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Streit um Protestkultur in Bad Langensalza

Montag
26.08.2024, 14:58 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Als "offenen Brief" schrieb unser Leser Horst Jerina den folgenden Text an den Bürgermeister von Bad Langensalza. Inhaltlich geht es um ein Transparent am Kirchenturm, worüber wir hier bereits berichteten...


Offener Brief.
Kirchturmpolitik! - oder: Muss der Provokateur vor Provokation geschützt werden?


Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

Ihre Erklärung in der Stadtratssitzung vom 21.08.2024 auf die Anfrage von Herrn Kosiol zur Entfernung eines Transparentes vom Kirchturm der Marktkirche in Bad Langensalza war aus meiner Sicht unzutreffend und schockierend zugleich. Sie war ein Signal an einen Faschisten, mit seinen unredlichen Provokationen ungehindert fortfahren zu können!

Juristisch unzutreffend ist die Aussage, Kirchen seien öffentliche Gebäude. Nein, die Kirchen gehören den Kirchen!! - genauer gesagt, den Kirchengemeinden. So steht es in den Grundbüchern. Ansprechpartner sind die Gemeindekirchenräte (Kirchenvorstände) als ihre Vertreter und nicht die Pastoren. Wer ein Transparent auf einem „Privatgrundstück“ aufstellt, braucht nur die Genehmigung des Grundstückseigentümers. Das hat mir das Ordnungsamt der Stadt bei der Plakatierung für die Wahlen erklärt. Auch die Mitglieder der von Ihnen angeführten Bürgerliste praktizierten es so.

Möglicherweise bestehen aus längst vergangenen Zeiten Finanzierungsverpflichtungen oder Baulasten der Stadt aufgrund derer sie sich an der Unterhaltung zu beteiligen hat. Das bedeutet aber nicht, dass die Gebäude öffentlich werden und sie in die Eigentümerrechte der Kirchengemeinden engreifen darf.

Die Kirchen sind nicht zur Neutralität verpflichtet. Sie unterfallen dem Kanonischen Recht (Katholische Kirche) und dem Patronats-/Kirchenrecht (protestantische Kirchen). Nur so ist auch ihre „ungehinderte Beteiligung/Organisation“ an/von Ostermärschen, der politischen Wende 1989, der Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“ und anderen, auch sehr politischen Veranstaltungen zu erklären. Beim Thema Menschlichkeit und Menschenrechte kann und darf es keine Neutralität geben. Erst recht nicht, wenn es gegen verfassungs- und menschenrechtsfeindliche Symbolik und Formulierungen geht. Das betrifft auch Personen, denen bereits unter Bestrafung das Verwenden solcher Formulierungen gerichtlich verboten wurde!

Die Kirchengemeinden, an deren Gebäuden derzeit solche Transparente landesweit zu sehen sind, handeln im Sinne des Menschenrechts und der Menschlichkeit! Das können und dürfen Sie nicht untersagen!! Sie wollten vielleicht die Stadt vor Unruhen schützen, haben aber den Provokanten vor den Friedlichen, den unredlichen vor den Redlichen geschützt! Das hat mich schockiert.

Richtiger wäre es aus meiner Sicht gewesen, dem ausgewiesenen … gar kein Forum in unserer Stadt zu geben und so eine befürchtete Eskalation von vornherein zu vermeiden. Aber wie? Wahlkampfveranstaltungen sind nicht so einfach verhinderbar!

Hätten fünf Tonnen Sand ausgereicht, aus einem Anhänger auf dem Jahnplatz abgekippt, einen Bauzaun drum herum aufgestellt und den Platz zur Baustelle und damit als vorübergehend nicht benutzbar erklärt? Es gibt in Bad Langensalzas Umgebung sicherlich Unternehmer, die Ihnen dafür einen LKW geliehen hätten!

Um Fehlinterpretationen vorzubeugen sage ich meine ausdrückliche Hochachtung unseren Damen und Herren Stadträten für ihre Arbeit zum Wohle unserer Stadt, ganz gleich welcher Partei oder Fraktion sie angehören, sofern sie auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen, es achten und verteidigen.
Horst Jerina