Ein Blick in die Statistik

Gefährdungen des Kindeswohls auf neuem Höchststand

Dienstag
29.07.2025, 11:26 Uhr
Autor
red
veröffentlicht unter:
Im Jahr 2024 wurden von den Thüringer Jugendämtern 4 954 Verfahren zur Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung* durchgeführt. In der Mehrheit der Fälle waren die eigenen Eltern die Gefahrenquelle...

Wie das Thüringer Landesamt für Statistik mitteilt, war das im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 197 Gefährdungseinschätzungen bzw. 4,1 Prozent und damit ein erneuter Höchststand seit Beginn der Erhebung im Jahr 2012.

Als Ergebnis der Gefährdungseinschätzungen wurde durch die Fachkräfte bei einem Drittel der Verfahren eine Kindeswohlgefährdung festgestellt (34,3 Prozent bzw. 1 697 Verfahren). Davon waren 726 akute, eindeutige und 971 latente** Kindeswohlgefährdungen. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Anstieg um 4,2 Prozent (+68 Verfahren). Bei zwei Drittel der Verfahren (65,7 Prozent bzw. 3 257 Verfahren) kamen die Expertinnen und Experten zu dem Ergebnis, dass keine Kindeswohlgefährdung vorlag. Jedoch bestand bei 59,1 Prozent dieser Fälle (1 925 Verfahren) Hilfe- bzw. Unterstützungsbedarf, was einem Anstieg um 1,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.

Als häufigste Art der Kindeswohlgefährdung wurde mit 1 160 Fällen „Anzeichen für Vernachlässigung“ festgestellt (68,4 Prozent). Bei 32,4 Prozent (550 Verfahren) gab es Hinweise auf psychische Misshandlungen. In 22,8 Prozent der Fälle (387 Verfahren) wurden Indizien für körperliche Misshandlungen gefunden und in 4,6 Prozent (78 Verfahren) Hinweise für sexuelle Gewalt. Den Jugendämter zufolge hatten bei 23,6 Prozent der festgestellten Kindeswohlgefährdungen (401 Verfahren) die Kinder und Jugendlichen mehrere dieser Gefährdungsarten gleichzeitig erlebt.

Die meisten von einer Kindeswohlgefährdung betroffenen Minderjährigen wuchsen bei einem alleinerziehenden Elternteil (783 Kinder bzw. 46,1 Prozent) oder bei zusammenwohnenden Eltern (509 Kinder bzw. 30,0 Prozent) auf. 4,7 Prozent der Betroffenen (79 Kinder) lebten in einer Einrichtung mit oder ohne Eltern bzw. Elternteil. In etwa jedem 5. Fall (20,9 Prozent bzw. 355 Verfahren) war ein Elternteil oder waren beide Elternteile ausländischer Herkunft (nicht in Deutschland geboren). Bei 812 Fällen (47,8 Prozent) nahmen die Betroffenen zum Zeitpunkt der Gefährdungseinschätzung bereits eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch, standen also schon in Kontakt zum Hilfesystem. In etwa jedem 4. Fall (26,8 Prozent bzw. 455 Verfahren) war innerhalb des Jahres 2024 zuvor bereits eine Meldung zu dem Kind beim Jugendamt eingegangen.

In 76,3 Prozent aller Fälle ging die Kindeswohlgefährdung von der eigenen Mutter oder dem eigenen Vater aus (1 295 Verfahren), in weiteren 4,6 Prozent (78 Verfahren) von einem Stiefelternteil oder der neuen Partnerin oder dem neuen Partner eines Elternteils. Knapp ein Viertel der Hinweise für eine Kindeswohlgefährdung erhielten die Jugendämter von der Polizei, dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft (24,2 Prozent bzw. 1 201 Verfahren), in 660 Fällen von anonymen Meldern (13,3 Prozent) und in 522 Fällen (10,5 Prozent) gab eine Schule den Hinweis.

Am zuverlässigsten waren die Hinweise der Betroffenen selbst: Bei den Selbstmeldungen von Kindern und Jugendlichen wurde bei 71,4 Prozent der Einschätzungen eine Kindeswohlgefährdung bestätigt. Im Durchschnitt lag die Bestätigungsquote bei 34,3 Prozent.

*Verfahren zur Einschätzung des Kindeswohls gemäß § 8a Abs. 1 SGB VIII
**Bei einer latenten Kindeswohlgefährdung liegen ernstzunehmende