In Erinnerung an Gerd Mackensen

Mackensens Graphiken für die Pirckheimer

Mittwoch
25.09.2024, 14:42 Uhr
Autor
red
veröffentlicht unter:
Als der Graphiker, Maler und gern auch plastisch arbeitende Gerd Mackensen für viele Anhänger seiner Person und seiner Kunst so plötzlich verstorben war, erinnerten sich die Mitglieder des Fördervereins „Dichterstätte Sarah Kirsch“ an Begebenheiten mit ihm, die mit Limlingerode, dem Geburtsort Sarah Kirschs, zusammenhängen…

Im Jahr 2005 versammelten sich vom 23.- 25.9. ca. 60 Personen der in Berlin ansässigen Pirckheimer-Gesellschaft in Nordhausen und in Limlingerode.

Karin Kisker, Zeichnung zum Pirckheimertreffen auf einer von ihr gestalteten Speisekarte: Der Taufengel fliegt vom Geburtshaus der Dichterin in L. nach Nordhausen, Repro Kneffel (Foto: Heidelore Kneffel) Karin Kisker, Zeichnung zum Pirckheimertreffen auf einer von ihr gestalteten Speisekarte: Der Taufengel fliegt vom Geburtshaus der Dichterin in L. nach Nordhausen, Repro Kneffel (Foto: Heidelore Kneffel)


Diese Gemeinschaft, die die Zeitschrift „Marginalien“ herausgibt, wurde in Ost-Berlin gegründet und existiert ganz und gar lebendig. Dieser Personenkreis sagt von sich: „Wir lieben Bücher & Graphiken und sammeln alles, was schön & besonders ist …“, also alles Dinge, die um das Bücherleben versammelt sind, also auch besondere Lesezeichen. Sie wollten ihre Jahrestagung im Geburtsort und Geburtshaus der allseits bekannten Lyrikerin Sarah Kirsch verbringen und in der alten Reichsstadt Nordhausen. Das Signet der Vereinigung ist die von Albrecht Dürer 1503 geschaffene Porträtzeichnung des Nürnberger Renaissance-Humanisten, des Juristen, Publizisten, Übersetzers, Ratsherren und Kunstsammlers Willibald Pirckheimer (1470-1530).

Dürers Porträt Willibald Pirckheimers als Signet der Pirckheimergesellschaft, Repro Kneffel (Foto: Heidelore Kneffel) Dürers Porträt Willibald Pirckheimers als Signet der Pirckheimergesellschaft, Repro Kneffel (Foto: Heidelore Kneffel)


Er war mit Albrecht Dürer verbunden, mit Ulrich von Hutten, mit Kaiser Maximilian. Bei den Pirckheimern ist es Tradition, dass zu den Jahrestreffen, die immer in anderen Orten abgehalten werden, um vieles kennenzulernen, zwei Künstler aus der Region gebeten werden, Zeichnungen beizusteuern, eine freie Graphik und eine illustrierte Speisekarte. Letztere stammte von Karin Kisker, die im Nordhäuser Ratskeller am zweiten Abend verteilt wurde und mit dem Bild Königin Mathildes auf das hohe Alter Nordhausens verwies.
In Nordhausen versammelte man sich am ersten Tag zur Jahreshauptversammlung im Tabakspeicher an langer herbstlich geschmückter Tafel. Echter Nordhäuser Doppelkorn gab es auch in angenehmer Portion. Dort wurden auch als Empfangsgeschenk drei unterschiedliche schwarz-weiß Graphiken ausgegeben, die von Gerd Mackensen stammten. Da ja in der Renaissance die Antike eine Auferstehung erfuhr, sollte das Kunststück ein Motiv aus der Zeit darstellen. Der Künstler entschied sich für berühmte erotische Episoden, die in der Literatur und in der Kunst immer wieder gestaltet werden: „Das Urteil des Paris“ (in zwei Varianten) und „Leda mit dem Schwan“. Diese Motive gab es auch in farbigen Fassungen, die zusätzlich gekauft werden konnten, was auch eifrig geschah.

Gerd Mackensen, 2005, Kaltnadelradierung, „Urteil des Paris“, Jahresgabe, Repro Kneffel (Foto: Heidelore Kneffel) Gerd Mackensen, 2005, Kaltnadelradierung, „Urteil des Paris“, Jahresgabe, Repro Kneffel (Foto: Heidelore Kneffel)


Paris, der Sohn des Königs von Troja, Priamos, lebte als Rinderhirte der Herden seines Vaters im Idagebirge. Er war dorthin verbannt worden, denn er sollte schuldig werden am Krieg der Griechen mit Troja, so die Weissagung. Bei einer göttlichen Hochzeitfeier wird Eris, die Göttin des Neids und der Zwietracht, nicht eingeladen, sie erscheint trotzdem und wirft einen goldenen Apfel in die Menge, der enthält die Worte: „Der Schönsten!“ Nun nahm das Schicksal seinen Lauf. Hera, Athene und Aphrodite zanken sich heftig um die Gabe. Zeus greift ein und benennt Paris als Schiedsrichter. Hermes begleitete die Göttinnen zur Erde. Paris möchte nichts entscheiden, aber die Göttinnen flüstern ihm das Geschenk herrlicher Gaben ins Ohr. Aphrodites Flüstern stellt alles in den Schatten – er bekäme die schönste Frau der Welt, Helena, zur Gemahlin, die Frau des griechischen Königs Menelaos. Nun passiert das, was zum Krieg zwischen den vereinten Griechen und Troja führt, denn zwei der Göttinnen sind sehr heftig empört und beeinflussen das kommende Geschehen. Ein menschenmordenes und zerstörerisches Geschehen nimmt seinen Lauf! Die Graphik von Mackensen zeigt davon natürlich nichts, aber der heutige Betrachter weiß um das Geschehen. Der Kopf des Jünglings erscheint am unteren Bildrand und hält den Apfel mit spitzen Fingern hoch zu den Frauen, die in aller weiblichen Schönheit hinter ihm versammelt sind. Ewas, was bei Mackensens erotischen Szenen oft vorkommt, sieht man auch hier, eine von ihnen trägt ein Strumpfband. Dem Betrachter bleibt es zu entscheiden, welche Person wen darstellt. Gerd Mackensen schenkte dem Förderverein eine kleine Zeichnung, auf der die beiden Orte vereint sind, wo die Pirckheimer Abwechslungsreiches erlebten.

Oben das Geburtshaus mit Eingangsbereich und davor der Brunnen, darunter Nordhausen mit den Türmen des Domes, Repro Kneffel (Foto: Heidelore Kneffel) Oben das Geburtshaus mit Eingangsbereich und davor der Brunnen, darunter Nordhausen mit den Türmen des Domes, Repro Kneffel (Foto: Heidelore Kneffel)


Die 60 Personen wurden von der Stadt- und Gästeführergilde in N. zum Rathaus, in die beiden Hauptkirchen, zum Stadtmauerring, zur Rautenstraße und ins kunstbestückte Meyenburgmuseum geführt. In Limlingerode lasen der Dichter Wulf Kirsten und die Schriftstellerin Gisela Kraft. In der Kirche sah man den Taufengel, im Geburtshaus die Ausstellung zum neuen großformatigen Kunstbuch mit dem Sarah-Kirsch-Text „Kommt der Schnee im Sturm geflogen“ und den Kunstwerken von Petra Albrecht und Karin Kisker. Danach mundete Kaffee mit dem einmaligen Diskursekuchen, es folgte bei herrlichem Wetter der Gang auf dem Dichterweg „Grüner Junipfad“. Sarah Kirschs besonderer Spruch: „Wer den Junipfad geht, der bleibt grün. Ewig.“, begleitete die Pirckheimer auf ihrer Heimfahrt.
Heidelore Kneffel