Vor fünf Jahren berichtete die nnz das erste Mal über die junge Anna Mühlhause. Mittlerweile ist aus der Heranwachsenden eine junge Frau geworden, die trotz - oder vielleicht auch gerade wegen - ihrer Behinderung ihren eigenen Weg geht. Und nun eine weitere Etappe mit Erfolg abgeschlossen hat. Wir haben Anna zu Beginn dieser Woche besucht…
Anna Mühlhause gibt nie auf (Foto: privat)
Jeweils montags und freitags kann Anna in Nordhausen bei ihren Eltern verbringen. Dann muss sie unter anderem Termine in einer Praxis für Physiotherapie wahrnehmen. Geht nicht anders, diese spezielle Therapie, die ich benötige, bekomme ich in Marburg nicht”, berichtet sie nach der Begrüßung, die genauso ist wie vor fünf Jahren. Sie besitzt ein strahlendes Lächeln, das voller Herzlichkeit ist.
Die 26-Jährige ist von einer frühkindlichen Hirnschädigung (ICP) betroffen und dadurch nicht nur auf einen Rollstuhl angewiesen, sondern auch in ihrer Motorik stark eingeschränkt. Muskelverkrampfungen verhindern einen flüssigen Bewegungsablauf. Selbstständiges Stehen und Gehen ist nur mit Hilfsmitteln möglich.
Doch damit lebt sie, setzt sich Ziele und kämpft für deren Erreichung. Nach dem Abitur zog Anna nach Marburg und begann dort ein Studium der Psychologie. Jetzt hält sie den ersten Abschluss, den Bachelor in der Hand. Fünf Jahre sind seit ihrem Umzug nach Marburg vergangen. Dort konnte sie studieren, da die dortige Universität deutschlandweit die einzige mit einem inklusiven Studentenwohnheim ist. Ein wenig muss die Nordhäuserin schmunzeln: Das inklusive Wohnheim befindet sich auf einer steilen Anhöhe in der Marburger Altstadt und ist nur über Wege oder Straßen mit Kopfsteinpflaster zu erreichen. Ohne Elektrorollstuhl und Fahrdienst ist da nichts zu machen”.
Geschafft - das Bachelor-Studium ist "Geschichte" (Foto: privat)
Doch Anna hat das Wort aufgeben” vermutlich aus ihrem Sprachschatz gestrichen. Sie hat die Zeit des Bachelorstudiums mit Corona-Phase” geschafft. Jetzt steht sie im Masterstudium, das fast drei Jahre dauern wird und nach dessen Ende sie sich Psychologin Master of Science nennen darf und ihre Approbationsurkunde in den Händen halten kann.
Wie vor fünf Jahren beeindruckt den Autor die Zielstrebigkeit, der Ehrgeiz und auch die Hingabe, mit der die junge Frau ihr Leben lebt. Dazu gehört neben dem Studium auch die ehrenamtliche Arbeit im Thüringer Kinderhospizdienst, der eine etwa neunmonatige Ausbildung vorausging. Auch am Studienort selbst engagierte sich die Nordhäuserin in den vergangenen Jahren in einer Einrichtung der stationären Kinderintensivpflege.
Vor Anna Mühlhause liegen nun weitere drei Jahre der Mühen des Studiums, das ihr viel abverlangt, das ihr aber auch die Gewissheit mit auf den weiteren Weg gibt: Man kann (fast) alles schaffen, was man sich vornimmt. Auch wenn der Weg noch so lang und beschwerlich ist. Gut, dass es da Menschen gibt, die ihr zur Seite stehen wie ihre Familie und enge Freunde, aber auch die Kommilitonen in Marburg, die ihr das Gefühl vermitteln, ein normaler Teil der studentischen Familie zu sein.
Peter-Stefan Greiner