Leserbrief

Barrierefreiheit in Sondershausen fehlt immer noch an vielen Stellen

Montag
09.11.2020, 00:41 Uhr
Autor
khh
veröffentlicht unter:
So die Einschätzung eines Lesers. Dazu hier sein Bericht...

Schon lange gibt es eine UN Konvention, die auch behinderten Menschen eine Stimme gibt und Nachteile vermeiden soll. Auch Deutschland hat sich Inklusion, Barrierefreiheit, Vermeidung/Ausgleich von Nachteilen auf die Fahne und teils in Gesetze geschrieben. Barrierefreiheit betrifft viele unterschiedliche Sinneseinschränkungen, Behinderungen. Also denken Sie bitte nicht nur an den Rollstuhlfahrer, auch wenn es hier für diese Personengruppe genauso noch viele Barrieren und unüberwindbare Hindernisse gibt.

Welche Erfahrungen müssen Behinderte, auch nach 30 Jahren Deutsche Einheit, oft immer noch machen? Nun ist es leider immer noch so, dass vieles am Ende z. B. rechtlich und baulich in Landesrecht der einzelnen Bundesländer umgesetzt werden muss, so auch im Baurecht. Leider ist dieses auch nicht bundeseinheitlich.

Zum Beispiel Personenaufzüge/Fahrstühle sind technisch so vorgerüstet, dass sie auch akustisch ansagen können, auf welcher Ebene der Aufzug gerade angekommen ist und hält. Das ist insbesondere für höhergradig sehbehinderte oder Blinde Menschen wichtig, aber auch für ältere und nicht mehr so gut sehende Seniorinnen und Senioren hilfreich, noch dazu, wenn ein Aufzug (außerhalb Corona-Zeiten) mit mehreren Personen besetzt ist und auch die optische Anzeige im Fahrstuhl nicht mehr für jeden einsehbar ist. Gibt es mehr als nur zwei befahrbare Ebenen, dann wird es schon schwierig, wenn „unterwegs“ noch ein Zwischenstopp erfolgt. Wo befinde ich mich jetzt, auf welcher Ebene? Habe ich mein Ziel erreicht und muss ich hier „aussteigen“?

Benutzen Sie doch mal den Fahrstuhl in der Galerie am Schlossberg, im Schwan, Bürgerbüro in der Schröderstraße, Behörden und Ämtern, in den diversen Wohnbauten, nachgerüsteten Wohnblocks, Hochhäusern in der Stadt (egal welcher Eigentümer, Träger) und achten Sie darauf. Behalten Sie Ihre Erfahrungen aber bitte nicht für sich, sondern machen Sie auf Missstände aufmerksam!

Ein weiteres Beispiel: Ampeln besitzen technische Möglichkeiten, dass das optische Signal (Grün) für die Fußgänger auch akustisch mit Lautsprechern oder anderweitig z. B. Vibration dargestellt werden kann. Das ist sicher nicht nur für Blinde oder hochgradig Sehbehinderte eine wertvolle Hilfe. Je nach Lichtverhältnissen, Stand der Sonne usw. ist das auch eine wertvolle Hilfe für unsere ältere Generation. Man muss nur wissen, dass es solche technischen Möglichkeiten und Hilfen für die Lichtsignalanlagen (Ampeln) generell gibt, dass sie auch an der Ampel verbaut werden und wurden und ebenfalls aktiv und funktionstüchtig sind. Gehen Sie doch mal durch Sondershausen und testen sie stadtweit (von Bebra bis zum Östertal) die Ampelanlagen aus ob solche technischen Mittel ebenfalls verbaut wurden und funktionstüchtig sind? Sicher kostet alles irgendwo Geld, aber Inklusion, Barrierefreiheit, Sicherheit im Alltag, Gefahrenabwehr bedeuten eben nicht nur Rollstuhlrampen und „Blinden-Leitsysteme“ (endlich) an Bushaltestellen und Bahnhöfen.

Schön, wenn unsere Planer, Verantwortlichen, Bauträger usw. nicht behindert und damit selbst von einigen solcher Probleme betroffen sind und sicher auch formal nach geltendem Baurecht handeln. Aber etwas mehr Weitsicht, Achtsamkeit wäre wünschenswert. Ich hinterfrage hier auch ausdrücklich die Inhalte auf Barrierefreiheit, Inklusion und mehr insbesondere schon beim Studium der Bauberufe mit höhergradigen Abschlüssen, also ab Fachschule, Hochschule mit Diplom aufwärts. Urbane Verkehrs- und Siedlungsplanung und Städtebauplanung würde das ebenso einschließen. Seit mehreren Jahren und sicher auch in Folge des Klimawandels hat auch das Radfahren, E-Scooter und ähnliches erheblich an Bedeutung gewonnen, bau-und städteplanerisch eine große Herausforderung.

Hier entstehen aber auch zu lösende Interessenkonflikte nicht nur zwischen Auto- und Radfahrern. Auch Menschen mit Sinneseinschränkungen sind Gefahren ausgesetzt. Ich habe vor längerem schon davor gewarnt, dass ein hochgradig Sehbehinderter ein E-Auto gar nicht hört. Hier hat die Politik aber endlich teils reagiert und fordert ab zumindest bestimmten Fahrgeschwindigkeiten eine akustische Wahrnehmung.

Ein weiteres Beispiel zur Barriere-Unfreiheit: Weiter geht es im öffentlichen Raum bei Gehwegen, Straßen, Ampeln und mehr. Bereits im Frühjahr hatte ich auf einen besonderen Schildbürgerstreich auf dem Franzberg, Bach Straße, hingewiesen. Hier sind drei Telekommunikationsverteiler mitten auf dem so schon recht schmalen Gehweg aufgebaut. Rollstuhlfahrer kommen rechts davon auch nicht vorbei, Sehbehinderte haben auch so ihre Schwierigkeiten. Auf der angrenzenden Fahrbahn darf auch weiterhin in diesem Bereich geparkt werden. Das damals von mir angedeutete, abgesägte Verkehrszeichen (vermutlich ein Park-oder Halteverbot) ist nicht wieder hingekommen. Auch meine Anregung doch die weiße Sperrlinie bis hinter diese Verteiler zu verlängern, hat offenbar bei den Verantwortlichen kein Nachdenken anregen können.

Barrierefreiheit in Sondershausen fehlt immer noch an vielen Stellen (Foto: Thomas Leipold) Barrierefreiheit in Sondershausen fehlt immer noch an vielen Stellen (Foto: Thomas Leipold)

Ein weiteres Beispiel gefällig? Auf dem Franzberg, Beethovenstraße, hatte die Sondershäuser Wippertal GmbH zwei alte Blöcke wegreißen lassen und auf dem Gelände Neubauten geplant und teils auch schon errichten lassen. Mir wurde durch Dritte gesagt die Wippertal habe dieses Gelände inzwischen verkauft, weiß ich aber nicht. Es gibt Stellen, da fragt man sich, was haben sich die Planer, Auftraggeber, Baufirmen, Bauüberwachung und Bauabnehmer nur dabei gedacht?!
Ein solches Problem, auf das ich hier auch aufmerksam machen möchte, ist aber sicher hier bereits bei der Planung und noch vor der späteren Bauausführung bereits aufgetreten und hat sich dann wie ein roter Faden durchgezogen.

Barrierefreiheit in Sondershausen fehlt immer noch an vielen Stellen (Foto: Thomas Leipold) Barrierefreiheit in Sondershausen fehlt immer noch an vielen Stellen (Foto: Thomas Leipold)

Thüringer Bauordnung und deren Paragrafen getreue Umsetzung hin oder her, ein bisschen mehr Achtsamkeit auf Sicherheit, Barrierefreiheit, Inklusion insbesondere im öffentlichen Raum (dazu zähle ich auch dort in dem Baugebiet die Fußwege und Straßen) hätte sicher nicht nur ich als Behinderter im Jahr 2020 erwartet. Gehweg mit Bäumen, einschließlich wasserdurchlässiger Metall-Einfassung sind eine gute Sache. Die Metallkonstriktion um die Bäume herum habe ich mit meinem Blindenstock auch noch erfasst und wahrgenommen. Aber eine nur an dem einen Ende des Metallgitters daran aufsteigende Steinkante nicht mehr. Nur gut, dass mich meine Frau am Arm „eingehenkelt“ hatte und sie mich noch abfangen konnte. Der Sturz auf das Gehwegpflaster hätte sehr schmerzhaft und böse enden können. Das kann aber mit Sicherheit auch anderen Personen passieren. Dies Gefahrenstelle wiederholt sich dann fortlaufend in der Straße.

Barrierefreiheit in Sondershausen fehlt immer noch an vielen Stellen (Foto: Thomas Leipold) Barrierefreiheit in Sondershausen fehlt immer noch an vielen Stellen (Foto: Thomas Leipold)

Auch für Rollstuhlfahrer ist der Gehweg durch diese Kante nicht mehr befahrbar. Scheuen Sie sich an, wie nach der aufsteigenden Steinkante der Rest des Gehwegstreifens ausgebaut wurde? Privat würde man sagen: Viel dilettantischer geht es bald nicht mehr. Irgendwelche Steine eingesetzt, die noch nicht einmal das gleiche Bodenniveau wiederherstellen und eine weitere Stolperkante bieten und bilden.
Meine Frau sagte mir, dass es auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen breiteren Gehweg gäbe, der trotz Bäume noch mit Rollstuhl befahrbar sein könnte. Hoffen wir, dass es so ist und auch bleibt und keine „Hindernisse“ den Weg ebenfalls einengen werden und dort auch die Rollstuhlfahrer ein Problem haben werden.

In loser Folge werde ich auch weiterhin meine Erlebnisse, Erfahrungen und Probleme kommunizieren.

Text und Fotos: T. Leipold, Sondershausen