Veranstaltung im Panoramamuseum

Thomas Müntzer, die Bauern, der Rausch und der Tod

Dienstag
17.06.2025, 09:20 Uhr
Autor
emw
veröffentlicht unter:
Thomas Müntzer «Ich habe meine Sichel geschärft»
Gassenhauer, Choräle und politische Lieder aus der Zeit der Bauernkriege um 1525. The Playfords findet am 20.Juni im Panorama Museum Bad Frankenhausen statt...

The Playfords Björn Werner - Gesang Annegret Fischer - Blockflöten Erik Warkenthin - Laute, Barockgitarre, Chitarrone Benjamin Dreßler - Viola da gamba Torsten Pfeffer – Perkussion (Foto: The Playfords ) The Playfords Björn Werner - Gesang Annegret Fischer - Blockflöten Erik Warkenthin - Laute, Barockgitarre, Chitarrone Benjamin Dreßler - Viola da gamba Torsten Pfeffer – Perkussion (Foto: The Playfords )


Schon Jahrzehnte vor der Reformation kursierten Schriften, die eine Wiederkehr des „alten Reiches“ und des guten Kaisers Friedrich ankündigten, es bräche dann in religiöser, sozialer und friedenspolitischer Hinsicht ein goldenes Zeitalter an.

Von daher überrascht es nicht, dass mit der von Luthers losgetretenen spirituellen Aufbruchsbewegung viele sich zugleich gesellschaftliche Änderungen erhofften. Entsprechende Forderungen wurden laut, vor allem in den gebildeten Schichten der Städte. Aber auch Bauern wähnten sich im göttlichen Recht, und nicht nur dass, sie waren oftmals und völlig irrationalerweise auch siegesgewiss, als sie im Frühjahr 1525 zu Zehntausenden bewaffnet aufbrachen, um ihre Erwartungen Wirklichkeit werden zu lassen.

Nur wenigen ging es dabei tatsächlich um Umsturz, die Ständegesellschaft wurde kaum in Frage gestellt. Es ging vor allem darum, Willkür und teils existenzbedrohende Auswüchse durch klare Regeln einzudämmen. Doch selbst das erschien den meisten Herrschenden als zu bedrohlich und wurde mit dem Verweis, dass „alle Obrigkeit von Gott“ sei, brutal unterdrückt. Der überraschende Aufstand entzündete binnen kürzester Zeit zwar ganz Süddeutschland, Teile der Schweiz, Österreichs und Mitteldeutschlands.

Aber regional zumeist schon nach wenigen Wochen, insgesamt nach ungefähr einem Dreivierteljahr waren die hoffnungslos unterlegenen Bauernheere aufgerieben, zigtausende Bauern und ihre Familien durch professionelle Ritter und Soldaten erschlagen, gefangen, hingerichtet oder auf der Flucht.

Luther war anfangs den Bauern und ihren Forderungen durchaus wohlgesonnen; doch wohl aus Angst um seine theologischen Reformen stützte er bald die teils extrem brutalen Akte der Mächtigen. Dabei diente ihm ein bis dahin eigentlich gar nicht so bekannter, evangelisch gesinnter Pfarrer als willkommenes Feindbild: Thomas Müntzer. Heute würde man ihn als Befreiungstheologen bezeichnen, der sich zunehmend radikalisierte.

In Allstedt organisierte er Armenfürsorge, betrieb Seelsorge und schuf kongenial und noch vor Luther deutschsprachige Liturgie. Der Anbruch des „Reich Gottes“ stehe unmittelbar bevor, so predigte er und gemahnte Herzog und Thronfolger im Allstedter Schloss, dass sie die Macht von Gott allein dazu erhalten hätten, um Gutes für ihre Bevölkerung zu tun; wo sie dem nicht gerecht würden, würde ihnen laut Bibel „das Schwert wieder genommen“ werden – das genügte: Noch vor seiner offiziellen Demission floh Müntzer aus der Stadt, schlug sich auf die Seite der Bauernheere und der ebenfalls aufständischen Bürger von Mühlhausen und wurde so etwas wie ihr spiritueller Mentor.

Berauscht von der Überzeugung, Gott auf seiner Seite zu haben, führte er sie in die katastrophale Schlacht bei Frankenhausen. Er selber wurde festgenommen, schwer gefoltert, nach Mühlhausen transportiert, geköpft und gepfählt. Seiner Frau, eine ehemalige Nonne und wohl auch seine gebildete Beraterin in theologischen Fragen, enthielt man selbst persönliche Gegenstände aus seinem Nachlass vor. Luther, der ausgerechnet in diesen Wochen selber heiratet, berichtet ekelerfüllt, sie sei trotz ihrer Schwangerschaft von kaiserlichen Soldaten vergewaltigt worden. Ihre Spur verliert sich ein halbes Jahr später mit einem Bittbrief, in welchem sie ein letztes Mal um die Bücher ihres Mannes bat.

In ihrem Programm zeichnen die Playfords diese Emotionen von frühlingshaften Hoffnungen auf ein goldenes Zeitalter, vom optimistischem Aufbruch aus verkrusteten Strukturen über irrational berauschte Erwartungen hin zur brutalen Niederlage und völligen Desillusionierung nach. Dafür nutzen sie weltliche und geistliche Musik der Zeit, furios in ihrem eigenen Stil als „Early music Folk“ arrangiert, vor allem aber historisch informiert improvisierend. Speziell für dieses Konzert wurden Teile von Müntzers deutscher Liturgie neu ediert und bearbeitet, und auch mehrere eigens rekonstruierte Lieder werden erstmals zu hören sein.
Christoph G. Schmidt