Pessimistische Zukunftsaussichten im Handwerk

Konjunktur tritt auf der Stelle

Montag
07.10.2024, 15:39 Uhr
Autor
red
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Die Konjunktur im Nord- und Mittelthüringer Handwerk tritt auf der Stelle. Im vergangenen halben Jahr hat sie sich ohne große Impulse entwickelt. Das stellt die Handwerkskammer Erfurt für Nord- und Mittelthüringen fest...

„Obwohl sich die Lage im Handwerk nach den multiplen Krisen der vergangenen Jahre weitestgehend stabilisiert hat und besser eingeschätzt wird als im Herbst 2022, krachen die Zukunftsaussichten auf einen Tiefpunkt. Die schwierige politische und wirtschaftliche Lage im Freistaat, in Deutschland und der Welt verunsichert die Betriebe nach wie vor. Für uns ist das ein echtes Warnsignal und gleichzeitig ein Appell an eine verlässliche Politik“, sagt der Präsident der Handwerkskammer Erfurt, Stefan Lobenstein.

Während 63 Prozent der Befragten hoffen, dass die Geschäftslage zumindest konstant verläuft, rechnen gerade einmal 7,9 Prozent der Befragten mit einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. 30 Prozent gehen sogar davon aus, dass ihre Geschäftslage einbrechen wird. Das sind die aktuellen Ergebnisse der Herbstkonjunktur 2024 der Handwerkskammer Erfurt, die am heutigen Montag im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt worden.

Blick in die Praxis
Der Fokus der Pressekonferenz lag auf dem Bauhaupt- und den Ausbaugewerben, die einander stark beeinflussen. Zwei Betriebe aus dem Eichsfeld gewährten einen Einblick in die Praxis und ihre aktuellen Herausforderungen. „Wir haben in den letzten Jahren viele der negativen Entwicklungen zu spüren bekommen. Beispielsweise Insolvenzen von Partner-Unternehmen, wodurch unsere Rechnungen nicht beglichen wurden, sowie deutliche Steigerungen der Einkaufspreise um bis zu 200 Prozent.

Aktuell kämpfen viele kleine Elektrobetriebe um jeden Auftrag“, beschrieb Elektromeister Christian Stock die aktuelle Lage. Der Geschäftsführer der Ernst & Herwig Hoch- und Tiefbau GmbH & Co. KG, Othmar Ernst, ergänzte: „Unsere Firmenstruktur ist zwar gut aufgebaut und kann kleinere Krisen überstehen. Dennoch kämpfen auch wir mit den politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Beispielsweise bei den tariflich vereinbarten Lohnsteigerungen – diese im eigenen Unternehmen umzusetzen, ist eine Bewältigung. Wir können Erhöhungen nicht 1:1 an den Endkunden umlegen. Weiterhin ist die Vergabeordnung reformbedürftig – der klassische Mittelständler aus der Region ist hier vielen (bundesweiten) Großunternehmern unterlegen.“

Aktuell liegt der Geschäftsklimaindex bei 97. Das ist ein leichter Abschwung im Vergleich zum Frühjahr 2024, aber ein Anstieg um 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Hintergrund sind die hohen Energiepreise und hohe Zinsen, eine hohe Belastung durch Steuern und Sozialabgaben. „Mit diesem Druck im Nacken – sowohl finanziell als auch bürokratisch - scheuen die Unternehmen derzeit von Investitionen zurück. Wer nicht investiert, ist von der Zukunft nicht überzeugt. Das wird einen enormen Einfluss auf den Wirtschaftsstandort haben – vor allem im Handwerk, das von eher kleinen und mittleren Betrieben geprägt ist, die die Effekte der schwachen Konjunktur viel stärker spüren als Großunternehmen“, zeigte Stefan Lobenstein auf.

Fachkräftemangel bleibt größte Herausforderung
Neben der Investitionsneigung der Betriebe untersucht die Konjunkturumfrage etliche Einzelindikatoren wie beispielsweise Beschäftigtenzahl, Umsatz oder Auftragsbestand. Laut der Untersuchung bleibt der Fachkräftemangel die größte Herausforderung im Handwerk. Die Betriebe haben nach wie vor Schwierigkeiten, genügend Fach- und Arbeitskräfte zu finden, was sich auf die Beschäftigungslage auswirkt.
Der Umsatzeinbruch setzt sich derweil in gemäßigter Form fort. Mit Ausnahme der Gesundheitshandwerke verzeichnen alle Gewerke kleinere bis deutliche Rückgänge. Eine Stütze in dieser konjunkturellen Schwächephase sind die aktuell noch gefüllten Auftragsbücher. Sie puffern die schwache Nachfrage ab und sorgen dafür, dass die Stimmung im Handwerk trotz vieler Negativfaktoren insgesamt noch relativ gut ist.
Um Zuversicht zu schöpfen und optimistisch(er) in die Zukunft zu blicken, brauchen die Betriebe bessere Bedingungen, echte Entlastungen und sinnvolle Investitionsanreize. „Im Bereich Bauhaupt- und Ausbaugewerbe denken wir an bessere Förderprodukte, aber auch schlankere Bauordnungen, die die Kosten in die Höhe treiben. Bürokratische Hürden wie etwa verzögerte Bebauungspläne und Baugenehmigungen müssen abgebaut werden, um Anreize für Bauwillige und Investoren zu setzen“, sagte Lobenstein.

Handwerk fordert verlässliche politische Entscheidungen
Entscheidend sei das Zusammenspiel aller politischen Ebenen. „Um eine langanhaltende Rezession zu verhindern, sind verlässliche politische Entscheidungen unerlässlich. Hier ist die neue Landesregierung Thüringens gefragt: Sie muss den Wirtschaftsstandort Thüringen nachhaltig stärken, damit das Handwerk seine Stärke heute, aber auch morgen ausspielen kann. Deshalb muss Wirtschaftspolitik zur Chefsache werden“, so der HWK-Präsident.