Scheibchenweise Lockdown-Verlängerung geht weiter

Ostern allein zu Hause

Montag
22.03.2021, 22:45 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Der Endlos-Lockdown geht weiter. Vorläufig bis zum 18. April. Grund sind die Mutanten. So weit, so schlecht. Viel Neues von der heutigen Ministerpräsidentenrunde mit der Kanzlerin war bis in die Nacht nicht zu vermelden...



Mit dem Schreckensszenario erneut Ausgangssperren und komplette Ladenschließungen verordnen zu wollen, wenn der Inzidenzwert nicht unter 100 fällt, startete Bundeskanzlerin Angel Merkel heute Nachmittag in eine weitere Konferenzrunde mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer. Der Beginn der Videoschalte hatte sich um 75 Minuten verzögert, weil es schon im Vorfeld viel Diskussionsbedarf zu geben schien. Dieser Zustand dauerte bis in die Nacht an.

Neben dem Dauerstreitthema Schulschließungen erregte besonders die Freigabe von Flügen auf die Baleareninsel Mallorca die Gemüter der Länderchefs. Vorausgegangen war eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Auswärtigen Amtes, die zu einem Ansturm auf die Fluglinien führte. Merkels Forderung, dass Schulen ab einem Inzidenz-Wert von 100 schließen müssen, wenn sie nicht zwei Tests pro Woche für alle Schüler und Lehrer bereitstellen können, wurde von den für Bildung zuständigen Ministerpräsidenten gecancelt. Es fehlt auch ganz offensichtlich an geeigneten Testmöglichkeiten.

Wie aufgeladen die Stimmung momentan im gesamten Bundesgebiet ist verdeutlicht ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster, das heute Vormittag die Bestimmungen zu Ladenschließungen und Vorschriften über Kundenzahlen pro Quadratmeter für das bevölkerungsreichste Land aufhob und den Einzelhandel komplett und per sofort freigab. Nur wenige Stunden später hatte die Nordrhein-Westfälische Landesregierung die entsprechende Bestimmung angepasst und verhängte eine erneute Ladenschließungen.

Schnell war in der Berliner Runde klar, dass der Lockdown aufgrund der hohen Inzidenzwerte bis zum 18. April verlängert werden soll. Die Tatsachen, dass die Testmöglichkeiten nicht zufriedenstellend und ausreichend bereitgestellt werden oder es beschämend wenig Impfstoff in Deutschland gibt, dürften jedoch der Hauptgrund für die Verlängerung gewesen sein.

Länger diskutiert wurde, ob zu Ostern Familienbesuche mit mehr als den bisher genehmigten Kontaktpersonen ermöglicht werden sollten. Am Ende setzte sich die harte Linie der Kanzlerin durch: Nein, es werden keine zusätzlichen Personen für Begegnungen erlaubt. Damit erlebt Deutschland das zweite Osterfest in Folge, an dem sich Familien nicht besuchen dürfen sollen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Deutschen in diesem Jahr noch einmal so strikt an dieses Verbot halten, wie sie es zu Beginn der Pandemie im ersten Lockdown getan haben.

Die Überlegung, ob wir uns zu Ostern mit drei oder vier Personen aus einem oder zwei Haushalten treffen dürfen, rückt angesichts des weiterhin ausgebremsten sozialen Lebens in den Hintergrund. Frust macht sich allenthalben breit, besonders bei den vom harten Lockdown betroffenen Branchen inzwischen auch pure Verzweiflung.

Wenn die Regierenden dieser Republik uns ernsthaft einreden wollen, eine nächtliche Ausgangssperre könnte das Infektionsgeschehen beeinträchtigen, gleichzeitig aber volle Flieger mit Hunderten Leuten auf engstem Raum nach Mallorca starten lassen; in Schuhgeschäften nur den Verkauf von Kinderschuhen erlauben, im Baumarkt nur Gartenartikel angeboten werden dürfen, während sich die Menschen in den Supermärkten drängeln und die meisten Dinge dann halt dort kaufen, muss man sich ernsthaft fragen, ob die Bevölkerung für dumm verkauft werden soll oder aber ob die Entscheidungsträger komplett unfähig sind. In Bezug auf die erfolglos agierenden Gesundheits- und Wirtschaftsminister Spahn und Altmaier mehren sich die Stimmen in der Opposition, die ihre sofortige Entlassung fordern.

Der Finanzminister Scholz verspricht am Rande der Tagung, dass im nächsten Jahr weitere 81,5 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen werden. Wer das wann und wie zurückzahlen soll vermag er heute noch nicht zu sagen, aber vermutlich ist er ja auch bald nicht mehr in der Verantwortung dafür.

Größter Knackpunkt der Konferenz war letztlich der Inlandstourismus, den einige Ministerpräsidenten einforderten, die Kanzlerin aber nicht gewähren wollte. Dabei geriet sie mit ihrem Parteifreund und Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Haseloff verbal aneinander, wie die BILD-Zeitung kolportierte. Auch SPD-geführte Bundesländer stellten sich quer.

Das Bild einer alten, starrsinnigen Elefantenkuh, die stur und unbeugsam keinen Milimeter zurückweicht, obwohl ihre Herde ihr die Gefolgschaft verweigert, drängt sich dem Betrachter auf. Der Rückhalt für Merkels Knallhartmaßnhamen schwindet und das stundenlange Gezerre wirft ein schlechtes Bild auf die Kompetenz und Kompromissbereitschaft der Kanzlerrunde. Immer weiter verlängerte Lockdowns ohne eine wirkliche Perspektive, weil weder das Impfen noch das Testen richtig klappt, verspielen das Vertrauen der Bürger in die Glaubwürdigkeit der Regierung.

Nordhausens Landrat Matthias Jendricke stellte schon vor dem heutigen Gipfel fest: „Ich hätte nicht gedacht, dass man uns die Rückkehr zur Normalität so schwer machen will.“ Doch er bleibt auch optimistisch: „Aber keine Sorge, wir bekommen die verfassungskonformen Rechte schon wieder, es dauert nur länger als ich selbst vermutet habe.“
Olaf Schulze

P.S.: Um 3 Uhr verkündete Bundeskanzlerin Merkel den Komplett-Lockdown für Ostern: Keine Reisen, kein Einkaufen ab Gründonnerstag, keine erweiterten Familienkontakte, keine Gottesdienste!