Neustadt steht am Scheideweg

Wie weiter mit dem Tourismus?

Sonnabend
05.10.2024, 20:00 Uhr
Autor
psg
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In Neustadt wird in diesen Tagen über die Zukunft des Ortes diskutiert. Die Diskussion findet nicht in Bürgerversammlungen statt, sondern in Chatgruppen. Worum geht es eigentlich?

Talsperre bei Neustadt (Foto: Peter Blei) Talsperre bei Neustadt (Foto: Peter Blei)
Die nnz hatte in den zurückliegenden Jahren sehr viel über die Gemeinde Neustadt berichtet. Meist war der Aufhänger dazu das Engagements des Chefs vom Ratskellers, Frank Pojtinger.

Doch nun wird - so der Eindruck - munter über die Zukunft des Ortes diskutiert, der sich immer noch "staatlich anerkannter heilklimatischer Luftkurort" nennen darf. Es ist der einzige Ort im Landkreis Nordhausen mit diesem Status.

Die Realität für den Betrachter sieht anders aus. Zurückgehende Gästezahlen, lobenswerte Bemühungen einzelner Gastronomen und Veranstalter gibt es. Aber reicht das aus, um diesen - im wahrsten Sinne des Wortes - wertvollen Status weiter verliehen zu bekommen? Wie sieht die Zukunft des Ortes in punkto Tourismus denn wirklich aus?

Das soll eine Consultingfirma mittels einer Studie herausfinden. Beauftragt wurde die „GLC Glücksburg Consulting AG“ Hamburg mit Niederlassung in Bad Sachsa durch den Gemeinderat von Harztor. "Diese Analyse umfasst eine genaue Prüfung der Umsetzbarkeit und der wirtschaftlichen Realisierbarkeit eines solchen Projekts in Neustadt. Die renommierte Firma hat eine hohe Expertise und davon erhofft sich die Gemeinde positive Signale für eine Umsetzbarkeit. Für das Prädikat „Heilklimatischer Luftkurort“ wäre das sehr wichtig."

So ist es auf den Seiten der Landgemeinde Harztor hinsichtlich eines Vorhabens am Weinberg zu lesen und so wurde es vom Gemeinderat Ende August einstimmig beschlossen. Im Ortschaftsrat soll es keine Einstimmigkeit gegeben haben. Näheres ist nicht zu erfahren, da Grundstücksangelegenheiten laut Thüringer Kommunalordnung grundsätzlich ohne Öffentlichkeit diskutiert und beraten werden.

In Neustadt selbst wird die Beauftragung einer Studie nun von einzelnen Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. Man befürchtet tiefgreifende Einschnitte in die Natur im Bereich des Weinberges und spricht in einer Petition gar von einem "Bauprojekt". Dort ist zu lesen: "Das geplante Bauprojekt “Feriendomizil auf dem Weinberg” in Neustadt (Gemeinde Harztor, Südharz) gefährdet wertvolle ökologische und landschaftliche Ressourcen. Das Baugebiet liegt in einem Landschaftsschutzgebiet, das Heimat für geschützte Arten wie Feuersalamander, Rotmilan, Uhu, Schwarzstorch, Wiedehopf und viele weitere Tiere ist."

Stephan Klante, Bürgermeister der Landgemeinde, spricht gegenüber der nnz von einem "Sturm im Wasserglas" und sagt weiter: "Es gibt kein aktuelles Bauvorhaben, aber es gab bislang auch kein Gespräch, das die Menschen in und um Neustadt mit mir hätten suchen können. Es gibt kein Bauvorhaben und keine Planungen. Was es gibt, das ist der Auftrag an eine Firma, eine Analyse zur touristischen Zukunft von Neustadt zu erarbeiten. Ausgang offen."

Warum also formuliert es die Petition folgendermaßen: "Es ist dringend erforderlich, jetzt zu handeln, da das Bauvorhaben kurz vor der Genehmigung steht und die Bauarbeiten bald beginnen könnten. Wenn nicht rechtzeitig eingeschritten wird, drohen irreversible Schäden an der Natur, insbesondere der Verlust der geschützten Tierarten und der empfindlichen Trockenrasenwiesen."

Wer sich ein wenig mit Planungen von Bauvorhaben - ob privat oder kommunal - in diesem Land auskennt, der kann bestätigen, dass das Bauvorhaben nicht kurz vor der Genehmigung stehen kann. Zumal naturschutzrechtliche Belange berücksichtigt werden müssen. Schließlich leben wir alle hier nicht nur im Südharz, sondern in Deutschland, das für schnelle oder gar überhastete Genehmigungsverfahren nicht unbedingt bekannt ist.

Sowohl Stephan Klante als auch Ortsbürgermeister Mario Kühn wünschen sich, dass die Bürgerinnen und Bürger von ihrem Mitspracherecht mehr Gebrauch machen und bitte nicht nur in den sozialen Medien. Das Interesse der Neustädter Bürgerschaft an Sitzungen des Gemeinderates oder Ortschaftsrates tendiert hingegen seit Jahren gegen Null.
Peter-Stefan Greiner