Samstagabend in Steinbrücken:

Die Engerling(e) waren wieder da

Sonntag
27.10.2024, 09:36 Uhr
Autor
psg
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Während der Jazz in all seinen Ausprägungen und Stilen seine Heimstatt in der Rolandstadt fand, ist der Blues in einem sonst eher stillen Ortsteil Zuhause. In Steinbrücken war er am Samstagabend optisch und akustisch zu erleben...

Samstagsabend in Steinbrücken (Foto: nnz) Samstagsabend in Steinbrücken (Foto: nnz)
Rund 200 Menschen kamen gestern Abend in den kleinen Ort. Ihr Ziel: die Scheune von Uwe Hager. Tonnenweise Papier wurden zu dieser "Symbiose aus Mensch und Ort" bedruckt oder - in Nullen und Einsen gezwängt - digital in die Welt hinausgeschickt.

Als Mensch, der in der einstigen DDR aufwuchs und dort sozialisiert wurde, der sich einige Jahre vergeblich am Klavier versuchte, der gierig nach Live-Konzerten von Renft, Elektra, Leuna II oder den Klosterbrüdern war und den überwiegenden Teil seiner Freizeit am Tonbandgerät verbrachte und Musik von Deep Puprle, Led Zeppelin, Black Sabbath, Pink Floyd oder Yes hinterherhaschte, für den war der Blues in seiner Reinform nicht allzu interessant. Damals.

Das änderte sich. Man wurde ruhiger und das Leben gab oder verlangte einiges andere als nur die Musik. Obwohl - ohne die ging es nie und irgendwann in diesem Jahr lernte ich Uwe Hager persönlich kennen. Den Mann, dem das kleine Steinbrücken seine "Berühmtheit" in der bluesrockigen Hemisphäre zu verdanken hat. Und ich habe ihm den gestrigen Abend mit den Engerlingen zu verdanken.

Engerling spielten in Steinbrücken (Foto: nnz) Engerling spielten in Steinbrücken (Foto: nnz)
Die letzte Berührung mit der Berliner Band hatte ich - vermutlich - Ende der 1970er Jahre in Halle. Schon damals entlockte Heiner Witte seinen Gitarren Töne wie aus einer anderen Welt. Schon damals war er für mich der Steve Howe des Ostens. Verändert hat sich Heiner nicht, er wurde nur - wie wir alle - ein wenig älter. Noch immer verliebt er sich in sein Instrument, verschmilzt mit ihm. So wie der Blues es mag und wohl auch verlangt.

Sofort wiedererkannt wurde gestern auch Wolfram Boddi Bodag, dem die Bluesszene in der Deutschen Musikalischen Republik so viel zu verdanken hat. Die beiden Ur-Engerlinge, verstärkt mit dem Diplommathematiker Manne Pokrandt am fünfsaitigen Bass und Hannes Schulze an den Drums haben auch heute - fast 50 Jahre nach Bandgründung in Berlin - einen festen Platz überall dort, wo der Blues in Deutschland seine Heimat hat.

Einer dieser Plätze ist nun mal Steinbrücken. Die Hager-Scheune war erfüllt mit dem kraftvollen Sound, mit dem virtuosen Spiel von Witte und Bodag und von der perfekten "Taktung" der Herren Schulze und Pokrandt. Sie spielten all das, was die Gäste an diesem Abend als Erwartungshaltung mitbrachten: Na klar, den "Engerling Blues" oder "Da hilft kein Jammern". Für den Autor wurde es besonders emotional zum Schluss: Es war eine Reminiszenz an einstige musikalische Größen - den Bogen gespannt von George Harrison bis zu Peter Cäsar Gläser und seinen mit Renft eingespielten "Apfeltraum".

Engerling spielten in Steinbrücken (Foto: nnz) Engerling spielten in Steinbrücken (Foto: nnz)
Dass als Zugabe dann noch der "Reiter im Sturm" der Doors aus der Scheune im kleinen Steinbrücken hinausschwappte, das war mehr als eine Erinnerung daran, dass wohl jegliche Musik, die in den zurückliegenden fast acht Jahrzehnten irgendetwas mit dem zu tun hat, was gestern Abend in der Scheune von Uwe Hager als Atmosphäre zu vernehmen war: dem Blues.
Peter-Stefan Greiner