Heute vorgestellt:

Aktueller Zuwanderungs- und Integrationsbericht

Mittwoch
28.08.2024, 16:27 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
„Kaum ein Thema beschäftigt unsere Gesellschaft derzeit mehr als die Migration. Dabei sollten wir genau wissen, worüber wir reden“, ist Mirjam Kruppa, die Thüringer Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge überzeugt....

„Das Wissen über aktuelle Zahlen, Daten, Fakten und Entwicklungen ist Voraussetzung für eine zielgerichtete Migrationspolitik. Deshalb ist es gut und wichtig, dass der erste Thüringer Zuwanderungs- und Integrationsbericht von 2019 fortgeschrieben wurde und nun vorliegt“, erklärt Mirjam Kruppa, Thüringer Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge.

Der Bericht wurde durch das Institut Minor erarbeitet und gestern dem Kabinett vorgestellt. Er liefert nicht nur Zahlen zu Wanderungsbewegungen im Detail: „Also wer und wie viele Menschen ziehen nach Thüringern und woher kommen sie? Wer verlässt den Freistaat?“ Er betrachtet auch diverse Indikatoren, die Antworten auf die Frage geben: „Wie gut wächst die Gesellschaft zusammen?“ Dabei werden die Themenfelder Bildung, Arbeitsmarkt, Deutschförderung, gesellschaftliche Teilhabe, Vielfaltsorientierung, Antidiskriminierung, Gesundheit und Wohnen in den Blick genommen.

Aktuell haben rund 11,1 Prozent der Menschen, die in Thüringen leben, einen Migrationshintergrund. Das bedeutet, dass rund 232.000 Personen selbst oder wenigstens einer ihrer Elternteile nicht als deutsche Staatsagehörige geboren sind. Die meisten von ihnen sind EU-Angehörige oder haben einen humanitären Aufenthaltstitel, sind also vor Krieg und Verfolgung in ihren Herkunftsländern geflohen. Fast die Hälfte der Menschen mit Migrationshintergrund in Thüringen sind Frauen. Und mittlerweile stellen Menschen aus der Ukraine - anders als im Bund - in Thüringen die größte Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund.

Gut 40 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund sind erst in den letzten fünf Jahren nach Thüringen gezogen. Ihnen ist es zu verdanken, dass das Wanderungssaldo für den Freistaat positiv ausfällt.

„Diese Zahlen bekommen angesichts des prognostizierten Bevölkerungsrückgangs auf Grundlage amtlicher Statistiken eine besondere Bedeutung“, erklärt Kruppa und verweist auf die Bevölkerungsvorausberechnung des Datenportals „Wegweiser Kommunen“ der Bertelsmann Stiftung. Demnach ist davon auszugehen, dass die Thüringer Bevölkerung von 2020 bis 2040 um 10,9 Prozent auf knapp 1,9 Millionen Einwohner sinken wird. Eine Studie der Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturförderung (GWS) und des ifo-Instituts prognostiziert, dass bis 2035 in Thüringen nahezu 250.000 Arbeitskräfte fehlen werden.

„Spannend ist vor diesem Hintergrund auch der Blick auf die Altersstruktur der Zuwanderungsgruppen. Es wandern besonders viele ausländische Staatsangehörige im Alter zwischen 15 und 35 Jahren ein. Das ist genau die Altersgruppe, die für Ausbildung, Studium und Nachwuchs auf dem Arbeitsmarkt eine entscheidende Rolle spielt“, hebt Mirjam Kruppa hervor.

Und gerade für diesen Bereich zeigen die Zahlen einen positiven Trend. „Die Zuführung ausländischer Zugewanderter in den Arbeitsmarkt läuft“, fasst die Beauftragte zusammen und verweist auf den Anstieg sozialversicherungspflichtig beschäftigter Ausländerinnen und Ausländer von rund 42.000 Personen im Jahr 2019 auf 71.000 in 2023. Während die Zahlen deutscher Arbeitnehmer seit 2017 zurückgehen, steigen die der ausländischen Beschäftigten an und gleichen den zunehmenden Verlust zumindest teilweise aus. Die Zahlen zeigen zwar auch, dass der Eintritt in den Arbeitsmarkt verzögert stattfindet. „Die Gründe dafür liegen allerdings auf der Hand: Die Corona-Pandemie hat vieles ausbremst und unabhängig davon kosten Sprachkurse, die Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse und auch das Organisieren von Betreuungsplätzen für Kinder Zeit“, erklärt Mirjam Kruppa.

Sorge bereitet der Beauftragten der Rückgang der – gerade für den Arbeitsmarkt bedeutenden – Zuwanderung aus Osteuropa. Als mögliche Gründe dafür führt der Zuwanderungs- und Integrationsbericht die sich bessernde wirtschaftliche Situation in den Herkunftsländern, die zudem selbst vom demographischen Wandel betroffen sind, an. Mitentscheidend sei wahrscheinlich auch die Tatsache, dass ausländische Arbeitnehmende in Deutschland und Thüringen häufig unter ihrer beruflichen Qualifikation beschäftigt werden und weniger verdienen als ihre deutschen Kollegen.

Auch mit Blick auf die künftige Arbeitsmarkentwicklung hebt Mirjam Kruppa zwei Ergebnisse des Zuwanderungs- und Integrationsberichts hervor, die sie optimistisch stimmen: Immer mehr Kinder mit Migrationshintergrund zwischen drei und sechs Jahren besuchen eine Kita, ihre Betreuungsquote ist höher als in den anderen Bundesländern. Zudem nimmt in Thüringen der Unterschied in der Betreuungsquote im Vergleich zu Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund ab. „Der Kita-Besuch legt wichtige Grundsteine für spätere Bildungserfolge und ist ein entscheidender Faktor für die langfristige Integration. Insofern sind wir hier in Thüringen auf einem sehr guten Weg“, freut sich Kruppa.

Mutmachend sei außerdem die Internationalität in der Hochschullandschaft. Der Anteil sowohl an ausländischen Studierenden (16,3 Prozent) und Promovierenden (28,1 Prozent) als auch des ausländischen wissenschaftlichen und künstlerischen Personales (17,2 Prozent) liegt über dem jeweiligen Bundesdurchschnitt, Tendenz überall steigend. Die meisten ausländischen Studierenden kommen aus Indien, Österreich und China. Die große Herausforderung sei, die jungen Menschen, die sich hier ausbilden lassen, auch in Thüringen zu halten. „Dafür ist wichtig, dass sie sich hier wohl fühlen“, unterstreicht Mirjam Kruppa.

Und bezüglich dieser Stimmungslage zeichnet der Bericht die größten Herausforderungen für den Freistaat. Im Zeitraum von 2019 bis 2023 ist die Anzahl an fremdenfeindlichen Straftaten im Freistaat extrem angestiegen: Während 2019 bereits 325 fremdenfeindliche Straftaten polizeibekannt wurden, hat sich die Zahl bis 2023 mehr als verdoppelt (716 Straftaten). Diese Entwicklung deckt sich mit den Berichten von Opferberatungsstellen und spiegelt auch die Ergebnisse des Thüringen Monitors zu verbreiteten Einstellungsmustern gegenüber Ausländern wider. „Eine solche aggressiv ablehnende Haltung wirkt sich unmittelbar auf Integration aus und gefährdet das Miteinander in unserer Gesellschaft“, warnt Mirjam Kruppa. Hier sieht die Beauftragte jeden einzelnen, aber auch – in ihrer Vorbildfunktion – die Politiker in der Verantwortung. „Der Zuwanderungs- und Integrationsbericht und seine Zahlen zeigen deutlich: Menschen, die aus dem Ausland nach Thüringen ziehen, sind eine Chance und überwiegend eine Bereicherung für das Land.“, mahnt die Beauftragte.

Der Zuwanderungs- und Integrationsbericht 2024 ist hier als. pdf-Datei für Sie als Download einsehbar.