Die Antworten der FDP-Kandidatin Franziska Baum

nnz-Fragen an unsere Kandidaten IV

Mittwoch
28.08.2024, 16:00 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Am Sonntag wird der neue Thüringer Landtag gewählt und auch aus Stadt und Kreis Nordhausen werden Abgeordnete entsandt. Die nnz hat den Kandidaten zehn Fragen gestellt, heute antwortet Franziska Baum, die Kandidatin der Freien Demokraten...

Eine schwierige Regierungsbildung im Freistaat steht bevor. Mit wem sollte Ihre Partei koalieren, wenn sie in den Landtag einzieht?
Nach zehn Jahren des rot-rot-grünen Stillstandes muss Thüringen in den zentralen Politikfeldern wieder vorankommen. Für uns steht nicht die Frage im Vordergrund, wer mit wem. Es kommt im Thüringer Landtag vielmehr darauf an, Mehrheiten für vernünftige politische Entscheidungen zu finden. Diese Mehrheiten können durchaus wechselnde Mehrheiten sein.
Die FDP steht für die Mitte unserer Gesellschaft. Wir werden weder mit den übergriffigen Grünen noch mit extremen Linken oder extremen Rechten in eine gemeinsame Regierung eintreten.

Welche steuerlichen Entlastungen auf Landesebene würden Sie als Abgeordneter unterstützen?
Die Freien Demokraten unterstützen jegliche steuerliche Entlastung. Doch wir machen auch keine falschen Versprechungen. Es gibt nur sehr wenige Steuern auf Landesebene, dies sind insbesondere die Biersteuer und die Grunderwerbsteuer. Bereits in der laufenden Legislatur haben wir im Thüringer Landtag dafür gesorgt, dass die Grunderwerbsteuer von 6,5 auf 5,0 Prozent gesenkt wurde. Wir möchten sie weiter senken auf das niedrigste mögliche Niveau von 3,5 Prozent.

Wie wollen Sie als Landtagsabgeordnete dafür sorgen, dass der Kreis Nordhausen in Erfurt mehr Gehör findet?
Ich nehme eine aktive Brückenfunktion zwischen den Bürgern, den lokalen Vertretern und der Landespolitik ein. Wie schon in der laufenden Legislatur plane ich regelmäßige Treffen und Dialoge vor Ort, um Anliegen und Herausforderungen direkt aufzunehmen.
Darüber hinaus werde ich im Landtag gezielt Anfragen einbringen, die die Bedürfnisse des Kreises Nordhausen thematisieren. Dies wird, so kennt man mich, immer lösungsorientiert erfolgen.

Leere Stadtkassen und eng geschnallte Gürtel: Was muss sich in der Finanzierung der Thüringer Kommunen zukünftig ändern?
Eine Reform des Kommunalen Finanzausgleichs ist seit Jahren überfällig; sie wurde von Rot-Rot-Grün verhindert. Eine neue Fairness zwischen dem Land und der kommunalen Familie muss das Ziel sein. Wir Freie Demokraten fordern für die kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehörigen Städte und Gemeinden eine verlässliche und angemessene Finanzausstattung, ohne dass immer wieder Sonderprogramme und Hilfsgesetze aufgelegt werden müssen. Voraussetzung dafür ist eine ehrliche Ermittlung des tatsächlichen Finanzbedarfs, der vor allem durch steigende Ausgaben im Sozial- und Jugendbereich sowie durch neue Aufgaben infolge von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungsprozessen immer weiter anwächst. Bei der Ermittlung des Finanzbedarfs müssen auch der Investitionsstau und die Kosten des demografischen Wandels und der Barrierefreiheit berücksichtigt werden.

Welche Idee haben Sie für das brachliegende Gewerbegebiet Goldene Aue?
Die alleinige Vermarktung durch die LEG ist nicht zielführend. Die am Industriegebiet beteiligten Kommunen müssen mehr Möglichkeiten erhalten, die Vermarktung selbst vornehmen zu können (mit Beteiligung regionaler Partner wie z. B. Hochschule Nordhausen, NUV, IHK). Bis sich ein Unternehmen wirklich ansiedelt, könnte die Fläche zwischenzeitlich wieder einer landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden. Z. B. auch für den Anbau von Material für die Biomethangasanlage der EVN.

Halten Sie den Tourismus in Nordthüringen für einen Wirtschaftsfaktor der Zukunft?
Ja, unbedingt. Nordthüringen hat eine wunderschöne Landschaft mit einmaligen Highlights wie z. B. dem Gipskarst, dem Tor zum Harz und dem Kyffhäuser. Der sanfte Tourismus hat enormes Potenzial. Dazu braucht es aber auch regionale Akteure mit Risikobereitschaft, die es glücklicherweise auch schon gibt, wie z. B. das Tiny-House-Projekt in Nordhausen. Investoren, die der Region eine touristische Wertschöpfung ermöglichen, müssen von der Politik unterstützt werden.

Wie stehen Sie dem geforderten weiteren Ausbau der Windenergie in Nordthüringen gegenüber?
Die Energiewende kann nur im Einklang von Mensch und Natur gelingen. Deshalb muss sie ideologiefrei erfolgen. Windkraft ist wichtig, aber sie allein wird weder das Klima retten noch die Energiewende absichern. Wir brauchen keine symbolpolitischen Forderungen, sondern einen technologieoffenen Ansatz. Windräder sollten überhaupt nur dort gebaut werden, wo sie wirtschaftlich betrieben werden können und von den Menschen vor Ort mehrheitlich akzeptiert sind. Beides ist in weiten Teilen Thüringens nicht der Fall. Nordthüringen hat bereits eine Hauptlast der Windenergiestandorte zu tragen. Eine weitere Versiegelung von Flächen, die teilweise der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden, lehnen wir ab. Wenn Kommunen aus eigenem Antrieb den Bau von Windkraftanlagen erwägen, so sollte dies in deren Entscheidungskompetenz liegen und nicht vom Land vorgeschrieben werden.

Sind Sie der Meinung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk, speziell auf den MDR bezogen, reformiert werden muss?
Im internationalen Vergleich finanziert Deutschland den größten und teuersten Rundfunk der Welt. Über Jahrzehnte hinweg hat sich in den Anstalten eine Vielzahl von Parallelangeboten und Mehrfachstrukturen entwickelt. Die Neuordnung des ÖRR ist dringend geboten. Ziel sollte sein, ihn zu einem effizienten, für den Bürger bezahlbaren und gleichzeitig hinreichend ausgestatteten Rundfunk umzugestalten.

Der Freistaat braucht in den nächsten Jahren rund 250.000 neue Arbeitskräfte. Wie kann dieses Problem ihrer Meinung nach gelöst werden? In welchen Branchen sollten Prioritäten gesetzt werden?
Der Fachkräftemangel ist einer der größten Herausforderungen, vor denen unser Freistaat steht. Es braucht ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Drei Beispiele.
Erstens: Wir setzen uns dafür ein, dass die Berufsorientierung in den Schulen fest verankert wird. Schülern sollen tiefere Einblicke in Aufgaben und Anforderungen von Unternehmen gegeben werden. Seitens des Nordthüringer Schulamtes ist Franka Hitzing für diese Projekte verantwortlich; sie ist zugleich eine äußerst profilierte Freie Demokratin. Zweitens: Der demographische Wandel, die zunehmende Heterogenisierung der Schülerschaft und die Integration werden besonders an Berufsschulen spürbar, ohne dass ihnen eine besondere Aufmerksamkeit zukommt. Aufgabe der Bildungspolitik muss es sein, das Berufsschulwesen strukturell neu aufzustellen und zu erneuern. Dafür müssen Berufsschulen eigenständiger agieren können, Bürokratie verringert und Personalpotentiale erschlossen werden.
Drittens: Wir sagen Nein zur Einwanderung in die Sozialsysteme, aber Ja zur Zuwanderung wirklicher Fachkräfte in die Arbeitsmarkt. Solange sich die Vergabe von Visa sowie die Anerkennung von beruflichen Qualifikationen ewig hinziehen, werden sich potentielle Fachkräfte weiterhin lieber für andere Staaten entscheiden. Die Unternehmen müssen selbst entscheiden dürfen, wer bei ihnen arbeiten kann. Den Aufbau einer Clearingstelle, welche bundesweit für alle praktischen Fragen seitens der Unternehmen und Kommunen zur Verfügung steht, wollen wir vorantreiben.

Bürgerschaft und Wirtschaft leiden unter hohen Energiepreisen. Wie kann man diesem Problem in Thüringen ihrer Meinung nach begegnen?
Wir stehen für eine ideologiefreie Energiepolitik, die alle verfügbaren und zukünftigen Technologien berücksichtigt und fördert. Die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten und Technologien muss reduziert werden, um eine sichere, bezahlbare und klimafreundliche Energieversorgung zu gewährleisten.
Die Energiewende muss lokal gestaltet werden. Deshalb wollen wir eine verstärkte Unterstützung für regionale, energetische Gesamtlösungen. Die Einbindung von Städten, Gemeinden, Fachleuten und regionalen Unternehmen ist entscheidend.
Wir wollen die geografische Lage Thüringens nutzen, um als Standort für Power-to-X Technologien und als Speicher- und Technologiestandort für Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe zu agieren. Wir sehen aber auch großes Potenzial in der Entwicklung einer nachhaltigen Biomassestrategie, um Biomasse und Energiepflanzen effizienter zu nutzen.
Grundsätzlich muss die nationale CO2-Bepreisung angemessen ausgeglichen werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern.