur Lösung der Energiekrise vorgeschlagen und mangels Umsetzbarkeit wieder verworfen. Mit Blick auf den Ernst der Lage ruft die SPD-Fraktion zu sachlicher Besonnenheit auf“, schreibt Möller zur Einführung in seiner Erklärung und zitiert sich dann selbst: „Wir müssen jetzt vom bloßen Brainstorming zum konkreten Handeln kommen. Die wirksamen Optionen liegen auf dem Tisch. Alle wissen, was zu tun ist: Wir können uns auf den Beginn der Heizperiode in neun Wochen vorbereiten sowie gegen einen drohenden Gasmangel wappnen, wenn alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten jetzt Energie einsparen.“

Aha! Dieses sind die wirksamen Optionen, die auf Möllers Tisch liegen: alle sparen im Rahmen ihrer Möglichkeiten Energie.

Auch gegen den drohenden Gasmangel wappnen wir uns so am besten. Vielleicht ist es noch nicht bis zu Herrn Möller vorgedrungen, dass es nicht die Aufgabe von „wir“ (wer immer das auch sein soll) ist, sich gegen die drohende Katastrophe zu wappnen, sondern die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der gewählten Volksvertreter. Okay, da ist Möller raus, denn der ist noch nie irgendwohin gewählt worden, außer vielleicht damals ins Völkerballteam seiner 3. Klasse.

Möller will sich nicht dafür einsetzen, dass eine wie auch immer geartete Energiesicherheit für den Winter gewährleistet wird. Nein, er will sparen lassen. Und als guter Spezialdemokrat weiß er auch, wen er sparen lassen wird: „Das betrifft in erster Linie all diejenigen, die sich bisher auch hohe Verbräuche leisten konnten, und insbesondere auch öffentliche Einrichtungen und private Unternehmen.“

Das ist Ihnen etwas zu unkronkret? Nun, Möller führt es anschließend aus: „Dafür braucht es klare Informationen und Beratung zur effektiven Energieeinsparung, zum Beispiel für Schulen, Kindergärten und Sozialeinrichtungen sowie für private Haushalte und Unternehmen.“ Wohlgemerkt, Möller sieht Einsparpotential nicht in staatlichen Institutionen oder verzichtbaren zivilgesellschaftlichen Einrichtungen, sondern an erster Stelle in Schulen, Kindergärten und Sozialeinrichtungen. Ob er das als Referent für Familien so gelernt hat?
 
Möller ist aber auch nicht naiv. Er hat einige Statistiken studiert und gibt folgendes zum besten: „Gleichzeitig warnt Möller vor einer Verschärfung der sozialen Lage. Schon jetzt müsse sich rund jede zweite Thüringerin, jeder zweite Thüringer aufgrund der hohen Inflation und den Folgen der Corona-Pandemie einschränken.“

Das wäre der Zeitpunkt der Erklärung, an dem vom Energieexperten konkrete Maßnahmen beschrieben werden sollten oder ein konzertiertes Vorgehen seiner Partei (immerhin Regierungspartei im Bund und in Thüringen). Möller schreibt aber weiter: „Der Abgeordnete fordert deshalb einen Thüringer Energie-Härtefallfonds als Soforthilfe für private Haushalte, die durch steigende Energiepreise von akuter Energiearmut existenziell bedroht sind.“

Wenn wir den Experten richtig verstehen, will er alle Haushalte mit einer Soforthilfe aus einem bis dato nicht existierenden „Energie-Härtefallfonds“ alimentieren. Denn „durch steigende Energiearmut“ sind wohl alle Haushalte in Thüringen bedroht. Die einen mehr und Möllers Haushalt vielleicht etwas weniger (beim Abgeordnetengehalt eines Thüringer Landtagsmitglieds).

Er hat auch schon eine typisch finanzdemokratische Quelle dafür aufgetan: Er schlägt vor, den Fonds in einem ersten Schritt mit allen noch in diesem Jahr zur Verfügung stehenden Lottomitteln zu füllen. Ist doch ganz einfach! Und wenn das nicht reicht, dann ruft er schon im September die Menschen in Thüringen auf, mehr Lotto zu spielen. Nicht etwa seinen Bundeskanzler, die unwirksamen Sanktionen gegen Rußland zu beenden oder alle anderen Politiker, sich für eine Deeskalation der Krise einzusetzen. Lottomittel sind meines Wissens auch nicht in der großen Stroh-zu-Gold-Vorratskammer gehortet und brauchen nur umgeschaufelt zu werden. Ganz im Gegenteil sind sie knapp und es gibt schon jetzt genügend Bewerber darum, die dringend Zuwendungen aus diesem Topf benötigen. Seien es beispielsweise Tafeln der Städte, soziale Einrichtungen oder Sportvereine. Wenigstens das sollte Möller in seinem „Berufsleben“ bisher gelernt haben.


 „Wir müssen sicherstellen, dass in diesem Winter niemand aufgrund der Energiekrise plötzlich in einer dunklen oder kalten Wohnung leben oder sogar seine Wohnung aufgeben muss“, wehklagt Möller zum Abschluss seiner Überlegungen unkonkret und oberflächlich weiter. „Das gelingt nur, wenn wir all diejenigen gezielt unterstützen, die an ihre finanziellen Grenzen kommen.“ Wie er das wann ermitteln will oder wer da auf welcher Bemessungsgrundlage an seine Grenzen kommt und wer das dann umsetzen soll, läßt Möller geflissentlich im herbstlichen Dunkel. Im Klartext regt Möller jedoch nichts andres als eine Energietriage an. Es ist zu befürchten, dass er demnächst konkretisiert, wem zuerst das Licht ausgeblasen werden soll und wessen Ofen gefälligst kalt zu sein hat. Mit sich selbst offenbar sehr zufrieden, wirft der Denny abschließend noch diese Nebelkerze in die Öffentlichkeit: „Das ist eine Frage sozialer Gerechtigkeit. Gleichzeitig müssen wir die vorhanden Einsparpotentiale tatsächlich nutzen.“

Angesichts solch geballter Inkompetenz, Arroganz und Verkennung der Realität sollten „wir“ in der Tat über Einsparpotentiale nachdenken und sie nutzen. Vielleicht sparen „wir“ ja mal an der Anzahl von Landtagsmitgliedern? Vielleicht bedarf es auch der Expertise eines Denny Möller gar nicht wirklich? Möglicherweise könnte selbst die SPD in Thüringen auf einen derartigen Schaumschläger verzichten? Solange nicht mehr als solche Ratschläge im Brustton der Überzeugung erteilt und von Pressestellen verbreitet werden, anstatt eines tragfähigen, fachlichen Konzepts, steht wirklich zu befürchten, dass es im Winter frostig wird und dunkel. Noch haben die Möllers an der Regierung einige Wochen Zeit, um „Volksaufstände“ abzuwenden. Ich wünsche der Thüringer Landesregierung dabei viel Erfolg und Geschick.
Olaf Schulze