Im Nordhäuser Kreistag wurde gestern der Posten des 2. Beigeordneten neu besetzt. Die nötige Wahl verlief nicht für alle Beteiligten wie erwartet, die Kandidatin der Linken, die zumindest in den eigenen Reihen als gesetzt galt, fiel durch. Ist der Fraktionsfriede im Kreistag nun nachhaltig gestört? Wir haben nachgefragt…
Im Kreistag wurde gestern gewählt, Symbolbild (Foto: nnz)
Auch Kommunalpolitik kann ein Haifischbecken sein, allerdings sind die Fische hier kleiner und schwimmen nur ehrenhalber im Teich. Was im großen Wasser der Landes- und Bundespolitik schwer bis unvorstellbar ist, funktioniert hier schon mal. Auch eine Allianz zwischen Christdemokraten und Linken. Wenn nicht gerade Wahlkampf ist, wird im Kleinen eher zusammen als gegeneinander gearbeitet. Im Nordhäuser Kreistag galt bisher, dass die drei großen Parteien in der Verwaltungsspitze vertreten sind und das die Fraktionen im Kreistag die Vertreter entsprechend wählen. Für die SPD sitzt Landrat Matthias Jendricke an der Spitze, das haben die Wählerinnen und Wähler im Kreis so entschieden. Die Spitzenpositionen zwei und drei, also die Posten des ersten und zweiten Beigeordneten, waren mit Stefan Nüßle und Hannelore Haase respektive von der CDU und der Linken besetzt und werden durch die Mitglieder des Kreistages bestimmt. Die drei Großen sind so jeweils direkt in die tägliche Arbeit Verwaltung eingebunden, es sitzen also alle in einem Boot und politische Alleingänge werden schwieriger. Da die eigentlich zweitstärkste Fraktion, die AfD, für keine der beiden Positionen eigene Kandidaten aufgestellt hat, hätte der Posten der zweiten Beigeordneten Haase der politischen Arithmetik nach wieder an die Linke gehen müssen. Aber dieses Nordhäuser System ist nun Geschichte.
Ob es im Nordhäuser Kreistag kooperativ weiter gehen wird, ist nach der gestrigen Wahl nun fraglich. Am Ende eines für Nordhäuser Verhältnisse turbulenten Urnengangs war es Dirk Schimm, seines Zeichens Stabsoffizier bei der Bundeswehr und Kandidat der Bürgerliste Südharz, der die Wahl knapp mit 19 zu 18 Ja-Stimmen für sich entscheiden konnte. Carola Kunde, die Kandidatin der Linken, hatte das Nachsehen.
Das es knapp werden würde, war nach dem ersten Wahlgang klar. Bei der Fraktion der Linken war man ob der Stimmenverteilung sichtlich überrascht. Der CDU Kandidat Stefan Nüßle war zuletzt auch mit Stimmen der Linken gewählt wurden und von Seiten der CDU habe es Signale gegeben, dass man im Gegenzug die Kandidatin der Linken stützen würde. Das es entsprechende Absprachen gegeben hat, bestreitet keine der beiden Seiten.
"Wir haben natürlich auch im Vorfeld mit anderen Fraktionen das Gespräch gesucht, ob sie sich eine Unterstützung vorstellen können, wenn wir eine geeignete Kandidatin aufstellen - obwohl sie von unserer Fraktion vorgeschlagen wird. Wie viel diese Worte teilweise wert sind, sehen wir jetzt. Wir haben bei unserer Kandidatinnensuche nicht einfach auf das Parteibuch geschaut, sondern vor allem nach größtmöglicher Kompetenz. Das ist uns mit Carola, so empfinde ich nach wie vor, vollkommen gelungen", sagt dazu Matthias Marquardt, Kreisvorsitzender der Nordhäuser Linken.
An der Zusammenarbeit im Kreistag werde man trotzdem nicht rütteln, meint auch die Fraktionschefin der Linken, Heike Umbach. Auf unser Wort konnte man sich immer verlassen und das wird auch so bleiben. Wir haben vielleicht zu viel vertraut, aber die menschliche Enttäuschung steht auf einem anderen Blatt. Es hat ein demokratisches Ergebnis gegeben und dies ist so zu akzeptieren. Am Ende geht es darum, dass beste für die Bürger zu erreichen, wir werden also den Kopf hoch halten und weitermachen, sagt Umbach gegenüber der nnz.
Nur eine Stimme zu Patt
Dabei war das Ergebnis denkbar knapp. Mit gerade einmal einer Stimme unterschied wurde Schimm gewählt. Man sei intern davon ausgegangen schon im ersten Wahlgang durchzukommen, heißt es von Seiten der Linken. Entsprechend überrascht schien die Fraktion gestern im Kreistag: erst bat man um eine Unterbrechung, dann um Verschiebung, da man nach dem ersten Wahlgang mit einer Person weniger vertreten war. Ein Fraktionsmitglied der Linken hatte die Sitzung vorzeitig verlassen müssen, ohne das Ergebnis des ersten Wahlgangs abzuwarten.
Ein strategischer und handwerklicher Fehler, keine Frage und so sieht man das auch beim zweiten primären Spieler in dieser Sache, der CDU. Man ist aber auch der Ansicht, dass es richtig war die Wahl fortzuführen. Wer am Ende wie gewählt habe, sei schwer einzuschätzen, sagt deren Fraktionsvorsitzender, René Fullmann. Es habe von Seiten seiner Fraktion Signale gegeben, dass man die Linke Kandidatin unterstützen würde, es gebe aber bei einer geheimen, demokratischen Personenwahl nun einmal keinen Fraktionszwang.
Der Frieden im Kreistag werde von Seiten der CDU nicht aufgekündigt, meint auch die stellvertretende Vorsitzende Carola Böck, man habe immer gut mit der Linken zusammengearbeitet und hoffe, dies auch weiterhin tun zu können. Absprachen mit der AfD oder der Bürgerliste habe es im Vorfeld von Seiten der Christdemokraten nicht gegeben, da man keinen eigenen Kandidaten im Rennen hatte, habe man sich im Vorfeld ein Bild von allen drei Kandidaten gemacht, sagt Böck.
Für Heike Umbach sitzt die Enttäuschung noch an anderer Stelle tief, nicht nur in der politischen Repräsentanz ihrer Partei. "Dieses Wahlergebnis ist ein schwerer Schlag vor allem für die Frauen des Landkreises, denn es zeigt: bei mindestens gleicher Eignung wird wieder ein Mann gewählt. Damit wird der Landkreis nun mit einem männlichen Landrat, zwei männlichen hauptamtlichen Beigeordneten und einem männlichen ehrenamtlichen Beigeordneten von vier Männern geführt. Dabei haben wir mit Carola Kunde eine Kandidatin vorgeschlagen, die durch ihre Erfahrung sowohl die Abläufe in der Landkreisverwaltung kennt, als auch bestens mit dem politischen Geschäft vertraut ist und ein hohes Ansehen innerhalb der Verwaltung genießt.
Dennoch wünsche man dem zukünftigen zweiten
Beigeordneten Dirk Schimm viel Erfolg und ein glückliches Händchen bei seinen Entscheidungen", erklären die beiden LINKE-Kreistagsmitglieder. Und Renè Fullmann versichert für die CDU, dass man mit Herrn Schimm genauso zusammenarbeite werde, wie man mit Frau Kunde zusammengearbeitet hätte, wäre sie gewählt worden. Schimm wird sein Amt am 1. November antreten.
Wie viel die gegenseitigen Friedensbekundungen Wert sind, werden die kommenden Kreistagssitzungen -und Abstimmungsergebnisse zeigen. Die Spekulationen wer hier wem ein Bein gestellt hat, sprießen im Hintergrund schon seit gestern fröhlich vor sich hin und sicher wird mancher einen Groll länger hegen als manch anderer. Aber das ist Politik und das ist Demokratie, auch im kleinen Teich.
Angelo Glashagel