Nach 42 Jahren:

Eine Instanz geht in den Ruhestand

Sonntag
01.05.2022, 13:00 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Es gilt als die letzte urige Kneipe in Nordhausen, das Ambiente reicht von DDR-Erinnerungen bis hin zu Schiffsglocken unterschiedlicher Größen. Da passte der "Kneiper" wie die Faust auf Auge. Schon lange gehörte Eberhard Seifert zum lebenden Inventar des "Promenaden-Eck" in Nordhausen. Heute verabschiedete sich Eberhard in den Ruhestand...

Eberhard Seifert übergibt einen symbolischen Schlüssel an Robert Seinmetz (Foto: nnz) Eberhard Seifert übergibt einen symbolischen Schlüssel an Robert Seinmetz (Foto: nnz)
Ich lebe zwar schon seit 30 Jahren (am 1. Mai 1992 war meine erster Arbeitstag beim Harzkurier) in dieser Stadt, doch es dauerte 27 Jahre, bis ich zum ersten Mal durch die hölzerne Eingangstür ging und irgendwie erschlagen wurde.

Alles das, was man unter "urig" zusammenfassen konnte, wurde hier Realität. Einfach echt stark. Wo gab oder gibt es sowas noch? Dann die Speisekarte und die Preise, sie waren der zweite Hammer. Der dritte folgte mit dem, was er - Eberhard Seifert - von sich selbst sagt - der urige Kneiper. Loses Mundwerk, um es vorsichtig auszudrücken, immer eine Antwort und trotzdem sympathisch bis zur Kapitänsmütze auf dem Kopf. Und einen Zettel für fünf Leute am Tisch, deren Abrechnung mindestens genauso verwirrend war, wie der einer russischen Rechenmaschine. Am Ende stimmte alles auf "Heller und Pfenning".

"Hans Grosser war es, der das Haus in der Käthe-Kollwitz-Straße nach dem Krieg baute, dann der HO verkaufte. Am 26. Januar 1986 konnte ich die Immobilie dann selbst nutzen und so begann meine Zeit als Kneiper im damaligen Promenaden Café. Erfahrungen als Gastwirt der "Gartenlaube" hatte ich mitgebracht", berichtet der 70jährige Seifert der nnz.

Kurzer Gruß zum Abschiede
Heute hat er "seine Kneipe" nach langen Verhandlungen und Gesprächen an Robert Steinmetz übergeben. Was er ihm mit auf den künftigen Weg gegeben hat: "Lass vieles von dem, wie es die Gäste mögen, so wie es ist. Tradition zu bewahren ist immens wichtig, gerade in der heutigen Zeit". Er selbst wird die oberen Etagen des Hauses weiter ausbauen und dann nach Bielen ziehen. Dort hat Eberhard Seifert einen Bauernhof gekauft.

Zum Abschied eine ganz besondere "Torte" (Foto: nnz) Zum Abschied eine ganz besondere "Torte" (Foto: nnz)
Robert Steinmetz will genau diese Tradition weiterführen. So sollen die arbeitnehmerfreundlichen Preise erhalten, die Speisen und Getränke überwiegend auf den Karten bleiben. Natürlich will der "Neue" auch eigene Akzente setzen. So soll die Immobilie von außen aufgepeppt werden, auch Jägerschnitzel mit Nudeln und Tomatensoße wird angeboten, die etwas höherprozentigen Getränke wird es überwiegend aus dem Hause Nordbrand geben. Das immer frische Brot zum "Eckchen" oder zur Bockwurst kommt weiter von der Bäckerei Bohne.

Wenn es das Wetter zulässt, dann wird der Biergarten an der Promenade öffnen und der hell gestaltete "Festsaal" im Haus steht den Nordhäusern und ihren Gästen für Feierlichkeiten zur Verfügung.

Und trotzdem: Mit Eberhard Seifert geht den Nordhäusers eine "Instanz" verloren. Man wird ihn vermissen, so, wie die Familie aus Harztor, die heute gekommen ist, um ihn zu verabschieden.
Peter-Stefan Greiner