Ronald Fromm besucht seit 50 Jahren Thüringen-Derbys

Sport mit Leidenschaft und Treue

Donnerstag
05.09.2024, 18:46 Uhr
Autor
osch
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„Der Sportsgedanke sollte immer im Vordergrund stehen“, meint der Fußball-Freund Ronald Fromm aus Bad Langensalza, der gestern in Jena ein beeindruckendes Jubiläum feiern konnte (wenn auch nicht mit dem erhofften Ergebnis) …

Ronald Fromm kann die meisten seiner Stadionbesuche auch dokumentieren (Foto: oas) Ronald Fromm kann die meisten seiner Stadionbesuche auch dokumentieren (Foto: oas)

Es war am 7. September 1974, als der kleine Ronald von seinem Vater und dessen Kollegen mit nach Erfurt ins große Georgi-Dimitroff-Stadion genommen wurde, um dort seinem ersten Thüringen-Derby zwischen dem FC Rot-Weiß und dem FC Carl Zeiss Jena beizuwohnen. „Das war ein Riesenerlebnis für mich als elfjährigen Jungen und in etwa so gigantisch, als würde man heute ein Bundesligaspiel in München besuchen“, erinnert sich Ronald Fromm. „Es war schönes Wetter, das Stadion mit 20.000 erwartungsfrohen Zuschauern besetzt. Bis zur Pause führten wir auch 1:0, doch dann gewann Jena schließlich noch mit 2:1.“

Statistik, Zahlen, Daten und Ergebnisse sind eine weitere Leidenschaft neben der Jagd nach dem runde Leder, die von Fromm ausgelebt wird. Bis vor kurzem saß er noch in der Bad Langensalzaer Stadtverwaltung und prüfte dort die Rechnungen der Kommune. „Auch meinen Beruf habe ich leidenschaftlich ausgeübt, bin jetzt aber froh, dass ich nach über dreißig Jahren in der Verwaltung in den Ruhestand gehen konnte.“

Ein Unruhestand natürlich, denn das Fußballfieber hat ihn nicht losgelassen und so war er auch gestern Abend im Gästeblock des Jenaer Stadions, wo es fast auf den Tag genau 50 Jahre nach seinem ersten Derbybesuch wieder hieß: Rot-Weiß gegen Blau-Gelb-Weiß. Es war das 59. Derby, das Ronald Fromm in einem der beiden Stadien gesehen hat und dabei gingen die Thüringer Rivalen jeweils 21mal als Sieger vom Platz und 17mal teilte man sich die Punkte.

Schon sein Vater war aktiver Fußballer und bei der Gründung der BSG Landbau vor Ort. Logisch, dass der kleine Ronald seit 1970 alle Nachwuchsmannschaften des Vereins durchlief, der sich langsam nach oben kämpfte und heute als FSV Preußen die beste Elf des Landkreises stellt. Als Zuschauer ist er mit seinem Vater und später mit den Freunden des Fanclubs durch Thüringen gebraust, um ihre Lieblinge auf den Plätzen des damaligen Bezirks Erfurt zu sehen. Obwohl alle eingeschworene Rot-Weiß-Fans waren gönnten sie selbst dem Erzrivalen aus der Zeiss-Stadt die Siege im Europapokal, als der beispielsweise den AS Roma mit 4:0 besiegte.

„Das Gemeinschaftsgefühl in einem Stadion, wenn man nach einem Tor wildfremde Menschen umarmt und sich freut, das macht etwas mit einem. Es gibt ein Zusammengehörigkeitsgefühl und ich empfinde es als Geschenk, so unverrückbar zu einer Sache zu stehen“, schätzt der 61-Jährige ein, der glaubt, dass es genug Erfolgsfans gäbe, aber die wahren Anhänger eines Vereins mit ihrer Mannschaft durch gute und schlechte Zeiten gehen. Inzwischen findet er auch Ultra-Gruppierungen in den Vereinen gut, nachdem die von der früheren Skinheadmentalität sich gewandelt hätten und „die Rechtsradikalen wieder raus sind aus den Blöcken. Wir haben unseren Fußball wieder!“, reflektiert er die Zeit kurz nach der Wende, als viele ostdeutsche Vereine große Probleme mit Neonazis als Fans hatten.

Überhaupt seien die Veränderungen auch im Thüringer Fußball eng verbunden mit den gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen dieser Wendezeit. So wurde aus dem gegenüber dem staatstragenden FC Carl Zeiss Jena immer benachteiligten Underdog FC RW Erfurt ein ebenbürtiger Verein, der es sogar in den Europa-Cup schaffte und gegen die Holländer aus Groningen spielte. Die Stadionatmosphäre, wie sie Ronald Fromm aus dieser Epoche noch kennt, kommt heute nur noch bei den Derbys auf, resümiere er und lobt die Superstimmung beim gestrigen Aufeinandertreffen der Kontrahenten.

In Erfurt fehle aber die Unterstützung der Politik, meint Fromm und verweist auf die Partnerstadt Mainz, wo der Bundesligaverein Aushängeschild der Stadt ist, mit modernem Stadion und Integration in alle Teile der Gesellschaft. So müsse man sich halt mit der 4. Liga in der Landeshauptstadt abfinden, wo es derzeit nicht einmal gelingt, einen Brustsponsor für die Rot-Weiß-Trikots der aktuellen Spielzeit zu gewinnen. Am Beispiel der Geschichte des FC Rot-Weiß als „Dino der 3. Liga“ von 2008-2017 macht Ronald Fromm fest, wo der Fußballschuh drückt: „Durch die Unterfinanzierung der Vereine gerade im Osten Deutschlands wurde weniger investiert, die Spielerkader immer kleiner und weniger konkurrenzfähig, was zu den ganzen Abstiegen in den letzten Jahren geführt hat.“

Doch davon läßt sich Ronald Fromm nicht abschrecken und bleibt seinem Verein treu. „Inzwischen tummeln sich in der Regionalliga so viele illustre Vereine aus der ehemaligen DDR, dass es wie eine Neuauflage der Oberliga erscheint.“ Und die will sich Ronald Fromm noch möglichst lange anschauen, so wie er auch zu fast jedem Heimspiel seiner Preußen im Stadion der Freundschaft anzutreffen ist. Dort hört er dann die Stimme seines Sohns Markus aus den Lautsprechern tönen, der dort schon seit zwölf Jahren als Stadionsprecher fungiert. Natürlich auch völlig fußballverrückt, oder wie Ronald es ausdrückt: „Der Apfel fällt nicht weit vom Birnbaum.“
Olaf Schulze