20 Jahre NUV

Gerhard Schröder gratulierte und referierte

Freitag
06.09.2024, 19:42 Uhr
Autor
psg
veröffentlicht unter:
Nordhausen entwickelt sich so langsam aber sicher zu einem Mekka von Menschen, die in diesem Land mal was zu sagen hatten. Nicht nur in der Politik. Heute jedoch war das anders, da wurde Geburtstag gefeiert und das Geburtstagskind hatte sich einen besonderen Gast eingeladen…

Gerhard Schröder bei seiner Festrede (Foto: nnz) Gerhard Schröder bei seiner Festrede (Foto: nnz)
Ob fehlender Räumlichkeiten, um größere Geburtstagspartys ausrichten zu können, feierte der Nordthüringer Unternehmerverband (NUV) sein 20jähriges Bestehen in einem Autohaus der Peter-Gruppe. Bereits vor zehn Jahren war der mitgliederstärkste Wirtschaftsverband Thüringen in einem Autohaus zu Gast. Damals waren es zehn Jahre, heute sind es 20.

War es vor einem Jahrzehnt der Unternehmer Wolfgang Grupp, der die Festrede hielt, so konnten die Gäste heute Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder begrüßen. Der Mann versprach Abwechslung, um es vorsichtig anzudeuten. Doch vor den Einlassungen des 80jährigen, war es an NUV-Chef Niels Neu, die Eröffnung zu zelebrieren.

Der begrüßte nicht nur den Ehrengast, sondern auch alle Landes- und kommunalen Politiker, stellvertretend dafür den Bürgermeister von Sondershausen, Steffen Grimm. Wenn Sie sich jetzt wundern, warum der Nordhäuser OB nicht vor Ort war? Ganz einfach, laut NUV hatte der abgesagt.

Blick auf die Gäste im Mercedes-Autohaus (Foto: nnz) Blick auf die Gäste im Mercedes-Autohaus (Foto: nnz)
Niels Neu blickte in seinen Worten zurück auf die vergangenen 20 Jahre, hob einige Höhepunkte hervor und betonte auch nach 20 Jahren die Unabhängigkeit von Parteien. Einmal jedoch habe man sich entsprechend geäußert. Genau dann, als eine Thüringer Partei Unternehmen sinkende Umsätze wünschte. Das habe man nicht unkommentiert hinnehmen können.

Nach einigen Musikeinlagen war er dann an der Reihe und – kommt selten vor – wurde mit ehrlichem Beifall empfangen. Schröder ging eingangs auf die Stärken dieses Landes ein, es habe sich aus Schuttbergen zu einem wirtschaftlichen Dino entwickelt. Darauf müsse man einfach auch mal stolz und stark sein. Zum Beispiel mit seinem industriellen Kern. Noch. Noch unterscheide sich dieses, unser Land, von vielen anderen Volkswirtschaften in Europa und der Welt. Noch habe man einen stabilen Arbeitsmarkt, einen festen Mittelstand und genügend innovatives Potential. Noch.

Von links: NUV-Chef Niels Neu, So-yeon Schröder-Kim, Gerhard Schröder, Hausherr Helmut Peter (Foto: nnz) Von links: NUV-Chef Niels Neu, So-yeon Schröder-Kim, Gerhard Schröder, Hausherr Helmut Peter (Foto: nnz)
Der Ex-Kanzler plädierte für eine vernünftige Regierungsbildung und gab schon mal CDU mit SPD und BSW vor, obwohl ihm der Platz seiner Partei in dieser möglichen Koalition nicht behage.

Mit auf dem Weg gab er der aktuellen Politik, dass es zwischen Politik und Wirtschaft ein vernünftiges Miteinander gebe müsse. Funktioniere das nicht, dann schade das zwar den politischen Akteuren nicht, sondern den Frauen und Männern, den Familien, die diese Wirtschaft am Laufen halten. Den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern.

Gerhard Schröder benannte in seinem Vortrag drei Herausforderungen, die diesem Land bevorstehen. Das sei die stabile Versorgung mit Energie. Ja, man habe ihn Gas-Gerd genannt. "Dazu stehe ich immer noch, denn wir wussten, wo das Gas herkam und wer der Absender war", bis ein „Unfall“ den Transport gestört habe.

Eine weitere Herausforderung sei die Bildung, sei der Nachwuchs in Forschung, Landwirtschaft und Industrie. Die jedoch müsse nicht nur mit jeder Einschulung weiter besonders gedacht werden, sondern auch in allen Bereichen der Gesellschaft. Nur dann würde Deutschland den Respekt bekommen, nur dann werde man ernst genommen, „dann habe unser Wort politisches Gewicht“. Schließlich müsse die digitale Transformation schneller gehen, man hinke international hinterher. Und schließlich dürfe man dem Klimawandel nicht den Grünen überlassen. Und: Deutschland dürfe sich nicht ausruhen.

Deutschland müsse auf sein geistiges Potential bauen, dieses gelte es zu fördern. Von Schule über Ausbildung bis zum Studium. Alles andere könne man vergessen. Nur dann könne Deutschland vorn mitspielen. Noch!

Ein Wort noch zur Energiepolitik, die ihm „durchaus vertraut“ sei. Deshalb sein Rat an die Politik. Die Energiewende könne nicht auf Parteitagen beschlossen werden, sondern sie müsse gemacht werden. Die jedoch gelinge nur, wenn Politik und Wirtschaft diesen Weg gemeinsam gehen würden.

Die Basis dafür ist die intellektuelle Stärke des Gemeinwesens. Nicht nur Kultur, nicht nur schöne Gedichte, sondern die wissenschaftlich-technische Basis seien das Fundament für die wirtschaftliche Stärke, die Deutschland immer noch auszeichne. Aber es gelte auch weiterhin: ohne Fleiß kein Preis. Faulheit sei nichts Vorzeigbares. Willen und Können müssen sich ins Gleichgewicht gebracht werden.

Zum Ende seines Referates, durch das der 80jährige souverän steuerte, wurde es international. Man müsse sich die Frage stellen, was und wie es zu verhindern gelte, dass Deutschland abgehängt werde. Gute Beziehungen gebe es zu China, aber in Afrika sei Deutschland dabei, den „Zug“ zu verpassen.

Das Verhältnis zu Russland müsse im Blick behalten werden, nicht zu Putin. Wie können wir hilfreich sein, um diesen Krieg zu beenden? Waffenlieferungen sei ein Aspekt, doch die müsse man mit der Forderung verbinden, den Krieg schnellstens zu beenden. Das müsse in die deutsche Politik „rein“. Vor allem Deutschland und Frankreich seien gefragt. Das Ziel müsse sein: Ende durch Verhandlungen. Das sei sein Wunsch, der mit Beifall der rund 300 Gäste bedacht wurde. Letztlich, so Schröder, werde aber dieser Konflikt nur beendet, wenn es die USA auch wollen würden. Trotzdem solle es eine europäische Aufgabe sein, in der Ukraine Frieden zu schaffen. Dazu könnten auch die neuen Regierungen in Sachsen und Thüringen beitragen.

Bei der anschließenden Fragerunde, bekannte Landrat Matthias Jendricke, dass er sich aktuell für einen Kanzlerwechsel aussprechen werde und Hausherr Helmut Peter fragte den Gast ihm nach seinen Bemühungen zu einem Frieden in der Ukraine. Schröder antwortete, dass er auf Bitte aus diplomatischen Kreisen aus der Ukraine einen Gesprächsfaden über die Schweiz und die Türkei spinnen solle. Das habe er getan, doch ein Ex-Politiker sei eben nicht in der Lage, hier zu Ergebnissen zu kommen. Das müsse auf der Ebene von Länderchefs erfolgen. Er wünsche sich nichts mehr, als ein baldiges Schweigen der Waffen in der Ukraine.

NUV-Ehrenpräsident Hans-Joachim Junker überreichte Schröder eine Flasche Doppelkorn einer limitierten Edition. (Foto: nnz) NUV-Ehrenpräsident Hans-Joachim Junker überreichte Schröder eine Flasche Doppelkorn einer limitierten Edition. (Foto: nnz)
Völlig unpolitisch wurde es zum Schluss mit einer Nordhäuser Tradition: Der Gast aus Niedersachsen erhielt einen edlen Tropfen des Doppelkorns aus einer Sonderedition mit der Nummer 238. Eine Erinnerung an den 23. August 2000, da besuchte Schröder schon einmal Nordhausen.
Peter-Stefan Greiner