Aus dem Kreisausschuss

Wer kann arbeiten, wer darf arbeiten?

Dienstag
24.09.2024, 10:54 Uhr
Autor
red
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Im Kreisausschuss wurde gestern über Arbeitsgelegenheiten für Asylbewerber diskutiert, Symbolbild (Foto: pixabay.com) Im Kreisausschuss wurde gestern über Arbeitsgelegenheiten für Asylbewerber diskutiert, Symbolbild (Foto: pixabay.com)
Ende vergangenen Jahres beschloss der Kreistag, Asylbewerber über Arbeitsgelegenheiten zur Beschäftigung zu bringen. Das Programm läuft inzwischen an und man hat erste Einblicke zu Kosten, Nutzen und Aufwand gewonnen, die gestern im Kreisausschuss vorgestellt wurden…

Wer kann arbeiten und wer darf arbeiten? Dieser Frage ging man in den letzten Wochen im Fachbereich Sozialhilfe und Asyl des Landratsamtes nach. Die Ergebnisse stellte gestern Marc Hesse dem Kreisausschuss vor.

Der Kreistag hatte im November vergangenen Jahres auf Betreiben der CDU hin einen entsprechenden Beschluss gefasst, für dessen Umsetzung im Kreishaushalt 200.000 Euro eingeplant wurden. Wie weit die reichen werden und wie hoch das Arbeitskräftepotential tatsächlich ist, hat die Untersuchung an fünf Gemeinschaftsunterkünften (GU) des Landkreises unter die Lupe genommen.

Erstes Kriterium: Volljährigkeit. Verteilt über die Einrichtungen traf das auf 151 Bewohner zu. In diesem Kreis finden sich 66 sogenannte „Rechtskreiswechsler“, die nicht mehr unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, welches die Grundlage für die Arbeitsgelegenheiten bilden muss, sogenannte „AGH-Maßnahmen“. Außerdem gibt es anerkannte Flüchtlinge, die noch keine eigene Bleibe gefunden haben und ebenfalls qua Gesetz nicht mehr als Asylbewerber zählen. Damit sinkt das Potential auf 85 leistungsberechtigte Personen, wobei berechtigt nicht automatisch bedeutet, das man auch Leistungen des Sozialstaates bezieht.

In 30 Fällen gingen Asylbewerber nämlich bereits einer Beschäftigung nach, wenn die auch zumeist prekär ausfallen. Einige fielen mit gesundheitlichen Einschränkungen, wie amputierten Gliedmaßen, aus dem Raster, andere aus familiären Gründen, darunter auch Alleinerziehende. Übrig bleiben laut der „Potentialanalyse“ 33 Personen, die man über Arbeitsgelegenheiten beschäftigen könne.

„Die meisten Menschen die hier ankommen, wollen arbeiten. Die Frage nach Arbeitsmöglichkeiten ist die zweithäufigste die wir hören, gleich nach der Verfügbarkeit von Sprachkursen.“, erklärte Hesse, dem Wunsch stünde aber meist die rechtliche Realität im Weg, ohne Erlaubniserteilung zur Arbeit könne man nichts machen.

Soweit die Stichrprobe, hochgerechnet auf den Landkreis geht man von 580 Asylbewerbern aus, von denen etwa 390 „Leistungsberechtigt“ und volljährig sind. Nach Abzug der genannten Kriterien bleibt ein Potential von etwa einem Drittel, rund 130 Personen.

Was kostet das Ganze?
Kostenlose Arbeitskräfte sind auch Asylbewerber nicht, auch das wurde gestern im Ausschuss noch einmal deutlich. Bei einer verantwortungsvollen und rechtlich sauberen Umsetzung müsse man mit Institutionen wie der Agentur für Arbeit und Maßnahmeträgern wie dem Verein Horizont, dem Berufsbildungszentrum BBZ oder der Kreishandwerkerschaft zusammen arbeiten. Die Wiederrum müssen zur Anleitung Mitarbeiter abstellen, die Geld kosten, außerdem müssen mitunter Arbeitsutensilien angeschafft werden, auch die gibt es nicht kostenlos. Eine Mehraufwandsentschädigung von 80 Cent pro Stunde kann über das Land erstattet werden, alles andere muss aus dem Kreishaushalt kommen.

Im Moment bereitet man Maßnahmen für 23 Teilnehmer vor, unter anderem beim Gewässerunterhaltungsverband, dem Bauhof der Gemeinde Harztor und in der Nordhäuser Stadtverwaltung. Die Betreuungspauschale schlägt laut Hochrechnung mit rund 80.000 Euro, die Mehraufwandsentschädigung mit 13.400 Euro zu Buche. Würde man 25 Plätze über 12 Monate in den vorhandenen Strukturen finanzieren kommen man in der Spitzrechnung auf Kosten von 193.000 Euro. Der Etat, den der Kreistag für die Maßnahem bereit gestellt hat, wäre für dieses Jahr damit nahezu erschöpft, führte der zweite Beigeordnete des Kreises, Dirk Schimm aus.

Unsicherheiten und andere Hürden
Für eine volle Kostendarstellung fehlte es noch an einer Einordnung durch die Landesseite, so Hesse weiter. Zudem sei das „Einsatzstellenpotential“ im Moment niedriger als die Zahl der möglichen Arbeitskräfte. Einsätze über die Verwaltungen der Kommunen sei wünschenswert und in der Sache einfacher zu organisieren, die Nachfrage aus dem Amtsstuben sei bisher aber eher zurückhaltend, ergänzte Landrat Jendricke. Ein Grund dafür könne auch sein, dass die Einsatzzeiträume nicht klar definiert werden könnten, der Aufwand zum einarbeiten im kommunalen Bereich aber dennoch gegeben sei. Wie so oft gibt es auch dazu Vorgaben, um die man nicht umhin komme und wer viel Aufwand betreiben müsse, um die Hilfskraft möglicherweise schon nach einem Monat wieder zu verabschieden, überlege sich die Sache eher zwei mal.

Es könne unter dem Strich einfacher sein, sich an die Aktivitäten der Agentur für Arbeit anzuschließen, die ohnehin AGH-Maßnahmen durchführt.

Realitätscheck
Im Ausschuss wollten CDU und AfD gerne wissen, inwiefern Sanktionspotential bestehe und ob man den Asylbewerbern nicht andere Aufgaben anvertrauen könne. Für die Christdemokraten frage zunächst René Fullmann, inwiefern man unwilligen Asylbewerbern Leistungen streichen könne. Möglich sei das durchaus, entgegnete Hesse, im Eichsfeld gehe man ähnlich vor. Sowie die Zuweisungen in Arbeitsgelegenheiten sinnstiftend sein sollten, so müssten Sanktionen auch von den Betroffenen verstanden werden, Kürzungen allein um der Sanktion willen seien nicht zielführend.

Für die AfD wollte Jörg Prophet wissen, ob man den Bewohnern der Unterkünfte nicht Aufgaben wie Bewachung, Reinigung und Verpflegung übertragen könne. Auch hier müsse man die Realitäten sehen, antwortete Landrat Jendricke, mit der Bewachung gingen Aufgaben einher, die man nicht einfach übertragen könne, darunter die Kommunikation im Notfall und die Koordination mit Einsatzkräften sowie die Verwaltung von sensiblen Unterlagen.

Die Reinigung falle in den Einrichtungen unterschiedlich aus. In Sülzhayn hätten die Unterkünfte etwa „WG-Charakter“, für das eigene Lebensumfeld sind die Bewohner hier von jeher zuständig. An anderer Stelle, gerade in hygienisch sensiblen Bereichen, gebe es wie auch bei der Bewachung, Vorgaben an die man sich zu halten habe.

Für ihre Verpflegung sind Asylbewerber in der Regel auch selber zuständig und kleinere Aufgaben im Umfeld der Unterkünfte werden stundenweise bereits von Asylbewerbern als „Mitläufer“ begleitet, die Nachfrage nach derlei Beschäftigungsmöglichkeiten sei hoch. Man könne nicht einfach ganze Häuser in die Selbstverwaltung abgeben, das würde nicht funktionieren, selbst wenn man es mit Einheimischen Bewohnern zu tun hätte, schloss Jendricke.

Fazit: es fehlt noch an passenden Einsatzstellen und eine vollumfängliche Beschäftigung von rund 130 möglichen Arbeitskräften in Gelegenheitstätigkeiten würde das aktuelle Budget im Kreishaushalt weit übersteigen. Ohne eine Kostenminderung auf Seiten der Träger wird sich das auch nicht ändern lassen. Mit den ersten 23 Teilnehmern wird nun aber erst einmal ein Anfang gemacht. Wie es weiter geht, hat dann der Kreistag zu entscheiden.
Angelo Glashagel