Die Antworten von Katja Mitteldorf (DIE LINKE)

nnz-Fragen zur Wahl an unsere Kandidaten III

Mittwoch
28.08.2024, 14:30 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Am Sonntag wird der neue Thüringer Landtag gewählt und auch aus Stadt und Kreis Nordhausen werden Abgeordnete entsandt. Die nnz hat den Kandidaten zehn Fragen gestellt, heute antwortet Katja Mitteldorf, Kandidatin der Linken für den Stadtwahlkreis...

Eine schwierige Regierungsbildung im Freistaat steht bevor. Mit wem sollte Ihre Partei koalieren, wenn sie in den Landtag einzieht?
Ob es eine schwierige Regierungsbildung wird, wissen wir erst nach dem 1. September sicher. Ich persönlich halte nicht viel davon, im Vorfeld mögliche Koalitionen zu diskutieren. Die Wählerinnen und Wähler sind der Souverän, die Aufgabe der gewählten Abgeordneten wird es sein, aus dem Wählervotum heraus Lösungen zu suchen, die es ermöglichen, Landeshaushalte und andere Gesetze zu verabschieden, die Planungssicherheit für Thüringen bedeuten. Für mich persönlich und auch für meine Partei gilt überdies, dass es keine Zusammenarbeit mit, keine Tolerierung von und keine Mehrheitsbeschaffung für eine gesichert rechtsextreme Partei geben wird.

Welche steuerlichen Entlastungen auf Landesebene würden Sie als Abgeordnete unterstützen?
Steuern sind Bundesangelegenheit. Auf Landesebene gibt es original eine Steuerart, deren Höhe wir bestimmen können. Dies ist die Grunderwerbssteuer, die – entgegen langläufiger Meinungen – nicht nur für Familien sondern für alle Arten von Grundstückserwerbungen gilt, also zum Beispiel auch für das sogenannte „Landgrabbing“, in dem Konzerne, Hedgefonds oder Spekulanten Ackerflächen aufkaufen und sie der hiesigen Kreislaufwirtschaft entziehen.

Die Grunderwerbssteuer ist in dieser Legislatur gesenkt worden und es wurde bereits ermöglicht, dass unter bestimmten Voraussetzungen Familien für ihren Ersterwerb zum Hausbau die gezahlten Steuern erstattet bekommen. Durch die Senkung der Grunderwerbssteuer standen allerdings in diesem Haushalt auch 50 Millionen Euro weniger für Infrastrukturmaßnahmen, Bildung, Kultur und Soziales zur Verfügung.

Viel wichtiger finde ich, dass auf Bundesebene endlich die ungleiche Frage der Mehrwertsteuer für die Verbraucherinnen und Verbraucher geregelt wird sowie endlich ein Steuerkonzept in Deutschland greift, dass die Normalverdiener entlastet und nicht die Einkommensmillionäre.

Wie wollen Sie als Landtagsabgeordnete dafür sorgen, dass der Kreis Nordhausen in Erfurt mehr Gehör findet?
Die Frage suggeriert, als hätte unsere Region nicht längst Gehör gefunden. Das hat sie aber eindeutig! In den letzten 10 Jahren sind nach Nordhausen (Stadt und Kreis) so viele Fördermittel für unterschiedliche Bereiche geflossen wie seit 2004 nicht mehr. Die Stadt Nordhausen ist unlängst Oberzentrum geworden, die Hochschule, das Theater, der Albert-Kuntz-Sportpark, Sanierungen vom Humboldt- und Schillergymnasium sowie weiteren Schulen, Investitionen in Radwegebau, Straßen und touristische Infrastruktur … all dies ist Ausdruck dessen, dass Nordhausen insgesamt eben nicht abgehängt wird aus Erfurt. Diesen Prozess möchte ich weiterhin unterstützen, so wie ich dies bereits in den letzten 10 Jahren getan habe.

Leere Stadtkassen und eng geschnallte Gürtel: Was muss sich in der Finanzierung der Thüringer Kommunen zukünftig ändern?
Auch hier klafft zwischen dem Gefühl und der Realität eine Lücke. Der kommunale Finanzausgleich (KFA), in dem die Finanzierung der Thüringer Kommunen geregelt ist, ist in den letzten 10 Jahren stetig gestiegen. Im Jahr 2024 stehen den Kommunen 2,9 Milliarden Euro zur Verfügung, das ist nochmal eine Steigerung des kommunalen Finanzausgleichs um 300 Millionen Euro zum Vorjahr. Zusätzlich werden Kommunen auch außerhalb des KFA, zum Beispiel wie kürzlich beschlossen, bei der Unterhaltung kommunaler Bäder für das Schulschwimmen unterstützt. Der KFA ist so aufgebaut, dass je mehr Steuerkraft die Kommune selbst aufbringt, desto weniger Ausgleich benötigt sie aus dem KFA. Im Durchschnitt haben Kommunen in Thüringen im letzten Jahr 230 Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet. Auch das zeigt, welch positive Entwicklung die kommunale Familie bereits genommen hat. In Zukunft gilt es, dies fortzuführen.

Welche Idee haben Sie für das brachliegende Gewerbegebiet Goldene Aue?
Ich bin mittlerweile beim Galgenhumor angekommen, um ganz ehrlich zu sein. Die Landesentwicklungsgesellschaft, die für die Vermarktung zuständig ist, hat keinen Erfolg erzielen können. Auch die Bemühungen des NUV und selbst einzelne Gespräche mit Unternehmen, an denen auch ich beteiligt war, haben nicht zum Erfolg geführt. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir breiter denken. Warum – zum Beispiel – sollten wir nicht über eine Umnutzung nachdenken, und zum Beispiel „Karl’s Erdbeerhof“ mit der gesamten touristischen Infrastruktur, die damit einhergeht und die gerade im Harz nach einem neuen Standort suchen, ein Angebot unterbreiten? Das wäre in jedem Fall mal ein anderes Herangehen.

Halten Sie den Tourismus in Nordthüringen für einen Wirtschaftsfaktor der Zukunft?
Selbstverständlich! Um das ganze Potenzial zu heben, braucht es aber endlich ein gemeinsames Image der Region, die alle möglichen Arten von Touristen ansprechen, die auch weit über Tagestourismus hinausgehen. An so vielen Stellen passiert dies im Kleinen bereits wunderbar, aber wenn unsere Region das Selbstbewusstsein entwickelt, gemeinsam aufmerksam zu machen, Events und Termine abzustimmen – dann entdecken noch viel mehr Menschen, wie schön und abwechslungsreich es hier ist. Wir sollten versuchen, unseren eigenen Charme zu leben und nicht zuallererst in die Produktbeschreibung einer Landestourismusstrategie zu passen. Dann haben wir viel mehr Erfolg.

Wie stehen Sie dem geforderten weiteren Ausbau der Windenergie in Nordthüringen gegenüber?
Ich sage, wenn wir es ernst meinen mit der Unabhängigkeit von fossilen Energieformen und anderen Staaten, auf die wir angewiesen sind, dann brauchen wir für einen gesunden Energiemix auch Windenergie. Dabei muss aber klar sein, dass eine regionale Energiekreislaufwirtschaft zu bevorzugen ist. Dies schaffen wir durch die Stärkung kommunaler Energieunternehmen und eindeutig nicht durch den Verkauf von heimischen Flächen an Investoren, die woanders Steuern zahlen. Durch das neue Windenergiebeteiligungsgesetz ist es jetzt schon möglich, dass Kommunen direkt von den Erlösen der Windräder finanziell profitieren. Beim Ausbau von Solarenergie plädiere ich zunächst für den Ausbau auf Dächern von öffentlichen Gebäuden und kommunalen Einrichtungen vor der Versiegelung von Wiesen und Äckern.

Sind Sie der Meinung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk, speziell auf dem MDR bezogen reformiert werden muss?
Der MDR, als Teil der ARD, ist bereits mitten im Reformprozess. Unlängst hat der Zukunftsrat, ein Gremium aus Experten und Nutzerinnen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, final die Reformvorschläge auf den Tisch gelegt. Und ja, natürlich braucht auch der MDR – wie alle relevanten Institutionen regelmäßig – eine Evaluation und Reformen und eine Überprüfung der Umsetzung des Auftrags.

Die inhaltlichen Auseinandersetzungen dazu passieren längst. Auch die Frage der Höhe des Rundfunkbeitrages spielt dabei eine Rolle. Ich möchte nicht, dass er steigt, möchte aber ebenso wenig, dass die notwendigen Einsparungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zulasten der journalistischen Qualität gehen. Diese Balance gilt es abzuwägen. Eine Abschaffung der Rundfunkgebühren und eine Hinwendung zu einem steuerfinanzierten System lehne ich ab, denn Steuern werden von politischen Mehrheiten entschieden. Dies würde die Staatsferne konterkarieren.

Der Freistaat braucht in den nächsten Jahren rund 250.000 neue Arbeitskräfte. Wie kann dieses Problem ihrer Meinung nach gelöst werden? In welchen Branchen sollten Prioritäten gesetzt werden?
Zunächst einmal bleibt festzuhalten, dass wir bereits jetzt an vielen Stellen und gerade im Mittelstand, beim Handwerk und auch im Dienstleistungsgewerbe viele offene Ausbildungsstellen haben, die nicht besetzt werden. Deshalb war es richtig, den in Nordhausen erfolgreich erprobten „Tag in der Praxis“ ins Schulgesetz aufzunehmen und thüringenweit zu ermöglichen. Schülerinnen und Schüler haben dadurch bereits während der Schulzeit regelmäßig Einblick in Unternehmen und unterschiedliche Berufsfelder.

Der Erfolg der von uns eingeführten Schülerpraktikumsprämie für Ferienpraktika in Handwerksbetrieben zeigt, dass es oftmals vor allem Berührung und Erfahrung mit Berufsfeldern braucht, um ein Interesse zu entwickeln. Ich glaube, dass wir hier in den nächsten Jahren noch gezielter agieren können und zum Beispiel die Praktikumsprämie auch auf andere Bereiche wie zum Beispiel Pflegeberufe ausweiten müssen. Denn es ist und bleibt auch die kritische Infrastruktur, die Nachwuchssorgen hat. Die Frage von Tarifbindung, guten Löhnen und Mobilität (hier speziell mit einem gut ausgebauten ÖPNV und einem 28-Euro-Ticket für Schüler, Azubis und Studenten) spielen hier auch eine wichtige Rolle. Auch werden wir nicht ohne Zuwanderung aus dem EU-Ausland sowie nicht-EU-Ausland auskommen. Dazu müssen internationale Abschlüsse schneller anerkannt und die Vergleichbarkeit von Ausbildungs- und Studieninhalten endlich sinnvoll ermöglicht werden.

Grundsätzlich setzt sich die Linke für eine kostenfreie Bildung vom Kindergarten bis zum Meister oder Master ein. Auch deshalb halte ich weitergehende Instrumente wie die Meistergründungsprämie und den Meisterbonus für weitere Anreizsysteme für den Mittelstand.

Bürgerschaft und Wirtschaft leiden unter hohen Energiepreisen. Wie kann man diesem Problem in Thüringen ihrer Meinung nach begegnen?
Solange Energieversorgung und deren Preisgestaltung, was für mich eindeutig zur Daseinsvorsorge gehört, unreguliert dem freien Markt überlassen wird, sind wir selbstredend alle immer wieder von geopolitischen Verwerfungen und Veränderungen betroffen. Das kann Thüringen allein nicht ändern, aber aus meiner Sicht bleibt es dabei, dass die beste Möglichkeit zum Gegensteuern die Stärkung kommunal getragener Energieversorger und eine Ermöglichung regionaler Energiekreisläufe mit einem gesunden Energiemix ist. Gerade wir in Nordhausen haben das Wissen dazu geballt vor Ort, sei es durch die Hochschule oder aber auch durch bereits erprobte Modelle von kommunalen Wohnungsunternehmen hier vor Ort. Diese Entwicklung gilt es zu stärken. Ebenso müssen alle Bundesländer gemeinsame Anstrengungen Richtung Bund unternehmen, um zum Beispiel den Ausbau von Energiespeichersystemen generell voranzubringen.